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Kanu vorwärts. Das Schilf wurde zur Linken und Rechten des Baches allmählich dünner; schließlich hörte es ganz auf und machte dichtem Buschwerk Platz, hinter dem zu beiden Seiten hochstämmiger Urwald aufragte. Die Wipfel der Bäume berührten sich über dem Wasser, so daß sie gleichsam wie in einer Laube dahinglitten.

      Nach Burns' Taschenkompaß hielten sie unentwegt Nordwestkurs. Das schien um so günstiger, als der Feind nach allen bisherigen Beobachtungen sich ausnahmslos in südwestlicher Richtung bewegte.

      Dann plötzlich, sie mochten erst wenige Meilen zurückgelegt haben, wich der Wald zu beiden Seiten des Baches zurück, die Büsche verschwanden, und wieder trat hohes Schilf an ihre Stelle, das dichter und dichter wurde, um schließlich den weiteren Weg abzuschneiden. Sie steckten in einer Sackgasse. Einen Augenblick hielten sie ratlos, dann sagte der Häuptling: »Gehen in Schilf hinein. Kommen an Land oder an anderes Wasser.«

      Dem Rate folgend, versanken sie beinahe im Schilf. Sie sahen jetzt nichts mehr als den klaren Himmel über sich, und rundherum die starrenden Rohrwände. Die Ruder waren nicht länger zu gebrauchen; sie griffen mit den Händen nach den Schilfhalmen und zogen das Kanu vorwärts. Inmitten des Schilfmeeres erreichten sie schließlich etwas offenes Wasser, um bald danach wieder zwischen Schilfwänden unterzutauchen. Nach harter Anstrengung bemerkten sie dann nach vorn zu ein größeres Gewässer und glitten, sich mühsam vorwärtsschiebend, in einen kleinen See hinein, auf dessen ruhiger Oberfläche zahlreiche Wildenten schwammen.

      Burns griff zum Glas und untersuchte sorgfältig den See und seine Uferränder. Sie lagen einsam und verlassen im Sonnenschein. Am anderen Ende des Sees stieg das Land in bewaldeten Hügelwellen allmählich an. Angesichts der bedrohlichen Situation, da zahlreiche Indianerstämme im Dienst der Franzosen von Norden nach Süden zogen, mußte es bedenklich erscheinen, sich mit dem Kanu auf eine offen daliegende Wasserfläche zu wagen, bevor man noch wußte, wie es in den umliegenden Wäldern aussah. Sie trieben das Kanu deshalb im Schutz der Uferbüsche seitwärts entlang und betraten nach einer Weile festen Boden.

      Ni-kun-tha erklärte, den Uferbereich untersuchen zu wollen, und John schloß sich ihm an. Unter hochstämmigen Bäumen begannen beide mit aller erdenklichen Vorsicht das Seeufer zu umkreisen.

      Beinahe am entgegengesetzten Ende ihrer Landestelle stießen sie auf eine mit zahllosen Steinen bedeckte Bodenrinne, die bei heftigem Regen oder in der Zeit der Frühjahrsschneeschmelze die Wasser der Berge zu Tal führen mochte. Sie passierten die Rinne und gingen weiter um den See herum, ihn vollständig umkreisend, ohne irgendetwas Verdachterweckendes wahrzunehmen. So kamen sie zu der Landestelle zurück und machten sich durch leisen Zuruf bemerkbar. Gleich darauf kam das Kanu mit den anderen heran und nahm sie auf.

      Sie fuhren nun quer über den See bis zu der mit Steinen angefüllten Wasserrinne, die der Miami für die Landung ausgewählt hatte, da Steine keine Spur hinterlassen. Alle begaben sich nun an Land, nachdem sie das Kanu unter Büschen sorgfältig versteckt hatten. Sie stiegen langsam die ziemlich steil bergan führende Rinne hinan, die oben in einer waldigen Schlucht endete, deren Boden ebenfalls mit kleineren und größeren Steinen bedeckt war. Sie folgten der Schlucht eine Weile; als sie indessen feststellen mußten, daß sie auf diese Weise immer höher in die Berge geraten würden, beschlossen sie, nach rechts abzubiegen und wieder talabwärts zu steigen. Der Höhenzug lief, wie sie schon vom See aus festgestellt hatten, von Ost nach West und schien von beträchtlicher Ausdehnung. Es war damit zu rechnen, daß vom Eriesee kommende Indianerhorden ihren Weg nach Süden seinen westlichen Abhang hinab nehmen würden, denn es war nun keinerlei Zweifel mehr daran möglich, daß die Bewegung der französischen Truppen und ihrer roten Verbündeten sich auf das Ohiotal richtete. Danach glaubten die Männer nördlich der Berge weniger Gefahr zu laufen. Außerdem näherte man sich in dieser Richtung dem Genesee.

      Sie kletterten den Nordhang hinab, um wieder ebenes Land zu gewinnen, was, des felsigen Bodens wegen, nicht ohne erhebliche Schwierigkeit vor sich ging. Als sie reichlich erschöpft schließlich am Fuße der Berge ankamen, bot eine von Bäumen umstandene Höhle ihnen einen willkommenen Lagerplatz; in unmittelbarer Nähe entsprang eine sprudelnde Quelle. Sie ließen sich vor dem Eingang der ziemlich geräumigen Höhle nieder, stillten ihren Durst an dem klaren und eiskalten Wasser der Quelle und suchten dann nach dem anstrengenden Marsch etwas Ruhe zu finden.

      Schlimm war, daß niemand von ihnen genau zu sagen wußte, wo eigentlich sie sich befanden. Insoweit versagten auch Ni-kun-thas unschätzbare Fähigkeiten, hatte er sich doch in den Wäldern und Bergen südlich des Ontario kaum aufgehalten. Sie vermochten nicht einmal abzuschätzen, wie weit südwärts sie bisher gekommen waren. Kreuzten sie jetzt einen nach Norden fließenden Wasserlauf, dann konnten sie sicher sein, daß er dem Ontario zuströmte; dann war auch die Lage des Genesees zu berechnen.

      Die Hoffnung des alten Burns richtete sich darauf, das John genauestens bekannte Land um den Genesee zu erreichen; Voraussetzung dafür war, daß sie nicht zu weit nach Süden abgekommen waren. Verfehlten sie den Genesee, weil sie zu weit südwärts gegangen waren, dann mußten sie eines Tages auf den Eriesee stoßen, der von Franzosen besiedelt war. Indessen hofften sowohl der Farmer als sein Sohn, daß sie in einigen Tagen das heimische Gewässer erreichen würden. Die Besorgnis des Alten hinsichtlich des Schicksals der tief in den Wäldern gelegenen Ansiedlung war zwar ohne weiteres begreiflich, aber nicht sehr begründet, da die Bewegung aller an den Seen hausenden Indianerstämme sich nach Süden richtete. Da die Ansiedlung zudem fern der Küste lag, war auch vom Ontario aus kaum etwas zu befürchten. John suchte den ängstlichen Vater denn auch immer wieder zu beruhigen, ohne dessen Besorgnisse allerdings ganz verscheuchen zu können.

      Was die Verhältnisse im Ohiotal anging, war der Miamihäuptling bestens unterrichtet. Auch er war der Meinung, der Vorstoß der Franzosen ziele von den Forts am Erie aus unmittelbar südwärts. Das Vorschieben französischer Truppen von Ost nach Südwest hatte ihn überrascht. Richard Waltham glaubte es damit erklären zu können, daß die Franzosen noch schwankenden indianischen Stämmen die französische Flagge zeigen wollten, um sie mitzureißen; natürlich konnten die Franzosen auch beabsichtigen, einen überraschenden Flankenangriff gegen die notwendig von Süd und Südwest heranziehenden Truppen der Kolonien zu führen. Alles in allem schien die Lage etwas undurchsichtig.

      Die Miamistämme im Ohiotal waren zwar nur teilweise offen zu den Franzosen übergetreten, dagegen hatte die Mehrzahl erklärt, sich neutral verhalten zu wollen. Die Miami hatten in diesem Sinne auch auf benachbarte Völkerschaften einzuwirken gesucht, was ihnen teilweise, so bei drei Stämmen der Lenni-Lenape, auch gelungen war. Tana-ca-ris-son, der Vater Ni-kun-thas, hatte als oberster Sagamore des ausgedehnten und einst sehr mächtigen Miamibundes eine gewaltige Macht in seiner Hand vereinigt gehabt, sein Ansehen hatte ihm einen beinahe königlichen Rang eingeräumt, den die Engländer, zuweilen nicht ungeschickt in der Ausnützung indianischer Gebräuche, denn auch vorbehaltlos anerkannten, indem sie Tana-ca-ris-son wie einen König behandelten. Ni-kun-tha, der Sohn, hatte sich bei den einzelnen Stämmen großer Beliebtheit erfreut, er hatte sich zudem in sehr jungen Jahren als Kriegshäuptling hervorgetan, und bei normaler Entwicklung hätte es kaum einem Zweifel unterlegen, daß er vom Rat der Alten eines Tages an die Stelle seines Vaters gerückt worden wäre. Die jähe Entwicklung durch den unversehens hereinbrechenden Krieg, Tana-ca-ris-sons plötzlicher Tod und Ni-kun-thas Abwesenheit hatten den künftigen ›König der Miami‹ zu einem landflüchtigen Krieger gemacht, der nur mit geringer Gefolgschaft rechnen konnte, eben mit den Leuten, die bei den Shawano seiner warteten.

      Ni-kun-tha sehnte sich sehr danach, mit seinen wenigen Getreuen zusammenzutreffen, um sie für die Sache seines ermordeten Vaters in den Kampf zu führen. Allein auf sich gestellt wäre er wohl längst an seinem Ziel angelangt, indessen duldete das in ihm wurzelnde natürliche Treuegefühl nicht, daß er in der Stunde der Not die Männer verließ, denen er die Rettung seines Lebens verdankte. Er beabsichtigte, die Gefährten bis zum Genesee zu geleiten und dann unverzüglich seinen Weg südwärts zu den befreundeten Shawano zu nehmen. Daß von Norden her auf englische Hilfe nicht zu rechnen war, hatte man erkannt; dort hatte man genug damit zu tun, die Seeplätze zu verteidigen. Hilfe konnte nur von Osten und Südosten kommen, und auch hierfür war, als er die Shawano verließ, um den englischen Kommandanten aufzusuchen, auch nur geringe Aussicht gewesen. Dabei wußte er, daß das Ohiotal verloren war, wenn sich

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