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liegt gleich links neben der Registrierkasse.«

      Lexi verließ die Küche, nahm sich eine Gabel und setzte sich. Kurz bevor sie das Eigelb durchstach, betrachtete sie es erneut. Sie konnte sich nicht entsinnen, dass ihre Mutter so etwas auch nur einmal für sie getan hatte, doch dafür kamen ihre erneut frühe Erinnerungen an ihren Vater in den Sinn. Dieser hatte das Haus als betriebsamer Mann für gewöhnlich bereits verlassen, wenn sie an den Werktagen aufgestanden war, doch ihre Wochenenden waren immer etwas ganz Besonderes gewesen, denn er hatte so gut wie jeden Samstag etwas Tolles für sie gekocht. Pfannkuchen, French Toast oder eben Spiegeleier hatten oft auf der Speisekarte gestanden. Nachdem ihr Vater ausgezogen war, hatte sie zwar nicht darauf verzichten müssen, es aber viel seltener erlebt, weil Carey und sie nur alle zwei Wochen zu ihm gefahren waren. Lexi hatte ihre Mutter dafür gehasst, dass sie ihren Vater vertrieben und ihm den uneingeschränkten Umgang mit ihnen verboten hatte. Das hatte nämlich nicht mit etwaiger Sorge zu tun gehabt, sondern war eher aus Trotz heraus geschehen und um ihm mehr Geld abluchsen zu können. Ihr Vater hatte sich allerdings zu helfen gewusst und einen großartigen Anwalt an Land gezogen. Letzten Endes war das volle Sorgerecht an ihn übergegangen, doch dann hatte sich das Leben von seiner hässlichen Seite gezeigt und ihn unwiederbringlich von ihr weggerissen. Als sich der Gedanke an den Tod ihres Vaters immer mehr aufdrängte, schob Lexi ihn sofort zur Seite, während sie ihre Gabel durch die Eigelbe zog.

      John kam nun aus der Küche und fragte: »Schmeckt's dir?«

      »Ja, klasse, vielen Dank«, antwortete sie und griff zur Flasche, um sich noch einen Wodka einzuschenken.

      »Du verträgst ja echt so einiges. Wie alt bist du?«

      »Gerade neunundzwanzig geworden, aber ich fühle mich, als hätte ich schon drei Leben hinter mir.«

      »Erzähl mir doch davon«, verlangte John. Nachdem er die Schürze auf die Theke geworfen hatte, trat er vor und nahm auf dem Hocker neben Lexi Platz.

      Obwohl sie ihn mochte, bestand ihre Reaktion darin, ein kleines Stück am Tresen wegzurutschen, als er sich mit weniger als zwei Fuß Abstand neben sie setzte.

      John bemerkte dies und sagte sofort: »Sorry.«

      Sie überspielte seine Entschuldigung, indem sie fragte: »Das war also immer dein einziger großer Traum, dieses Restaurant?«

      »So solltest du das aber nicht ausdrücken! Das hört sich doch ganz schön negativ an.«

      »Tut mir leid, das kam wohl anders rüber, als ich es gemeint hatte.«

      »Sag mal, hast du auf deinem Weg hierher noch jemanden kennengelernt, der so toll ist wie ich?«, erwiderte er halb ernst.

      »So toll wie du, John? Niemanden! Du bist ganz und gar einzigartig.«

      »Das will ich doch meinen«, entgegnete er zwinkernd.

      »Du bist ein guter Kerl und ich habe zwar auch andere gute Menschen getroffen, aber die kamen und gingen immer.«

      »Sind sie gestorben oder lediglich verschwunden?«

      »Sowohl als auch, aber ja, einige sind auch gestorben. Ich schätze mal, auf mir lastet ein Fluch oder so etwas. Andererseits hatte ich auch viel Glück. Der eine oder andere half Carey und mir, aber da draußen geht's momentan echt drunter und drüber. Weißt du, ich kann nicht fassen, dass es hier so ruhig geblieben ist.«

      »Hier gab es schon Ärger, aber das war wahrscheinlich nichts im Vergleich zu dem, was du da draußen erlebt hast.«

      Lexi nickte nur und aß weiter.

      »Darf ich dich noch etwas fragen?«

      »Oh je, jetzt kommt's.«

      »Wo ist deine Schwester? Du hast ja die ganze Zeit in höchsten Tönen von ihr geschwärmt und erwähnt, dass sie vor der Katastrophe bei dir gewesen ist.«

      Lexi wandte sich John zu und schaute ihn kalt an. »Irgend so ein Wichser hat sie umgebracht – sie kaltblütig erschossen.«

      John würgte einen Bissen hinunter und kam sich plötzlich dämlich vor, weil er nachgefragt hatte. »Ich, äh …«

      »Du wolltest es wissen, und das ist eben passiert. Du fragst dich bestimmt, warum ich hier bin, an deinem Tresen sitze, deine Eier esse und deinen Wodka trinke, oder? Ich mache nur eine kurze Pause hier, bevor ich weiterziehe und dieses Stück Scheiße töte.«

      »Treibt er sich denn irgendwo hier in der Nähe herum?«

      »Er ist irgendwo in Oregon, soviel ich weiß.«

      »Wie heißt er denn?«

      »Ich bezweifle, dass du ihn kennst, aber sein Name lautet Rahab. Er ist der Anführer einer Sekte, der Carey und ich in der kalifornischen Wüste über den Weg gelaufen sind.«

      John grübelte einen Moment lang nach, für den Fall, dass ihm dieser Name doch etwas sagte, doch das tat er nicht.

      »Was geschah dann?«, fragte er, obwohl er genau wusste, dass er sie dadurch nur noch mehr aufwühlte. Er war aber neugierig, was genau dieser jungen Frau widerfahren war.

      »Meine Schwester war immer – ich sag's nur ungern, aber es stimmt leider – das Dummerchen der Familie. Sie sah das Leben stets durch eine rosarote Brille und lief vollkommen sorglos durch die Gegend. Dass wir zwei wirklich die gleichen Gene hatten, ist echt schwer zu glauben. Sie tat sich ständig selbst weh. Du kennst solche Leute doch bestimmt. Diejenigen, die immerzu Pech haben, auch wenn es nichts Dramatisches ist. Doch wenn jemand ein Getränk verschüttete oder etwas durcheinander machte, dann war sie es. So war sie eben.«

      John stellte sich wieder darauf ein, Lexi stumm zuzuhören, während er langsam seine Eier verzehrte.

      »Sie hat oft herrenlose Hunde angeschleppt und dergleichen. Nachdem wir von Rahab und seinen Leuten gefangen genommen worden waren, setzte auf einmal ein Umdenken bei ihr ein. Endlich ließ sie sich nicht mehr alles gefallen, ohne sich etwas daraus zu machen. Sie beschloss daraufhin, sich zur Wehr zu setzen, doch es war der denkbar falsche Zeitpunkt dafür.« Lexi hielt kurz inne und schaute sinnierend ins Leere. »Sie hatte immer ein ganz schlechtes Timing.« Dies war eher ein laut ausgesprochener Gedanke. Ihr schwirrte der Kopf nun vor Eindrücken von ihrer kleinen Schwester. »Kennst du diesen Personentyp, der ständig ins Fettnäpfchen tritt?«

      John nickte.

      »Sie schaffte es damals, sich Thanksgiving zwei Wochen freizunehmen. Natürlich ging dann ihr Gepäck verloren, als sie am Flughafen landete, und solange sie in der Stadt war, passierte noch mehr Scheiß. Jetzt lache ich zwar darüber, doch damals war das überhaupt nicht lustig.« Sie senkte den Blick, während sie noch einmal die Situationen rekapitulierte, die sie seinerzeit verärgert hatten. Egal wie verfahren oder nervenaufreibend jene Momente auch gewesen waren, sie sehnte sich jetzt danach zurück. »Weißt du, ich würde alles dafür tun, meine Schwester und ihre ganze Tollpatschigkeit wiederzuhaben. Ich vermisse sie unheimlich.«

      John füllte ihr Glas auf und schob es ihr zu.

      Lexi nahm es und setzte an, trank aber dann noch nicht. »Ungeachtet ihrer vielen Fehler hatte meine Schwester aber ein unglaublich gutes Herz und gab mir gelegentlich auch sogar mal einen klugen Ratschlag.« Nachdem sie den Wodka getrunken hatte, schob sie das Glas wieder zurück.

      »Ich weiß, das sind nur Worte, aber es tut mir trotzdem leid, dass du sie verloren hast.«

      Lexi neigte ihren Kopf zur Seite und erwiderte: »Es ist traurig, aber jetzt habe ich immerhin ein Ziel vor Augen.«

      »Ach ja? Und welches?«

      »Rahab und sein Pack zu finden und sie aufzuhalten.«

      »Hast du noch andere Verwandte?«, fragte John nun, um das Thema zu wechseln, wobei er hoffte, das Nächste wäre weniger emotional.

      Lexi schwieg zunächst, grunzte aber dann. »Nein, nur ein paar Cousins, die überall im Land verstreut leben, doch die standen mir nie nahe.«

      »Und Freunde?«

      »Auch

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