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Füßen stand, geblendet durch den Glanz der aristokratischen Gedanken, behauptete sich in Paris seine Begeisterung, die während der Überfahrt in ihm erwacht war, und er faßte den Entschluß, alles zu tun, um die hohe Stellung zu erreichen, die seine egoistische Schwiegermutter ihm vor Augen geführt hatte.

      Im unendlichen Raum dieser strahlenden Hoffnungen, glänzenden Aussichten war seine Cousine nur ein dunkles Pünktchen. Er sah Annette wieder. Als Weltdame riet sie ihrem einstigen Freund sehr zu dieser Verbindung und versprach ihm für alle seine ehrgeizigen Pläne tatkräftige Unterstützung. Annette war entzückt davon, Charles an ein häßliches und langweiliges Mädchen verheiratet zu sehen – ihn, den der Aufenthalt in Indien schön und reizvoll gemacht hatte: sein Teint hatte sich gebräunt, seine Manieren waren sicher und entschlossen geworden, er sah hart und kühn aus, wie ein Mann, der gewohnt ist, zu herrschen, zu erobern und Erfolg zu haben.

      Charles fühlte sich um so wohler in Paris, als er sah, daß er hier eine Rolle spielen konnte.

      Des Grassins, der von seiner Rückkehr, seinen Heiratsplänen, seinem Vermögen erfuhr, suchte ihn auf, um ihm mitzuteilen, daß er mit dreihunderttausend Francs die Schuldenlast seines Vaters tilgen könne. Er fand Charles in einer Beratung mit dem Juwelier, bei dem er für den Brautschatz von Mademoiselle d'Aubrion eine Anzahl Schmuckstücke in Auftrag gegeben hatte und der ihm nun Zeichnungen dafür vorlegte. Trotz der herrlichen Diamanten, die Charles aus Indien mitgebracht hatte, beliefen sich die Ausgaben des jungen Haushalts für Fassung der Steine, für Silberzeug, für wertvollen und geringeren Zierat auf mehr als zweihunderttausend Francs.

      Charles empfing Monsieur des Grassins, den er nicht wiedererkannte, mit der Unverschämtheit eines jungen Élégants, der in Indien vier lästige Gegner im Duell beseitigt hatte. Monsieur des Grassins war schon dreimal dagewesen. Charles hörte ihn gleichgültig an; ohne ihn ganz verstanden zu haben, erwiderte er: »Die Geschäfte meines Vaters sind nicht die meinigen Ich bin Ihnen verbunden, Monsieur, für die Mühe, deren Sie sich unterziehen, aus der ich aber keinen Nutzen ziehen kann. Ich habe nicht im Schweiße meines Angesichts fast zwei Millionen zusammengerafft, um sie nun den Gläubigern meines Vaters an den Kopf zu werfen.«

      »Und wenn Ihr Vater in einigen Tagen bankrott erklärt würde?«

      »In einigen Tagen, Monsieur, werde ich mich Comte d'Aubrion nennen. Sie verstehen also, daß mir das, was Sie da sagen, ganz gleichgültig sein kann. Übrigens wissen Sie wohl besser als wir, daß der Vater eines Mannes, der ein Einkommen von hunderttausend Livres hat, niemals Bankrott gemacht hat«, fügte er hinzu, indem er den wohllöblichen Monsieur des Grassins höflich zur Tür hinausschob.

      Zu Beginn des Monats August saß Eugénie eines Tages auf der kleinen morschen Bank, auf der ihr Cousin ihr ewige Liebe geschworen hatte; sie liebte es, an schönen Tagen hier das Frühstück einzunehmen. Das arme Mädchen erfreute sich an diesem heitern Morgen daran, in ihrer Erinnerung die großen und kleinen Ereignisse ihrer Liebe durchzugehen und die Katastrophen, die ihr gefolgt waren. Die Sonne schien hell auf die lieblich begrünte verwitterte Mauer, die nun schon fast eine Ruine war, die auszubessern aber die phantastische Erbin untersagt hatte, obgleich Cornoiller oft genug seiner Frau klagte, eines Tages werde die zusammenstürzende Mauer jemanden erschlagen.

      Es wurde ans Haustor geklopft. Der Briefträger übergab Madame Cornoiller einen Brief; sie lief damit in den Garten und rief: »Mademoiselle, ein Brief!« Sie übergab ihn ihrer Herrin mit den Worten: »Ist es der, den Sie erwarten?«

      Diese Worte gaben im Herzen Eugénies so lauten Widerhall, daß es ihr schien, als dröhnten sie in gewaltigem Echo vom Hof zum Garten.

      »Paris! . . . Er ist von ihm! Er ist zurückgekehrt!«

      Eugénie erbleichte und wagte nicht, den Brief zu öffnen. Sie bebte so sehr, daß sie unfähig war zu lesen. Die Große Nanon stemmte die Arme in die Hüften und blickte die Herrin strahlend an. Aus den Falten und Runzeln ihres braunen Gesichts glühte die Freude. »Lesen Sie, Mademoiselle!«

      »Ach, Nanon! Weshalb kehrt er über Paris zurück, da er über Saumur davonging?«

      »Lesen Sie, so werden Sie es erfahren.«

      Eugénie öffnete zitternd das Schreiben. Es fiel eine Anweisung auf das Haus ›Madame des Grassins und Corret, Saumur‹ heraus. Nanon hob sie auf.

      ›Meine liebe Cousine . . .‹

      ›Ich bin nicht mehr Eugénie‹, dachte sie, und ihr Herz krampfte sich zusammen.

      ›Sie . . .‹

      ›Er nannte mich du!‹ Sie kreuzte die Arme über die Brust und wagte nicht weiterzulesen. Große Tränen traten ihr in die Augen.

      »Ist er tot?« fragte Nanon.

      »Dann hätte er nicht schreiben können«, sagte Eugénie. Sie las den ganzen Brief; hier folgt er:

      ›Meine liebe Cousine!

      Sie werden, wie ich glaube, mit Vergnügen vernehmen, daß meine Unternehmungen Erfolg hatten. Sie haben mir Glück gebracht; ich bin als reicher Mann zurückgekehrt und habe den Rat meines Onkels befolgt, dessen Tod sowie der Tod meiner Tante mir durch Monsieur des Grassins soeben mitgeteilt worden ist.

      Der Tod unserer Verwandten ist Naturgesetz, und wir müssen ihnen alle einmal folgen. Ich hoffe, daß Sie heute über das Unglück, das Sie betroffen hat, getröstet sind. Nichts widersteht dem Strom der Zeit – ich erfahre es an mir. Ja, meine liebe Cousine, die Zeit der Illusionen ist vorüber, bekümmert fühle ich das. Doch was wollen Sie! Bei meinen Reisen durch ferne Länder habe ich das Leben kennengelernt und darüber nachgedacht. Heute habe ich gar viele Dinge im Kopf, an die ich früher nicht im entferntesten gedacht habe. Sie sind frei, verehrte Cousine, und auch ich bin frei. Dem Anschein nach steht der Verwirklichung unserer einstigen Pläne nichts im Wege, aber ich habe einen zu aufrichtigen Charakter, um Ihnen den Stand meiner Angelegenheiten zu verbergen. Ich habe nicht vergessen, daß ich nicht mehr mir selbst gehörte; auf meinen langen Fahrten habe ich mich stets der kleinen Holzbank erinnert . . .‹

      Eugénie sprang auf, als säße sie auf glühenden Kohlen, und setzte sich auf eine der Steinstufen, die zum Hof hinunterführten.

      ›. . . der kleinen Holzbank erinnert, auf der wir einander ewige Liebe geschworen haben; ich erinnerte mich oft des grauen Saales, des dunklen Hausflurs, meines Mansardenstübchens und der Nacht, da Sie mir voll zartfühlender Güte meine Zukunftspläne leichter gestalteten. Ja, diese Erinnerungen haben meinen Mut gestählt, und ich habe mir gesagt, daß Sie immer an mich denken, wie ich zur vereinbarten Stunde häufig Ihrer gedachte. Haben Sie oft und innig um neun Uhr in den Himmel, die Wolken geblickt? Ja, nicht wahr?

      Ich will eine mir so heilige Freundschaft nicht betrügen; nein, ich darf Sie nicht täuschen. Es handelt sich augenblicklich für mich um eine Verbindung, die allen Hoffnungen und Ansprüchen genügt, die ich bezüglich einer Ehe hege. Die Liebe in der Ehe ist eine Schimäre. Heute weiß ich aus Erfahrung, daß man den sozialen Gesetzen gehorchen muß und bei einer Heirat den Forderungen der Welt, der Konvention zu folgen hat.

      Nun ist zwischen uns beiden ein Altersunterschied, der wohl, meine liebe Cousine, für Sie verhängnisvoller werden könnte als für mich. Und dann gedenken Sie Ihrer Sitten, Ihrer Erziehung und Lebensweise, die in keiner Hinsicht mit dem Pariser Leben harmonieren und sicherlich ebensowenig mit meinen Projekten und ferneren Zielen.

      Es liegt in meiner Absicht, ein großes Haus zu führen, zahlreiche Besuche zu empfangen, und ich glaube mich zu erinnern, daß Sie ein sanftes, stilles Leben lieben.

      Nein, ich will noch offener sein und will Sie zum Richter einsetzen über meine Lage; es gebührt Ihnen, sie kennenzulernen, und Sie haben das Recht, selbst zu urteilen.

      Ich habe heute eine Jahresrente von achtzigtausend Livres. Dieses Vermögen gestattet mir, mich mit der Familie d'Aubrion zu verbinden, deren Erbin, ein junges Mädchen von neunzehn Jahren, mir ihren Namen in die Ehe bringt, ferner einen Titel, die Stellung eines Kammerherrn Seiner Majestät und eine der glänzendsten Positionen. Ich bekenne Ihnen, meine liebe Cousine, daß ich Mademoiselle d'Aubrion nicht im geringsten liebe. Aber – durch diese Verbindung sichere ich dereinst meinen Kindern eine soziale Stellung, deren Vorteile eines Tages ganz ungemessen

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