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verzichtete, einen Befehl der militärischen Exekutive abzuwarten und eine einstweilige Verfügung erließ, wonach der gesamte Nachlaß Lord Somersets in der Kolonie New York bis zur endgültigen Regelung der schwebenden Erbverhältnisse der Verwaltung Allan Mac Gregors überlassen wurde.

      Edmund, dessen Versuch, Bob Green und John Burns durch bestochene Konstabler verhaften zu lassen, gescheitert war und der fürchten mußte, dieser Sache wegen zur Rechenschaft gezogen zu werden, verließ deshalb, als die einstweilige Verfügung des Richters ihm zugestellt wurde, Somersethouse und segelte in einer Jolle zu den Tausend Inseln, um Hollins aufzusuchen. Hier erst erfuhr er, daß der Gefangene entführt worden war. Die Piraten hatten festgestellt, daß die Sloop Molly von französischer Kriegsmarine gekapert wurde. Sie hatten die Spur der Sloopbesatzung, bei der Waltham sich befinden mußte, eine Zeitlang verfolgt und festgestellt, daß die Männer auf das Festland übergewechselt hatten. Da nun Hotham bereits in Stacket Harbour festgestellt hatte, wer die Leute von der Molly waren und woher sie stammten, hatte er sich ausgerechnet, welchen Weg sie nach Lage der Dinge vermutlich einschlagen würden.

      Edmund Hotham hatte seine Finger bei vielen Dingen im Spiel. Er hatte auch seit längerem gute Beziehungen zu einem Huronenstamm im Kanadischen; er hatte diese Beziehung gepflegt, um eines Tages erforderlichenfalls mit Hilfe der Indianer einen Schlag gegen die Seeräuber führen zu können, falls diese aufsässig wurden oder es gut schien, sich ihrer zu entledigen. Daß er mit jenem Häuptling und seinen Kriegern zusammentraf, war reiner Zufall. Die Indianer waren eben im Begriff gewesen, zwischen den Inseln auf englischen Boden überzusetzen, um sich den französischen Truppen anzuschließen. Geschenke und Geld machten den Häuptling seiner Sache schnell geneigt; Huronen und Seneca nahmen die Spur der die Wildnis durchziehenden Sloopbesatzung auf. Hotham schloß sich ihnen an; es schien ihm im Augenblick zu gefährlich, nach Stacket Harbour zurückzukehren, zumal die Stadt bereits blockiert war. Er gab die Hoffnung, den unbequemen Vetter aus der Welt zu schaffen, nicht auf und jetzt, da dieser mit seinen Begleitern, einem gehetzten Wild gleich, die Wälder durchzog, schien die Aussicht, ihn sich auf bequeme Weise vom Halse zu schaffen, näher zu liegen denn je.

      Ein Zusammentreffen mit regulären französischen Truppen fürchtete der Baronet nicht. Er hatte gute Verbindungen nach Montreal und glaubte überdies, sich auf seine Gewandtheit verlassen zu können. Zudem war das Schlimmste, was ihm eventuell geschehen konnte, eine kurzfristige Internierung. Diese Gefahr erschien ihm wesentlich geringer, als das etwaige Entkommen Richard Walthams zu den englischen Truppen. Gegenwärtig war seine ganze Hoffnung darauf gerichtet, Waltham durch Irokesen oder Huronen abfangen zu lassen, bevor er sich unter den Schutz englischer Waffen zu stellen vermochte.

      Als die Gefährten nach dem Fluß aufbrachen, waren huronische und irokesische Späher bereits hinter ihnen. Ihr Übergang über den Fluß und die heimliche Flucht von der kleinen Insel entzogen sie zunächst weiterer Verfolgung; doch nachdem Ni-kun-tha den Seneca-Häuptling Mona-ka-wache aus den Reihen seiner Krieger herausgeschossen hatte, bedurften insbesondere die Irokesen keines weiteren Ansporns, um Bluthunden gleich nach dem verwegenen Miamihäuptling zu suchen.

      Auf diese Weise also war Richard Waltham zu der unerwarteten Begegnung mit seinem Vetter Hotham mitten in der Wildnis gekommen.

      Die Gefährten, denen Waltham von der Begegnung berichtete, waren nicht wenig überrascht; doch hatte die Besorgnis vor der immer bedrohlicher werdenden Lage begreiflicherweise den Vorrang in seinen Überlegungen. Ni-kun-tha erklärte, er hoffe, nach Westen durchbrechen zu können, nachdem er sich vom Standort der französischen Biwaks überzeugt habe. Er meinte, daß überdies sehr wahrscheinlich sowohl die Soldaten als die ihnen verbündeten Indianer nicht sehr lange hier verweilen, sondern sehr bald ihren Marsch nach Südwesten fortsetzen würden.

      Allmählich begann der dunkle Himmel sich im Osten aufzuhellen; die aufkommende Dämmerung erlaubte den im Schilf Eingeschlossenen, ihre Umgebung in Augenschein zu nehmen. Sie gewahrten in einiger Entfernung mehrere kleine Inseln. Auf eines dieser Eilande hielten sie, sich schwer durch Sumpf und Schilf arbeitend, zu, erreichten das Ufer und kletterten mit Gliedern, die ihnen vor Erstarrung kaum noch gehorchen wollten, mühselig an Land. Als es heller wurde, erkannten sie dann, daß sie sich inmitten weit gedehnter Sümpfe, von Schilf und kleinen Inseln durchsetzt, befanden. Auf einem dieser Inselchen waren sie gelandet.

      Ni-kun-tha forderte die Weißen auf, sich sorgfältig verborgen zu halten, und bestieg das Kanu, um die nähere Umgebung auszukundschaften.

      Er kam nach etwa zwei Stunden zurück und berichtete, daß sich zahlreiche Indianerkanus auf dem See befänden, die nach Süden zögen. Er war ernst und schien sehr besorgt. Es sei kein Zweifel, daß die zum Shanty führenden Spuren inzwischen entdeckt worden seien, meinte er; sehr wahrscheinlich seien rings um den See bereits feindliche Späher unterwegs, um den Flüchtigen nachzuspüren. Er hatte auch die Grenze des Sumpfgebietes nach Westen hin erreicht und einen Bach gefunden, den man, seiner Meinung nach, ein Stück hinauffahren konnte. »Das gut«, sagte er in seiner kurzen, abgehackten Sprechweise, »Wasser keine Spur. Land sehr schlimm. Müssen hier weg. Kanus werden kommen und suchen Sumpf ab. Gleich gehen.«

      »Aber wenn die Indianer abziehen, ist es dann nicht besser, einen Tag hier zu warten?« wandte Burns ein.

      Der Indianer schüttelte den Kopf: »Nicht alle gehen. Späher bleiben zurück. Irokesen gehen nach Süden, Huronen nach Westen. Ni-kun-tha denkt: Weitergehen. Unsere Spur ganz frisch.«

      »Die Rothaut hat recht«, sagte Bob, »kennt sich aus mit seinen Genossen, der Junge. Keinen Zweck, hier zu warten.«

      Auch John war für sofortigen Aufbruch, und so ließ sein Vater sich denn überzeugen; die Vorbereitungen zur Abfahrt wurden getroffen.

      »Wann kommen wir zu den Häuptlingen?« fragte Way-te-ta plötzlich.

      »Das mag der Teufel wissen«, knurrte Bob Green, »die Wälder stecken voll von Feinden.«

      Der Irre sah stumpf vor sich hin und hob dann den Kopf. »Way-te-ta hat Hunger«, sagte er.

      Bob reichte ihm ein Stück gebratener Bärenlende, das der etwas unheimliche Fremde gierig hinunterschlang. »Großer Büffel gut!« sagte er schmatzend.

      »Halt' das Maul, du Idiot!« brummte Bob; »fängt der Kerl jetzt auch mit dem Büffel an! Bob Green heiße ich, hast du das verstanden? Bob! Bob Green! Bob wirst du doch wohl sagen können.«

      Way-te-ta sah ihn an und fing plötzlich an zu kichern. »Bob«, wiederholte er, als hätte er nie etwas Absonderlicheres gehört, »Bob, Bob, ha ha ha! Er heißt Bob!«

      »Was gibt's da zu lachen, du Unflat?« schnaubte der Bootsmann.

      Der Irre kicherte unentwegt weiter. Der Name Bob schien ihn ungemein zu erheitern. Er wiederholte ihn noch mehrere Male.

      Er brach dabei immer wieder in wildes Lachen aus. Das Kanu stakte bereits wieder durch Schilf; man näherte sich dem Lande. Das Lachen des Irren konnte unter diesen Umständen leicht gefährlich werden. Ni-kun-tha ergriff ihn deshalb am Arm und zischte ihm zu: »Sollen die Häuptlinge hören, daß Way-te-ta auf dem Kriegspfad schwätzt und die Feinde anlockt?«

      Der Mann machte ein erschrockenes Gesicht; er sah aus wie ein Kind, das gescholten wurde. Er schwieg augenblicklich und sank gleich darauf in die stumpfe Haltung zurück, die er im allgemeinen zu zeigen pflegte. Sie näherten sich dem Ende des Sumpfes und der Bachmündung, die der Häuptling entdeckt hatte. Während dieser allein mit äußerster Vorsicht ruderte, griffen die anderen zu den Waffen, jeden Nerv bis zum Zerreißen gespannt. Indessen, es rührte sich nichts; die Wälder lagen in majestätischem Schweigen, gleichsam unberührt. Vögel sangen in den Lüften, eine Spottdrossel ließ sich hören, nichts deutete auf eine irgendwo lauernde Gefahr.

      Das Kanu glitt in den Bach hinein. Sofern sie nicht bereits von einem Späherauge entdeckt waren, konnten sie nunmehr hoffen, in verhältnismäßiger Sicherheit zu sein. Langsam, mit nie erlahmender Vorsicht, trieb der Indianer das Kanu weiter. Links und rechts wogte und raschelte das Schilf; weiterhin gewahrte das Auge dann und wann die ausgebreiteten Wipfel eines uralten Waldriesen.

      »Hast jetzt genug getan, Falke, jetzt laß mich einmal rudern«, sagte Bob. Sie

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