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genug, traurig zu sein«, knurrte der Bootsmann. »Ni-kun-tha und John sind in die Hände der Feinde gefallen.«

      Die Augen des Irren verdunkelten sich; ein Schimmer von Vernunft schien darin aufzuglimmen. Er sagte: »Warum gehst du nicht auf ihrer Spur und befreist sie? Oneidakrieger so tun.«

      »Spur!« keuchte Bob, »da könnte ich wahrscheinlich lange suchen. Ich bin kein Indianer.«

      »Way-te-ta Oneidakrieger!« versetzte der Mann. »Er wird Spur verfolgen und Junge Tanne finden. Nicht traurig sein, Bob.« Wieder war es, als horche er dem Klang des Namens nach, der irgendetwas in ihm zu wecken schien. »Bob?« wiederholte er abermals in fragendem Tonfall, »Bob, Bob?« Er schüttelte den Kopf, erhob sich und griff nach Bogen und Pfeilen, die neben ihm lagen. Danach ging er wiegenden Schrittes in den Wald.

      Bob wollte ihn erst zurückholen, und auch die anderen riefen hinter ihm her. Aber der Mann winkte nur mit der Hand und rief über die Schulter zurück: »Way-te-ta gleich wiederkommen.« Mit diesen Worten verschwand er zwischen den Büschen.

      Der sonderbare Mann schien in der Tat über die geschärften Sinne einer Rothaut zu verfügen; jedenfalls währte es nicht lange, da hatte er Johns Fußstapfen entdeckt, und zwar an einer Stelle, wo jener in einen kleinen Bach hinabgestiegen war.

      Während er sich niederbeugte, um die kaum noch erkennbare Fährte zu untersuchen, die nur dem schärfsten Indianerauge sichtbar war, trat aus den Büschen gegenüber ein Indianer hervor. Der Mann, ein Hurone, hatte Way-te-tas Tun schon seit längerer Zeit beobachtet, er kam jetzt auf ihn zu.

      Der vernahm einen leichten Schritt hinter sich und fuhr herum. Der Hurone lächelte, grüßte mit der Hand und fragte in der Sprache seines Volkes: »Was sucht mein Bruder?«

      In den Augen des Irren flackerte es. Er fragte unsicher: »Wer bist du?« Die Worte des Indianers hatte er wohl nicht verstanden; er sprach selbst englisch.

      Der Indianer mochte sich die sonderbare Gestalt des blonden Mannes nicht recht zu deuten wissen; er antwortete jetzt in gebrochenem Englisch: »Mein Freund ist ein Yengeese?«

      »Way-te-ta ist kein verdammter Yengeese, Way-te-ta ist ein Oneidakrieger«, versetzte der Irre.

      »Oh, Way-te-ta – Oneidakrieger! Gut! Mein Bruder ist auf der Spur eines Feindes?«

      »Auf der Spur von Freunden«, versetzte der andere. »Hast du sie nicht gesehen: Ni-kun-tha, den Cayagu und die Junge Tanne? Sie gingen heut morgen fort und kamen nicht zurück.«

      Der Indianer horchte auf. Und das nicht ohne Grund. Gehörte er doch zu jener Huronenschar, zu welcher Edmund Hotham zunächst gegangen war. Von den Huronen waren die befreundeten Seneca benachrichtigt worden, und da der Marschweg der Seneca das Gebiet früher berührte, das die Flüchtlinge von der Sloop notwendig passieren mußten, war Hotham an den Senecahäuptling O-kon-tha verwiesen worden. Der Hurone, dessen Trupp inzwischen Tuchfühlung mit den Seneca hatte, wußte, daß diese am Morgen dieses Tages den Miamihäuptling und einen jungen Weißen gefangen hatten. Nur diese beiden konnten das sonderbare Blaßgesicht, das sich für einen Oneidakrieger ausgab, meinen.

      Der Irre, in dem unklare Vorstellungen mit realen Eindrücken der jüngsten Vergangenheit durcheinanderliefen, sagte: »Starker Bob jetzt sehr traurig.« Sein Gesicht wurde wieder leer. »Bob?« sagte er, »Bob?« Ein unheimliches Lächeln verzerrte sein Gesicht; plötzlich begann er zu kichern, und er krähte: »Way-te-ta weiß jetzt, oh, Way-te-ta weiß: Ned! Bob! Ned! Bob und Ned!« Er fuchtelte mit den Armen; seine Augen glänzten wie im Fieber.

      Der aufmerksam lauschende und ihn unausgesetzt beobachtende Hurone begriff, daß mit dem Blaßgesicht nicht alles in Ordnung, daß sein Verstand verwirrt war. Er sagte in achtungsvollem Ton, einen Schritt zurücktretend: »Ich habe die Junge Tanne gesehen. Auch den roten Häuptling.«

      »He?« grinste Way-te-ta, »gesehen? Wo sind sie?«

      »Sie haben mich ausgesandt, ihren Freunden zu sagen, daß sie erst am Abend zurückkehren.«

      »Gut! Gut!« Der Irre begann kichernd herumzuhüpfen. »Wird den starken Bob freuen. Bob? Bob?« Er starrte den Indianer an. »Bob und Ned«, murmelte er, »Bob und Ned.«

      »Will mich mein Bruder zum Lager seiner Freunde geleiten, daß ich die Nachricht ausrichten kann?« sagte der Indianer.

      »Komm! Sehr gut! Komm!« antwortete Way-te-ta, »werden sich sehr freuen allesamt: Goldhaar, Bob und der alte Mann!«

      »So gehe mein Bruder voran!«

      Way-te-ta schlug den Weg zum Lager ein; der Hurone blieb ihm dicht an der Seite. Er hatte vorher ein Zeichen mit der Hand nach den Büschen im Hintergrund gegeben und wußte, daß seine Krieger ihm unhörbar folgten.

      Als sie auf etwa zweihundert Schritt dem Lager nahegekommen waren, wurden die Felsen erkennbar, in deren Schutz die Gefährten verweilten.

      »Dort am Quell, vor der Höhle!« Way-te-ta wies mit der Hand, und der Hurone nickte. Ein leiser Ruf brachte zwanzig bis an die Zähne bewaffnete Krieger an seine Seite. Er wußte, daß er dem Rest der kleinen Gesellschaft auf der Spur war, an deren Vernichtung dem jungen freigebigen Yengeese soviel gelegen war.

      Way-te-ta schien verblüfft und beunruhigt, als er die vielen Indianer so unvermutet neben sich auftauchen sah.

      »Alles Freunde!« beruhigte ihn sein Begleiter. Er gab einige halblaute Befehle, worauf die Krieger sich nach allen Seiten verstreuten, den Lagerplatz vor der Höhle in einem Halbkreis umstellend. An ein Entrinnen der auf solche Weise Eingeschlossenen war nicht mehr zu denken.

      Der Hurone ging mit dem blondhaarigen Blaßgesicht auf den Höhleneingang zu. Etwa hundert Schritte davor blieb er stehen und trat hinter einen Baum. »Mein Bruder gehe jetzt zu seinen Freunden und sage ihnen, An-da-wa, der Hurone, stehe mit zwanzig Kriegern hier. Er komme als Freund und wolle die weißen Männer zur Jungen Tanne führen. Hat mein Bruder verstanden?«

      »Way-te-ta hat verstanden«, sagte der Irre und schritt auf den Höhleneingang zu, vor dem Burns unruhig auf und ab ging, während die beiden anderen hinter ihm an der Erde hockten. Der alte Farmer sah kaum auf, als er den Kranken erblickte, indessen trat der dicht vor ihn hin und sagte: »Ein Hurone mit zwanzig Kriegern ist da. Er bringt Nachricht von der Jungen Tanne.«

      Bob und Richard Waltham sprangen bei diesen Worten auf, und Burns stieß unwillkürlich einen Schrei aus. Alle drei starrten den Wahnsinnigen an.

      »Was sagst du da?« keuchte Burns.

      »Hurone steht dort hinter dem Baum«; Way-te-ta wies mit der Hand hinter sich. »Die anderen sind da überall.« Er beschrieb einen Halbkreis. »Way-te-ta traf sie im Walde und brachte sie hierher. Sie wollen Euch zu Ni-kun-tha und der Jungen Tanne führen.«

      Alle drei atmeten schwer und starrten verständnislos auf den vor ihnen stehenden Mann. Sprach er die Wahrheit oder redete er irre?

      »Großer Gott, was ist das? Was sagst du da?« flüsterte Burns, dessen Gesicht fahl geworden war.

      »Geh nur hin«, versetzte der Irre, »der Hurone will dich sprechen.«

      Während sie, von der Nachricht überwältigt, nicht wußten, was sie tun sollten, ertönte vom Baum her die Stimme des Huronen:

      »Will einer der weißen Männer mit mir reden? Es ist nutzlos, zu kämpfen.«

      Der alte Farmer stieß einen keuchenden Laut aus und griff unwillkürlich nach der hinter ihm an der Felswand lehnenden Büchse. Richard Waltham war, hinter einen der Bäume an der Quelle tretend, schon dabei, sein Gewehr zu spannen. Bob, urplötzlich zur Erkenntnis der Lage gekommen, stieß einen grimmigen Fluch aus.

      Aber Burns hatte sich nun gefaßt. Er gebot den anderen, sich ruhig zu verhalten, und sagte mit leiser Stimme: »Ich will mit ihm reden. Ich fürchte, John befindet sich in der Hand der Wilden.« Er ließ die Büchse stehen und trat waffenlos ein paar Schritte vor. »Hier stehe ich, Hurone«, sagte er. »Komm hervor und sage, was du zu sagen hast.«

      Der Indianer trat augenblicklich

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