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Der Physicus. Volker Schmidt, Prof. Dr.
Читать онлайн.Название Der Physicus
Год выпуска 0
isbn 9783347066137
Автор произведения Volker Schmidt, Prof. Dr.
Жанр Контркультура
Издательство Readbox publishing GmbH
Das Feuer hatte mittlerweile eine stattliche Größe angenommen und brannte jetzt fröhlich vor sich hin. »Könnte gefährlich sein …« dachte David. »… aber wir brauchen es. Er noch viel mehr, als ich.« Die Sonne ging schon unter und David setzte sich müde und in Gedanken versunken auf einen der abgebrochenen Äste, die arglos in der Landschaft herum lagen. Hungrig starrte er in den Himmel. Vielleicht zwei Stunden saß er so da und dachte nach, als Robert endlich zu sich kam. Mittlerweile war es fast Abend und die Sterne funkelten bereits etwas schüchtern im Schatten der nahenden Nacht.
»Du lebst? Gut. … Sind wir alleine? … Wo sind die Sklaventreiber?« fragte Robert, als er endlich erwacht war. Aber David schubste nur mit den Schultern.
»Du willst sie mit deinem Feuer anlocken, damit sie dir ein Mahl bereiten! Hab‘ ich recht?« David starrte Robert an und schnaubte etwas verächtlich, was wohl so viel heißen sollte wie: »Du Blödmann. Ich ziehe dich an Land, leg dich in die Sonne und mach’ dir ein Feuer, damit du nicht erfrierst - und was machst du - mich anscheißen, als wäre es besser zu krepieren, als zu riskieren, gesehen zu werden.«
Robert dachte über Davids Schnauben nach und fand, dass er recht hatte. Es war nicht zu ändern. Sie brauchten das Feuer, vor allem er selbst, auch wenn das ein Risiko bedeuten würde. Friedlich setzte er sich also auf, warf David einen zufriedenen, fast dankenden Blick zu und genoss die Wärme der Flammen, die sich enger und enger an die Äste anschmiegten, sie immer fester umklammerten und ihnen letztlich alle Energie aus den Zellen zogen, um sie dann kostenlos an die beiden Frierenden abzugeben.
Robert schaute zu David. Er musste an die Worte seines Vaters denken, die er ihn damals geleert hatte, als er selbst noch ein kleiner Junge war. »Feuer frisst gerne« sagte er damals zu ihm. »Also sei vorsichtig damit. Wenn man es lässt, frisst es bis in alle Ewigkeit. Und Nachts sieht man es meilenweit.«
Warum war ihm das gerade jetzt eingefallen? »Egal.« dachte Robert. Er hatte momentan andere Probleme. Ein Schmerz machte sich nämlich gerade in seinem Magen breit und jemand brummte mürrisch darin herum. Jetzt, da sie wieder ein wenig innere Wärme hatten, kam der Hunger. Zeitweise waren ihre Mägen lauter als das tosende Wasser der Rhône, die stet und bis in alle Ewigkeit in ihrem Bett zu fließen schien. David legte noch etwas Brennholz auf, um das Feuer wenigstens noch zwei oder drei Stunden in Gang zu halten. Funken schlugen hoch, und die Flammen prasselten herrlich. Robert schaute zu David und sie verstanden sich wieder einmal ohne Worte. »Wir brauchen die Wärme …« dachte Robert »… auch wenn es nur allzu gefährlich ist, was wir hier gerade so unverblümt tun.«
Der Morgen graute noch nicht, als sie aufwachten. Der Hunger und auch die Kälte hatten sie früh geweckt. Das Feuer war runter gebrannt, schneller als erhofft und ihre müden Knochen waren steif gefroren und die Muskeln schienen wie abgestorben. Robert lauschte in die Dunkelheit. Die Rhône floss noch immer und Robert hatte die Hoffnung, dass die Flößer ihre verblieben Ladung schon bis ans Mittelmeer befördert hatten. Doch dann bemerkten die beiden plötzlich, warum sie wirklich aufgewacht waren. Es war nicht die Kälte und auch nicht der Hunger. Hinter ihnen waren deutlich Geräusche zu vernehmen. Jemand schlich sich an sie heran, oder versuchte zumindest, ungesehen ihr Lager zu erreichen. Robert warf einen kurzen Blick zu David, dann auf das erlöschen Feuer und wieder zu David. Wieder verstanden sie sich blind, und kurz entschlossen fielen beide auf die Knie und krochen hinter den nächsten Busch. Immer weiter ins Gestrüpp hinein, vom Fluss weg. Doch die angelegten Ketten machten Lärm, so dass die beiden sich nur äußerst vorsichtig bewegen konnten, und sie daher nicht sehr schnell vorankamen. Wieder hörten die beiden Geräusche, diesmal von unmittelbar hinter ihnen kommend. Die ungebetenen Gäste mussten direkt hinter ihnen stehen, an ihrem Schlafplatz - vielleicht nur zehn Meter entfernt. David wurde blass vor Angst. Er glaubte fast, sie würden direkt vor den Füßen des Schleichers hocken, so nah schien das Geräusch mittlerweile zu sein. Robert erstarrte zu einer Salzsäule und David zitterte am ganzen Leib. Wieder bekam er diesen Ausdruck von Furcht im Gesicht - ganz so wie es in London der Fall gewesen war, als sie auf die Straßensperre der Rotröcke zufuhren.
Robert sah ihn an, und er lächelte ihm zu. Er sagte nichts und lächelte nur, aber es reichte schon aus, um David etwas neuen Mut zu geben. Aber dann hörten sie ein Gemurmel. Es waren mehrere Leute, mindestens drei … nein vier Mann, die sich angeregt unterhielten und … und dann urplötzlich nichts mehr sagten. Alles war ruhig, kein Sterbenswörtchen war mehr zu hören und nicht nur David stockte diesmal der Atem. Auch Robert hörte das eigene Blut durch seine Adern fließen. Beide versuchten nicht mal zu blinzeln, denn die Natur wartete ebenfalls ab und machte keine Geräusche mehr. Kein Vogel rührte sich, kein Baum knackte mit den Ästen oder schwankte im Wind. Selbst das Rauschen der nahen Rhône war kaum mehr zu hören.
Auch sie schien kurzzeitig das Fließen verlernt zu haben. Ein Wimpernschlag wäre jetzt so laut, wie ein Schlag auf eine Pauke gewesen. David versuchte sogar die Gedanken in seinem Kopf zu unterdrücken, aus Angst, sie könnten ihn verraten.
Die vier Männer versuchten sie ganz offensichtlich zu orten. Man spürte förmlich, wie ihre Ohren nach ihnen suchten. Dann plötzlich gab es wieder ein Geräusch, das sich ganz deutlich nach einem Suchen im Gras anhörte. Ein Krummsäbel wurde wie ein Uhrwerk durch das kniehohe Gestrüpp geschwenkt und Fußtritte kamen hinterher. Die vier suchten nach ihnen. David hatte das Entsetzten auf seinen Lippen und das Grauen in seinen Augen, und keiner der beiden wagte auch nur zu denken. Es war allzu klar, wer diese Männer waren. Aber dann wurden die Geräusche leiser und sie verflüchtigten sich langsam. Zehn Minuten lang blieben die beiden wie angewurzelt hocken, bevor sich Robert endlich aufraffte und beschloss, weiter zu kriechen, dann vorsichtig zu gehen und auch wieder zu laufen - so gut wie es eben ging - mit Ketten an den Beinen.
Nach nur drei Meilen Nachtlauf zog sich die Landschaft langsam die Hänge hinauf und Robert erkannte kleine Lichter in der Ferne. Der Morgen graute schon, doch die Lichter, die er sah, brannten noch immer unheilvoll und bedrohlich in der Nähe der Rhône, nur wenige Meilen unterhalb ihres Lagerplatzes. »Komm. Ich glaube, unsere schlechten Vorahnungen waren richtig.« flüsterte Robert David zu und gleich darauf rannten sie weiter westwärts, weg vom Fluss. Immer weiter bergauf ging der Pfad. Die Ahnung, die die beiden hatten, die aber keiner aussprechen wollte, wurde bald zur sicheren Gewissheit. Die Sklaventreiber waren noch nicht am Mittelmeer angekommen, und würden vielleicht doch noch auf die Jagd nach ihnen gehen.
Eine halbe Stunde waren sie jetzt unterwegs, da erschallte aus dem Lager am Flussufer ein Stimmengewirr. Es wurde geschrien und geschimpft. Manchmal hörte man Schreie, wie sie auch aus einem Sterbenden hervorkommen. Eiskalter Schauer lief den beiden über den Rücken und sie rannten jetzt so schnell, wie Robert eben konnte, denn David war immer als erster an der nächsten Ecke. Fast schon am Bergkamm angekommen, sahen sie Fackeln auf sich zukommen. Manchmal gingen sie zur Seite, manchmal zurück, doch grob hielten sie auf ihren Standort zu. Es war deutlich zu sehen, dass sie etwas suchten, und besonders viel Zeit schienen sie sich dabei nicht zu lassen. »Wir müssen weiter. Rennen was die Ketten zulassen, wenn wir denen entkommen wollen. Offenbar wissen sie von uns und deiner feurigen Überraschung. Sie wollen sich rächen, sonst würden sie nicht derart beschleunigen« vermutete Robert völlig zu Recht und David war schon wieder vor ihm.
Kurz darauf stoppte Robert wieder. Ein von Wölfen angefallenes Rotwild lag auf dem Weg. Der Brustraum war geöffnet und die Kehle durchtrennt. Der Kopf war leicht angeschlagen und der Körper noch warm. Das Blut des Tieres war frisch über den Steinen verteilt. David hatte den Hirsch gar nicht bemerkt, und war einfach daran vorbeigelaufen. Doch Robert, als erfahrener Fährtenleser, war es nicht entgangen und er befühlte das tote Wild. »Der Krach hat den Wolf gerade erst vertrieben« sagte er. »Er hat seine Beute zurückgelassen und versteckt