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ich könnte Ihnen nicht die Freuden schenken, die Sie dort zu finden hoffen.

      Seien Sie glücklich, soweit die gesellschaftlichen Rücksichten, denen Sie unsere erste Liebe opfern, dies gestatten! Um Ihr Glück voll zu machen, kann ich Ihnen nicht mehr bieten als die Ehre Ihres Vaters.

      Leben Sie wohl! Sie werden stets eine treue Freundin haben an Ihrer Cousine

Eugénie.‹

      Der Präsident lächelte bei dem Ausruf, den der ehrgeizige Streber verlauten ließ, als er das authentische Dokument gewahrte.

      »Unsere Heiratsanzeigen können wir uns nun gegenseitig schicken«, sagte Monsieur de Bonfons.

      »Ah! Sie werden Eugénie heiraten?« rief Charles. »Nun, sie ist ein gutes Mädchen. Aber«, fuhr er fort – ihm war plötzlich eine Erleuchtung gekommen – »sie ist also reich?«

      Der Präsident erwiderte spöttisch: »Sie hatte vor vier Tagen fast neunzehn Millionen; heute hat sie nur noch siebzehn.«

      Charles war fassungslos. »Siebzehn . . . Mill . . .«

      »Siebzehn Millionen, jawohl, Monsieur. Durch unsere Heirat erzielen wir, Mademoiselle Grandet und ich, eine Jahresrente von siebenhundertfünfzigtausend Livres.«

      »Mein lieber Cousin«, – Charles hatte die Sicherheit wie dergefunden – »da können wir uns ja gegenseitig vorwärtshelfen.«

      »Einverstanden«, sagte der Präsident. »Hier ist übrigens noch eine kleine Kassette, die ich Ihnen persönlich übergeben soll«, fügte er hinzu und stellte das Köfferchen mit dem Necessaire auf den Tisch.

      Die Marquise d'Aubrion trat ein. Ohne Cruchot zu beachten, sagte sie zu Charles: »Lieber Freund, machen Sie sich keine Sorgen über die Rede, die mein armer Mann Ihnen gehalten hat; die Duchesse de Chaulieu hat ihm den Kopf verdreht. Ich wiederhole Ihnen, Ihrer Heirat steht nichts im Wege . . .«

      »Nichts, Madame«, entgegnete Charles. »Die drei Millionen, die mein Vater seinerzeit schuldete, sind gestern ausbezahlt worden.«

      »In bar?« fragte sie.

      »Vollkommen! Kapital und Zinsen. Und ich werde sein Andenken rehabilitieren.«

      »Welch ein Unsinn!« rief die Schwiegermutter. »Wer ist der Monsieur?« flüsterte sie dem Schwiegersohn ins Ohr. »Mein Geschäftsführer«, erwiderte er mit leiser Stimme.

      Die Schwiegermutter grüßte hochmütig und ging hinaus. »Da helfen wir einander ja schon vorwärts!« sagte der Präsident und nahm seinen Hut. »Leben Sie wohl, Cousin.«

      ›Er macht sich über mich lustig, dieser Provinzkakadu. Ich habe nicht übel Lust, ihm sechs Zoll Eisen in den Leib zu rennen.‹

      Der Präsident reiste ab. Drei Tage später verkündete Monsieur de Bonfons, der wieder in Saumur eingetroffen war, seine bevorstehende Heirat mit Eugénie. Sechs Monate später wurde er zum königlichen Gerichtsrat in Angers ernannt.

      Ehe Eugénie Saumur verließ, ließ sie die Juwelen des Cousins, die ihrem Herzen so viele Jahre teuer gewesen waren, einschmelzen und weihte sie, mitsamt den achttausend Francs, die Charles ihr zurückbezahlt hatte, für eine goldene Monstranz, die sie der Kirche schenkte, in der sie so innig zu Gott gebetet hatte – für sein Wohlergehen.

      Sie teilte nun ihre Zeit zwischen Angers und Saumur. Ihr Gatte, der in einer politischen Angelegenheit Ergebenheit gezeigt hatte, wurde Kammerpräsident und nach einigen Jahren Oberpräsident. Er erwartete voller Ungeduld die allgemeinen Wahlen, denn er hoffte, einen Sitz in der Deputiertenkammer zu erhalten. Schon träumte er von einer Pairschaft, und dann . . .

      »Dann wird der König also sein Cousin sein?« sagte Nanon, die Große Nanon, Madame Cornoiller, Bürgerin von Saumur, der ihre Herrin berichtete, zu welchen Höhen sie noch berufen werden könne.

      Gleichwohl sollte es Monsieur de Bonfons – den Familiennamen Cruchot hatte er nun endgültig fallen gelassen – nicht gelingen, seine ehrgeizigen Pläne bis zu Ende durchzuführen. Er starb acht Tage nach seiner Ernennung zum Deputierten von Saumur. Gott, der alles sieht und immer zu rechter Zeit anklopft, bestrafte ihn sicherlich wegen seines berechnenden Wesens und der juristischen Geschicklichkeit, mit der er seinem Ehevertrag folgende Klausel eingefügt hatte: ›Im Falle sie keine Kinder bekommen, vermachen die beiden Gatten einander ihren gesamten Besitz, bewegliche wie unbewegliche Habe, ohne Ausnahme und Vorbehalt, verlangen auch keine Inventaraufnahme; auch darf wegen des Fehlens einer solchen von ihren Erben nicht Einspruch erhoben werden, so daß besagte Schenkung . . .‹ Diese Klausel erklärt, daß der Präsident den Wunsch seiner Gattin, allein gelassen zu werden, durchaus respektierte.

      Die Frauen sprachen von dem Oberpräsidenten als einem ungemein zartfühlenden Manne, bedauerten ihn und verurteilten oft den Schmerz und die unglückliche Leidenschaft Eugénies; mit anscheinender Teilnahme und Rücksicht sagten sie grausame Bosheiten:

      ›Madame de Bonfons muß recht leidend sein, daß sie ihren Mann so einsam läßt. Arme kleine Frau! Wird sie bald gesund sein? Was hat sie nur: eine Magenentzündung, Krebs? Warum konsultiert sie keinen Arzt? Sie wird seit einiger Zeit so gelb; sie sollte eine Pariser Kapazität aufsuchen! Wie ist es nur möglich, daß sie sich nicht ein Kind wünscht? Man sagt, sie liebt ihren Mann, warum ihm also keinen Erben schenken bei ihrem Vermögen? Ist das nicht entsetzlich, abscheulich? Und wenn es nur eine Laune wäre, wäre es unverantwortlich . . . Armer Präsident!‹

      Eugénie, die den feinen Takt besaß, den das grüblerische Denken dem Einsamen gibt, und den tiefen Blick, mit dem er alles, was seiner Sphäre naht, zu erfassen vermag – Eugénie, die das Unglück und die bösen Erfahrungen klug gemacht hatten, wußte, daß der Präsident auf ihren Tod wartete, ihn herbeiwünschte, um sich im Besitz des ganzen ungeheuren Vermögens zu wissen, das sich durch die Hinterlassenschaften seiner beiden Onkel, des Notars und des Abbés, die Gott zu sich gerufen, noch wesentlich vergrößert hatte. Die arme Einsame hatte Mitleid mit dem Präsidenten. Einem Kinde das Leben schenken, hieße das nicht, die Hoffnungen des Egoismus vernichten, die ehrgeizigen Pläne, mit denen der Präsident sich trug, begraben?

      Doch die Vorsehung rächte sie für die abscheuliche Gleichgültigkeit und elende Gewinnsucht eines Gatten, der die hoffnungslose Liebe seiner Frau als das beste Unterpfand zur dereinstigen Erfüllung seiner Wünsche ansah. Und Gott überschüttete die einsame Seele, der das Gold so gar nichts bedeutete, mit einem wahren Goldregen; sie aber verlangte nach dem Himmel und führte ein heiliges, frommes Leben und war eine himmlische Helferin allen Armen und Leidenden.

      Madame de Bonfons war mit dreiunddreißig Jahren Witwe und hatte ein Jahreseinkommen von achthunderttausend Francs; sie war noch schön – schön wie eine Frau, die sich den Vierzigern nähert. Ihr Antlitz ist bleich, sanft, ruhig, ihre Stimme weich und zurückhaltend, ihr Wesen einfach. Sie hat den ganzen Adel des Schmerzes, die Reinheit eines Menschen, der sich stets dem Treiben der Welt ferngehalten hat, aber auch die Steifheit der alten Jungfer und die engherzigen Gewohnheiten, die nur das Provinzleben zeitigt. Trotz ihrer achthunderttausend Livres Rente lebt sie noch immer so, wie einst die arme Eugénie Grandet gelebt hatte: sie läßt das Feuer in ihrem Ofen nicht um einen Tag früher anzünden, als seinerzeit ihr Vater das Feuer im grauen Saal anzünden ließ, und stellt die Winterheizung genau am selben Tag ein, wie es in ihren jungen Jahren üblich war. Sie kleidet sich ganz so, wie ihre Mutter sich kleidete. Das Haus in Saumur, das sonnenlose, wärmelose, immer dunkle, immer melancholische Haus – es ist das Abbild ihres Lebens. Sie speichert ihre Einkünfte sorgsam auf, und sie erschiene vielleicht kleinlich, ja geizig, wenn nicht eine edle Freigebigkeit der Sparsamkeit die Waage hielte. Fromme und barmherzige Stiftungen, ein Altersheim, christliche Schulen, eine reich dotierte öffentliche Bibliothek – alles dies ist ein wuchtiger Beweis ihrer Großmut und straft die bösen Zungen, die ja niemals fehlen, Lügen. Die Kirchen Saumurs verdanken ihr manche Verschönerung. Madame de Bonfons, die man auch scherzhaft ›Mademoiselle‹ nennt, genießt eine fast andächtige Verehrung.

      Dies edle Herz, das nur den zärtlichsten Gefühlen schlug, ging also zugrunde am berechnenden Geschäftsgeist, am menschlichen Strebertum. Auf dies himmlische Leben warf das Geld seinen fahlen Glanz und flößte der Frau, die nur Gefühl war, tiefste Verachtung ein für das Gefühl.

      »Nur

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