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sollte. Robert wartete geduldig ab und die Floßfahrt ging zunächst geruhsam voran. Aber als man die Mündung der Soâne in die Rhône erreichte, etwa fünfzig Meilen südlich ihres ersten Lagerplatzes, wurde der vereinte Strom nach und nach unliebsamer. Dann, noch mal hundert Meilen südlicher, es war bereits der zweite Tag ihrer Bootsfahrt, an der Flussenge in der Nähe der Cevennen, einem Bergrücken bei Valence, war jedem mit einem Mal klar, warum die Pferde zurückgelassen worden waren. Diese gewaltigen Wellen und die Massen an Schaum, dieses tobende Ungetüm aus eiskaltem Gletscherwasser, das hier Sekunde für Sekunde dem Berghang hinunter donnerte, hätte kein Pferd standgehalten. Auch die Sklaven hatten Schwierigkeiten dem beizukommen. Die Fahrgäste wurden reihenweise durch die Gegend geworfen und hätte man nicht - Gottlob - die Füße angekettet gehabt, dann wären Robert und seine Kumpanen vermutlich doch noch vom Floß ausgespuckt worden. Genauso erging es nämlich einem der Osmanen, als das Floß einen großen Brocken überfuhr und dadurch unvermittelt in die Luft geworfen wurde. Die Fahrt war so wild und schnell, dass man dem Ertrinkenden nur noch einen spöttischen Blick hinterherwerfen konnte. »Einer weniger« dachte Robert gerade, da wurde die Fahrt auch schon wieder etwas sanfter und er schätzte, dass sie bereits in der Nähe von Avignon sein mussten. »Schade. Es würde mich nicht stören, wenn noch ein paar verloren gingen« dacht er, denn der eine konnte nicht wieder eingesammelt werden.

      »Pech gehabt« sagte der Hauptmann. »Er hätte eben besser aufpassen sollen.« Er, genauso wie seine Untergebenen lachten sich gerade ins Fäustchen über den missglückten Versuch des treibenden Osmanen, sich des Ertrinkens zu erwehren.

      »Wieder einer weniger« rief einer.

      »Genau. Da bleibt mehr für uns« rief ein anderer.

      Robert fand das alles sehr merkwürdig. Er hatte zwar noch nie in einer Armee gekämpft, trotzdem wusste er von seinem Freund aus Alès, dass die Bereitschaft zur Hilfe bei den Osmanen schon sprichwörtlich war. Wieso halfen die hier dem Ertrinkenden also nicht?

      David beobachtete die schwarzen Männer vom hinteren Teil des Floßes aus. Im Gegensatz zu den Sklaven mussten sie stehen. Deshalb versuchten die Kerle eigentlich nur, sich an Bord zu halten, und nahmen schon seit einiger Zeit keine Notiz mehr von ihm. Der Fluss wurde wieder etwas rauer und da jeder gerade genug mit sich selbst zu tun hatte, bemerkte auch niemand, dass David unter seinen Karren geklettert war. Dort saß er und blickte zu Robert, der ihn ebenfalls nachdenklich ansah. David’s Ketten waren ja an der Wagenachse festgemacht worden und mussten deshalb etwas länger sein, als bei den anderen Gefangenen. Wie hätte er sich sonst auf dem Karren bewegen sollen? Aber genau das gab ihm jetzt die Möglichkeit, in die Schwarzpulverbeutel ein Loch zu bohren.

      »Anfänger« dachte David, denn merkwürdigerweise hatte sie bisher noch niemand bemerkt. »Aber das wird sich bald ändern« wusste er, denn jetzt holte er seine Zunderbüchse aus der Hosentasche.

      »Was für ein intelligentes Kerlchen« dachte Robert bei sich, der David seit Beginn der Fahrt nicht aus den Augen gelassen hatte, doch gleich darauf erkannte er, dass David natürlich noch immer an den Karren festgekettet war. David schien es egal zu sein, denn nachdem er Robert einen eindeutigen Blick zugeworfen hatte, ging er ohne weitere Vorwarnung und sehr entschlossen daran, das Pulver zu entzünden. Gerade als einer der Osmanen David’s Anstrengungen erkannte, spuckte das Pulver Funken und kroch schnell Richtung Beutel, schwang sich in die Lüfte und erreichte die explosive Fracht …

      … kawummm …

      … machte es - es krachte und donnerte, es blitzte und Funken stoben auf. In einer ohrenbetäubenden Explosion hatte das Pulver den Karren und einen Teil der Holzbalken im hinteren Bereich des Floßes in heißen Staub und Splitter verwandelt. Die ganze Besatzung schrie nach Hilfe, ob Freund oder Feind, in einem weg und alle durcheinander. Niemand beachtete mehr, was die anderen taten, sondern jeder kümmerte sich nur noch um sein eigenes Leben, das offenbar erheblich in Gefahr zu sein schien.

      Sofort nach dem Anzünden und kurz vor der bevorstehenden Explosion, als das Pulver bereits Funken geschlagen hatte, war David ins Wasser gesprungen, doch die Ketten waren zu kurz, um auch seine Beine eintauchen zu können. Und weil diese noch immer an der Achse festgemacht waren, hing er nun mit den Füßen am Karren und mit dem Kopf unter Wasser und er wurde eine Zeit lang, ohne atmen zu können, hinterhergezogen. Aber als das Schwarzpulver dann endlich explodierte, zerriss es den Karren in tausend Stücke und von David war keine Spur mehr zu sehen.

      Robert hatte ebenfalls den heißen Atem des explosiven Pulvers auf seiner Haut gespürt. Allerdings wurde er gedämpft durch die Anwesenheit seines Vordermanns. Die Explosion hatte das Holzgerüst, an dem der Mann gerade noch angekettet war, durchtrennt und zum größten Teil zerborsten. Die Überreste seiner Verankerung trieben jetzt, zusammen mit seinen immer noch daran angeketteten Beinen, Fluss abwärts. In seinem blutigen Wahn wollte Robert’s Vordermann sein Gehteil wieder an Bord holen und rollte sich deshalb, an den umher rennenden Wachen vorbei, ins eiskalte Wasser, was ihn augenblicklich tötete. Nachdem sich der Qualm einigermaßen gelegt hatte, erkannte Robert, dass seine Verankerung ebenfalls keinen Halt mehr hatte und ohne Nachzudenken, nutzte er die unverhoffte Möglichkeit, rollte er sich zur Seite und sprang David hinterher, noch bevor die Wachen wieder ins Geschehen eingreifen konnten.

      Die gewaltige Explosion hatte sieben Sklaven und zwei Wärter förmlich in Stücke zerrissen und dabei in alle Richtungen verteilt. Der Rest des ersten Floßes kämpfte noch immer mit dem Verstand und den blutroten Überresten der Verblichenen, als das zweite Holzungetüm bereits mit enormer hoher Geschwindigkeit um die letzte Flussbiegung kam. Man sah deutlich, dass der Hauptmann auf dem zweiten Floß, die Soldaten zu höherer Geschwindigkeit antrieb. Anstatt das Ruderblatt zum Lenken zu benutzen, wurde es jetzt im Wasser hin und her geschwenkt, wodurch das Floß von hinten eine zusätzliche Beschleunigung erhielt. Immer näher kam es an das vordere Floß heran, trieb es förmlich vor sich her, während die darauf umherstarrenden Osmanen nach Überlebenden oder der Ursache des hinterhältigen Anschlages suchten.

      Um nicht aufzufallen, versuchte Robert im Wasser treibend hektische Bewegungen zu vermeiden. Gleichzeitig durfte er aber auch nicht zu nahe an die Flöße heran getrieben werden, andernfalls würde er entweder zwischen den beiden hölzernen Ungetümen zerquetscht oder vielleicht von einem der osmanischen Soldaten als lebendiger Flüchtling wiedererkannt und dann erneut eingesammelt werden. Er musste sich also totstellen, aber trotzdem von den Flößen wegkommen. Es war fast aussichtslos, doch eine andere Fluchtmöglichkeit gab es nicht. Genauso wie die Flöße und auch das bereits tote Treibgut wurde er erbarmungslos durchgeschüttelt und in der Flussrinne voran geschoben, als plötzlich das zweite Floß von hinten angeschossen kam und ihn unvermittelt unter die Wasseroberfläche drückte. Die Strömung und sein eigener Auftrieb drückten ihn immer wieder gegen die Unterkante des Floßes, ohne dass er dies zum Luftholen hätte nutzen können. Sekunden und Minuten vergingen - ihm erschien es wie eine Ewigkeit - in der er nur weißen aufsteigenden Schaum und wirbelnde Luftblasen sah, die von den herumliegenden Steinbrocken erzeugt wurden. Ständig wurde er mit Kopf, Körper und Beinen gegen die im Wasser liegenden Felsen gedrückt. Doch noch immer konnte er keine Luft holen. Noch immer trieb er unter dem Floß und prallte gegen dessen Unterkante. Fast schwanden ihm schon die Sinne, als sich das Floß endlich vor ihn schob und er keuchend nach Luft ringen konnte. Als er wieder halbwegs bei Sinnen war, versuchte er etwas Abstand von dem gewaltigen Gefährt zu gewinnen, als ihm plötzlich ein schrecklicher Gedanke kam. »Wo ist David?« hämmerte es in seinem Kopf. »Verdammt, wo ist er nur?« Aber David war nicht zu sehen.

      So ihn der Fluss ließ, versuchte Robert nach ihm zu suchen, ohne dabei die Aufmerksamkeit der umherstarrenden Wächter auf sich zu ziehen. Noch immer war die Rhône nicht vollständig gebändigt und alles, was sich darin befand, wurde unwillkürlich mitgerissen. Neben dem Wasser, dass er literweise schlucken musste, machte ihm die Kälte noch viel mehr zu schaffen. Das kühle Nass kam auf direktem Wege von den Gletschern der Vogesen, und war so kalt, wie ein Schneesturm im Winter, nur flüssiger. Es fehlte nicht viel und alles in ihm würde unwillkürlich gefrieren. Wahrscheinlich war das bei David bereits geschehen, wenn er nicht sogar schon vorher durch die Explosion getötet oder in Stücke gerissen worden war. Wieder machte sich Ungewissheit breit und Robert wurde zusehends hektischer bei dem Gedanken, seinen Schützling verloren zu haben. Er versuchte den Abstand zwischen sich

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