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Der Physicus. Volker Schmidt, Prof. Dr.
Читать онлайн.Название Der Physicus
Год выпуска 0
isbn 9783347066137
Автор произведения Volker Schmidt, Prof. Dr.
Жанр Контркультура
Издательство Readbox publishing GmbH
… dong … dongledong … dong … »Da … jetzt kommt er gleich raus« rief einer, als der unter Wasser mitgeschleppte Sklave endlich zum Vorschein kam und … und er noch immer lebte. Sein zu Eis erstarrter Kopf schoss aus dem Wasser und holte tief Luft … dann war er wieder weg. Zu spät für die Soldaten, ihn noch einzufangen. Nur ein Schlag mit dem Ruderblatt konnten sie noch austeilen, dann tauchte er wieder unter.
»Der ist tot. Bei dieser Temperatur hält keiner lange stand« meinte der Sarazene. »Wir müssen uns um die da kümmern« und er zeigte dabei auf das vordere Floß, mit dem sie jetzt bereits auf fast gleicher Höhe waren. »Längsseits gehen und rammen« rief der Hauptmann und darauf wurde das Ruderblatt hart nach außen gezogen. Langsam kam das zerstörte Floß näher und wurde angefahren … bummm … Die Soldaten warfen schnell einige Seile zur anderen Gruppe auf dem zerstörten Floß und beide Boote wurden nun aneinander geschnürt, so dass die restliche Fahrt gemeinsam fortgesetzt werden konnte. Etwas später, an einer seichten Stelle, als der Fluss langsam etwas ruhiger vor sich hinfloss, wurde das angeschlagene Gefährt angelandet, und der entstandene Schaden begutachtet.
Ein Großteil der Ruderanlage war durch die unerwartete Explosion im hinteren Bereich vollständig zertrümmert worden, so dass ein Lenken nicht mehr möglich war. Einen Wächter, es war Abdul Faisal - der Neffe des Sarazenen und verantwortlich für die gute Behandlung der Sklaven - hatten sie bereits während der Durchfahrt durch die Stromschnellen verloren - wahrscheinlich war er darin ertrunken. Zwei weitere Kollegen, die die Lenkstange bedienen sollten, waren gerade eben durch die Explosion in tausend Fetzen zerrissen worden und hingen noch immer in kleinen Stücken an dem einstigen Holzgeländer des halb zerstörten Floßes. Leider waren auch ein paar Sklaven dabei drauf gegangen, was den Gewinn der anderen deutlich schmälern würde. Bisher war auch noch nicht vollständig geklärt worden, was die Explosion überhaupt ausgelöst hatte. Einer der Wachen des zerstörten Floßes hatte lediglich gesehen - und das berichtete er gerade - dass, kurz vor dem Anschlag, der Küchenjunge ins Wasser gehopst war »… und das sogar, obwohl er noch am Karren angekettet war. …« Das führte dazu - so erzählte er »… dass er mit untergetauchtem Kopf einige Meter hinterher gezogen wurde. Dann krachte es schon und der Karren mit samt Jungen waren gleich darauf verschwunden. Der ist sicher auch in kleinen Fetzen davon geflogen« vermutete der Orientale belustigt.
»Das ist er nicht, du blöder Idiot …« hörte man den Hauptmann schreien. »… dieser Scheißkerl hat uns das Floß in die Luft gejagt, und unsere Gefangenen ebenfalls« schnauzte er seinen verblüfften Untergebenen an. »Aber womit?« überlegte der Sarazene. Es fiel ihm schwer einen klaren Gedanken zu fassen, denn sein Ärger über dieses Missgeschick und die nicht kalkulierten Einbußen, verhinderten es. »Schwarzpulver vielleicht? … Woher hatte er das? Wieso hat er es überhaupt entzünden können?« kamen bei ihm quälende Fragen auf. »Die habt ihr ihm doch nach dem Essen immer wieder weggenommen?« fragte der Hauptmann seine Leute, die im Spalier aufgereiht vor ihm standen und sich keiner Schuld bewusst waren.
»Haben ihm was weggenommen, Chef?« fragte einer aus der hinteren Reihe.
»Die Zunderbüchse natürlich, du saudummer Dämel. Die habt ihr ihm doch immer wieder weggenommen? Oder etwa nicht?« Doch es kam keine Antwort. Die einzige, die sie ihm ehrlicher Weise hätten geben müssen, wurde nicht ausgesprochen. Doch ihr Schweigen war so gut, als hätten sie die Wahrheit gesagt. Der Sarazene tobte vor Wut, seine Stimme bebte und sein Blut kochte. Er war so sauer darüber, dass ihm jemand den Verdienst geschmälert hatte - weniger über den Tod seines geliebten Neffen - dass er in diesem Moment nicht gezögert hätte, die Anzahl der Söldner noch weiter zu verringern, nur um seinen eigenen Anteil damit zu erhöhen. »Ich hacke euch die Köpfe ab … Ihr blöden Deppen … Ich werde euch ins Loch werfen lassen, wenn wir wieder auf dem Schiff sind, das verspreche ich euch … Ich lasse euch rudern, bis ihr tot umfallt. Geht mir aus den Augen, ihr Möchtegernkrieger, oder besser noch … stecht euch selber ab, dann bleibt mehr für mich übrig.«
»Aber wie konnten wir denn ahnen, dass dieser kleine …« … sssssst … flllooppp … »… äaahhh« war alles was einer der Soldaten als Versuch der Erklärung noch über seine Lippen brachte, bevor der Sarazenenhauptmann, mit einem kalten Stahl, seinen angefangenen Satz wirsch unterbrach, er auf die Knie sackte und sein abgetrennter Kopf dabei zur Seite kippte.
»Habt ihr jetzt begriffen, was ich mit jedem mache, der noch einmal Mist baut« erwiderte der Hauptmann und wischte das Blut von seinem Säbel. »Ich will keine Entschuldigung mehr von euch hören. Überlegt euch die nächsten Taten besser, oder ihr werdet es bereuen.«
Einigermaßen aufgewühlt über den Vorfall begaben sich die Soldaten, wie angeordnet, in den benachbarten Wald um Baumstämme zu besorgen und das Floß damit notdürftig auszubessern. Einige der Söldner errichteten ein Lager, andere bauten die Zelte auf oder entzündeten Feuerstellen. Die Sklaven selbst wurden nur zum Teil und unter strengster Bewachung, dann aber auch nur für einige leichte Arbeiten, herangezogen - niemand wollte noch weiteren Schaden anrichten. Frustriert, verängstigt und eingeschüchtert machten sich die osmanischen Soldaten ans Werk, und versuchten das zerstörte Floß notdürftig auszubessern. Einige der mitgenommenen Werkzeuge waren zuvor auf dem vorderen Floß verstaut worden, darunter auch Stemmeisen und Hammer. Diese gingen bei der Explosion leider verloren, weshalb einige Handarbeiten, wie zum Beispiel das Glätten des Ruderblattes, nur mit unzureichenden und eigentlich dafür nicht geeigneten Gegenständen angefertigt werden mussten. Das Ausbessern des Floßes dauerte aus diesem Grund mehr als vier Tage und kostete sehr viel Schweiß, bevor man auch nur daran denken konnte, wieder Fahrt aufzunehmen. Außerdem wurden zwischendurch einige Kräfte gebunden, die zur Nahrungssuche und Jagd abgestellt werden mussten, denn mit einer derart unkonventionellen und ausgedehnten Bootsfahrt hatte der Sarazene nicht gerechnet und der mitgenommene Proviant war bereits nach drei weiteren Tagen verbraucht. Alles in allem war es so ziemlich das Schlimmste, was dem Hauptmann in den letzten fünf Jahren passiert war, und er war mehr als erbost darüber, was er auch einige Male an seinen Leuten ausließ, niemals aber an seiner Ware. Noch mehr als vorher, gab er jetzt Acht auf alles, das seinen Gewinn weiter hätte verringern können.
Auch die Späher und Wächter hatten jetzt beide Augen offen, und horchten aufmerksamer als je zuvor in die Nacht hinein. Einer glaubte daher auch melden zu müssen, dass er ein kleines Licht gesehen hatte. Am Waldrand, etwa zwei Meilen weiter Flussaufwärts. Es flackerte kurz auf, und erschien ihm wie ein Lagerfeuer, auf das gerade ein Scheit Holz gelegt worden war, denn es flogen Funken hoch, die sich ganz deutlich vom tiefschwarzen Sternenhimmel abhoben. »… Es brennt vielleicht noch immer« beteuerte er. Aber der Hauptmann, der bereits einige Stunden geschlafen hatte und etwas verknautscht aussah, schien nicht daran interessiert zu sein und wiegelte nur ab.
»Wahrscheinlich ein Landstreicher oder ein Gaukler. Versuch’ ihn einzufangen und bring’ ihn her. Er kann uns den angerichteten Schaden etwas mildern …« Dann legte er sich wieder hin und schloss die Augen. »… und jetzt raus mit dir« greinte er und lag bereits wieder im Halbschlaf.
Unbeachtet und wenig ernst genommen verließ der Soldat das Zelt und machte sich auf, den Landstreicher zum Sklaven zu degradieren. Drei Mann kamen mit ihm. Doch als sie endlich an der Stelle angekommen waren, an der der aufmerksame Melder glaubte, das Feuer gesehen zu haben, war es bereits erlöschen. Nur noch einige kokelnden Holzreste zeugten davon, dass hier tatsächlich gerade noch jemand genächtigt, sich aber offenbar ein paar Minuten zuvor, aus dem Staub gemacht hatte. Die drei Kameraden standen still und versuchten in der Nacht nach ungewöhnlichen Geräuschen zu lauschen. Vielleicht konnte man in der Ferne noch etwas von dem herumstreunenden Strauchdieb hören. Doch sie vernahmen nur ein leises Rasseln, wie wenn sich ein Blatt im Wind bewegt. Nachdem einer der Soldaten sein Schwert ein paarmal - vielleicht aus Sorgfaltspflicht - durchs Gras hatte gleiten lassen, verließen sie den Lagerplatz unverrichteter Dinge und gingen zurück zu ihrem eigenen, um dort dem Hauptmann Meldung zu machen. Einige hundert Meter davor waren schon Geräusche und einiger Tumult zu hören.
Im Morgengrauen, eine halbe Stunde nach der Meldung des Soldaten, war auch dem Hauptmann endlich klar geworden, dass der Landstreicher vielleicht auch der Küchenjunge hätte sein