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so empfindlich zu schwächen, daß der Rest sein Heil in der Flucht suchte. Er meinte, möglicherweise genügten überhaupt schon die ersten vier Schüsse, sie kopflos zu machen, konnten sie doch nicht wissen, ob sie nicht von erheblicher Übermacht angegriffen würden.

      Elias Burns vermochte sich mit diesem Plan nicht zu befreunden. Er glaubte nicht, daß die Piraten nach der ersten Salve fliehen und das Schiff im Stich lassen würden. Sie würden sicherlich erst festzustellen suchen, mit wieviel Gegnern sie es zu tun hätten. Sie brauchten dann nur den Anker zu lichten; bei dem herrschenden Wind war die Molly in kurzer Zeit im Gewirr der Inselkanäle untergetaucht und außer Schußweite. Außerdem hatten die Piraten an Bord der Molly überhaupt wenig von den Kugeln der Angreifer zu fürchten.

      Der Indianer hatte der Auseinandersetzung der Weißen sehr aufmerksam zugehört; er mochte aus Wortfetzen, die er verstand, und aus den Gebärden geschlossen haben, worum es sich handelte. Er berührte jetzt Burns' Arm leicht mit dem Finger und sagte, als der Alte sich ihm zuwandte: »Ni-kun-tha nehmen Kanu – fahren dort«; er wies auf den zwischen den Inseln dahinfließenden Kanal, »Feind ihn sehen – Ni-kun-tha gestern ihren Krieger getötet – ihn verfolgen: Dann: Schiff ganz leer. Ihr gehen auf Schiff – fahren weit fort – dahin!« Er wies in die Richtung des Sees.

      »Teufel auch!« sagte Bob Green. »Hätte nie geglaubt, daß indianische Schlauheit auch einmal nützlich sein könnte. Ein großartiger Plan. Gelingt er, ist die Molly unser, auch wenn ein paar Mann auf dem Schiff zurückbleiben sollten.«

      John und der alte Burns sahen den jungen Indianer bewundernd an. »Der Plan ist gut«, sagte der Alte schließlich. »Aber er setzt unseren roten Freund großer Gefahr aus. Was will der rote Mann machen, wenn man ihn ernsthaft verfolgt?«

      Ein flüchtiges Lächeln überzog das Gesicht des Indianers. »Weiße Männer blind«, sagte er. »Ni-kun-tha gehen an Land – kriechen in Busch – schwimmen wie Otter in Wasser – kommen auf großes Kanu.«

      »Laßt den Burschen gehen, Sir«, rief Bob Green. »Ist gerissen genug, wird sich nicht fangen lassen. Bin sicher, daß er heil wiederkommt.«

      Da der Plan zweifellos gut und keine Zeit mehr zu verlieren war, stimmte Elias Burns schließlich zu. Es wurde beschlossen, zunächst einmal für alle Fälle die Jolle etwas näher heranzubringen;

      alsdann wollte man die Vorgänge von dem bisherigen Lagerplatz aus beobachten und im gegebenen Augenblick eingreifen.

      John und der Indianer entfernten sich gemeinsam. Ni-kun-tha bestieg das Irokesenkanu, und John setzte sich in die Jolle, um sie heranzuholen. Burns und der Bootsmann harrten in fieberhafter Erregung der Dinge, die kommen sollten. Der Plan brachte für die in ihrem Versteck lauernden Weißen zunächst keine Gefahr, selbst dann nicht, wenn die erwartete Wirkung ausblieb. Denn das Auftauchen eines indianischen Kanus ließ ja noch keine Schlüsse auf die Anwesenheit von Weißen zu. Indessen mußte es jetzt so oder so zu einer Entscheidung kommen.

      John kehrte schon nach kurzer Zeit mit der Jolle zurück, befestigte sie im Ufergebüsch und begab sich zum Lagerplatz. Alle drei Männer prüften aufmerksam ihre Gewehre und richteten ihre Aufmerksamkeit dann auf das Schiff und auf den Kanal, wo der Indianer jeden Augenblick auftauchen mußte.

      Plötzlich wurde drüben am Schiff das große Ruderboot bemannt, und zwar mit sämtlichen Männern. Offenbar sollte der Anker gehoben werden. Tatsächlich setzte sich das Boot auf die Ankerstelle zu in Bewegung. Es war eben dort angekommen, als in weiterer Entfernung das Indianerkanu sichtbar wurde. Ni-kun-tha saß darin; er schien leicht und völlig sorglos die Ruder zu handhaben.

      Jetzt aber hatte der Piratenkapitän ihn bemerkt. »Hallo!« brüllte er. »Da ist einer der roten Hunde, die gestern die Insel ausspionierten und unserem guten Bill das Lebenslicht ausbliesen. Legt die Riemen ein. Mit dem Burschen wollen wir ein Wörtchen reden.«

      Während die Männer im Boot nach den Rudern griffen, hob Hollins die Büchse, zielte nach dem Kanu und schoß; ohne Erfolg freilich, da sich das Kanu noch außer Schußweite befand. »Vorwärts, Boys! Gleichen Schlag!« rief Hollins und setzte sich ans Steuer.

      Der Indianer hatte das Kanu gewendet und ruderte in großer Eile davon.

      Hollins war, was die drei im Wald lauernden Männer nicht wissen konnten, durch das Erscheinen des Indianerkanus in besondere Erregung versetzt worden. Er war nämlich der Meinung, es sei auf seinen Gefangenen abgesehen. Völlig überzeugt davon, daß Sir Edmund nach Mitteln und Wegen suchen würde, den jungen Waltham selbst beseitigen zu lassen, da er ihm, Hollins, nicht traute, hatte er den jungen Mann von der Insel entfernen lassen. Nun waren schon am Vorabend zwei Indianer um die Insel herumgestrichen und hatten, als man sie stellen wollte, einen seiner Männer erschossen. Vielleicht, so argumentierte er, hatte der ehrenwerte Sir die beiden Roten gekauft, Waltham umbringen zu lassen. Der Piratenkapitän war jedenfalls sehr begierig, den in seinem Kanu geflüchteten Indianer in seine Gewalt zu bringen, um Klarheit über seine etwaigen Absichten zu erlangen.

      Das Kanu schoß durch den Kanal, aber das Kielboot war schneller; John wurde unruhig, als er dies sah. Doch entschwanden beide Fahrzeuge sehr bald den Blicken der Beobachter.

      »Höchste Zeit, Sir, alle Mann an Bord!« rief Bob Green, ergriff seine Büchse und dazu die von dem Indianer erbeutete, und eilte, von den beiden Burns gefolgt, nach der Jolle. Einsteigen, die Riemen ergreifen und zum Schiff hinüberrudern war das Werk eines Augenblicks. Kaum eine Minute war vergangen, als die drei sich schon hintereinander an Bord schwangen. Ein hastiger Rundblick vom Deck aus; von dem Kanu und dem Kielboot war weit und breit nichts zu sehen.

      »Die Sprietsegel auf, John!« schrie Bob und kappte mit einem schnellen Axthieb das Ankertau. Gleich darauf warf er sich mit seiner riesigen Kraft an das erst unvollständig entfaltete Hauptsegel und brachte es an den Wind. Da der Luftzug vom See herüberkam, wurde die Molly auf diese Weise allerdings zurückgetrieben.

      »Ans Steuer, John! Hart Backbord!« brüllte Bob; »kommen sonst nie hier heraus. Müssen leewärts der Insel segeln und dann durch den anderen Kanal in den Ontario.«

      Bevor John aber noch mit den Segeln am Bugspriet fertig war und die Sloop das Steuer spürte, waren sie bereits eine so große Strecke zurückgetrieben worden, daß es schwierig wurde, noch den Kanal zu gewinnen, der sie leewärts der Insel führen sollte. Bob arbeitete für zehn. Endlich stand das Segel und er sprang an das Steuer. »Jetzt eine Mütze voll Wind, oder wir stranden«, keuchte er.

      Die Molly trieb immer noch ab.

      Ein gellender Ruf ließ die Männer aufblicken; sie sahen: Hinter ihnen im Kanal schwamm das Kielboot. Der Indianer mochte, als es ihm an der Zeit dünkte, aus dem Kanu in das Buschwerk geschlüpft sein, und die Verfolger mochten die Jagd als aussichtslos eingestellt haben. Nun sahen die zurückkommenden Piraten die Molly zu ihrem grenzenlosen Staunen in der Hand von Männern, von deren Anwesenheit sie nichts geahnt hatten. Sie stutzten einen Augenblick, hielten und berieten sich.

      Nach einem Weilchen sahen die Männer auf der Sloop, daß die Piraten einige der Bootinsassen auf der Insel absetzten, auf welche sie zutrieben, während das Kielboot zurückfuhr.

      »Die Teufel!« knirschte Bob Green. »Wollen uns am Kanal den Weg verlegen und uns vom Land aus abschießen lassen, bevor wir auch nur den Ausgang erreichen.«

      Die Situation war gefährlich genug. Nach Lage der Dinge gab es für die Sloop nur eine Möglichkeit: vom Winde abhängig, der ihren Plänen schnurstracks entgegenwehte, mußten sie den Weg einschlagen, der ihnen eben von Land und Wasser zugleich verlegt worden war. Die drei spielten schon mit dem Gedanken, die Jolle zu besteigen und zu flüchten, als ein frischer Luftzug das Wasser zu kräuseln begann und die Segel sich füllten. Kaum spürte das leicht und schnittig gebaute Schiff den Wind, da begann es auch schon das Wasser zu zerteilen. Es gehorchte dem Steuer und kam langsam von der Insel an Steuerbord ab.

      »Hurra!« brüllte Bob Green, »die alte Molly legt ihre Seebeine an. Legt euch lang, Leute, und achtet auf die Büsche. Gleich wird es da knallen. Ich kann das Steuer jetzt nicht aus der Hand lassen.«

      Die Brise wurde frischer, am Bug schäumte bereits das Wasser. Der Wind hatte

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