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die Musik wieder an!«, grölte jetzt ein Mann an einem der hinteren Tische.

      »Hörst du's Carey? Prompt hast du den Beweis dafür.« Lexi schwenkte einen Arm und zeigte auf den Kerl.

      »Es gab Todesopfer, also etwas Respekt, bitte!«, blaffte Carey den Mann an.

      »Was hab ich gesagt? Den Leuten ist es echt scheißegal«, betonte Lexi, bevor sie einen kräftigen Schluck von ihrem Cocktail nahm.

      »Ich kann einfach nicht glauben, dass so etwas passiert. Mir kommt es vor, als würde mittlerweile alle zwei Tage ein Unglück geschehen«, klagte Carey. »Denkst du, wir sind hier sicher?«

      »Absolut«, bekräftigte Lexi.

      »Das verstört mich total«, fügte Carey hinzu, während sie angespannt dasaß, und sich das schauerliche Nachspiel des Bombenanschlags in Seattle anschaute.

      »Dir wird hier nichts passieren.«

      »Vielleicht sollte ich morgen nicht fliegen.«

      »Sei kein solcher Angsthase. Ich glaube nicht, dass noch jemand versuchen wird, ein Flugzeug zu entführen. Warum sollte man außerdem einen solchen Aufwand betreiben, wenn man einfach Güterlastwagen in die Luft jagen oder Einkäufer in einem Shoppingzentrum erschießen kann?« Damit meinte Lexi Gepflogenheiten, die Terroristen mittlerweile beinahe regelmäßig an den Tag legten. Ausgeklügelte und sorgfältig koordinierte Attentate gehörten der Vergangenheit an. Man bestückte einfach Lkws mit Sprengstoff oder fiel an stark frequentierten Orten ein und ballerte wild um sich.

      »Sie hat recht«, warf ein Mann von hinten mit dröhnender Stimme ein.

      Als sich Lexi umdrehte, stand dort Jeff, der Sicherheitsangestellte.

      »Anscheinend lassen die hier jeden rein«, rief sie spaßeshalber.

      »Ha, und das aus dem Mund der Braut, die einen Mann erbarmungslos mit einem Tacker zusammengeschlagen hat«, konterte Jeff.

      Carey sah ihn an und lächelte. »Wer ist das?«

      »Ach so. Also Carey, das ist Jeff. Jeff – meine kleine Schwester Carey.«

      »Hi«, begrüßte er sie.

      »Freut mich, dich kennenzulernen.«

      Er redete nicht lange um den heißen Brei herum, sondern kam direkt zu seinem Anliegen: »Carey, kannst du mir vielleicht erklären, was gestern vorgefallen ist?«

      Sie lächelte ebenfalls und suchte den Blick ihrer Schwester. »Ich kenne Lexi logischerweise schon, seit ich denken kann, habe aber noch nie erlebt, dass sie so ausgerastet ist. Ich weiß, sie hat ein gehöriges Temperament, aber übergeschnappt ist sie bestimmt nicht.«

      »Du hättest dabei sein müssen«, deutete Jeff an.

      »Du warst Zeuge?«, fragte Carey.

      Lexi schüttelte den Kopf, konnte sich ein breites Grinsen aber nicht verkneifen.

      »Ja, wir arbeiten im selben Betrieb«, erwiderte er.

      »Jetzt nicht mehr schätze ich«, antwortete Lexi verschmitzt.

      »Stimmt vermutlich«, pflichtete ihr Jeff bei und lachte. »Aber wie geht es dir denn jetzt? Ich hätte nicht erwartet, dir ausgerechnet hier über den Weg zu laufen. Du stehst ja eigentlich nicht auf zwielichtige Bars.«

      »Ich bin doch jetzt ein Exhäftling, da passt dieses Milieu zu meinem neuen Lebenswandel«, erklärte Lexi grinsend.

      Jeff bestellte sich nun auch etwas zu trinken und setzte sich neben die beiden an die Theke.

      Lexi kannte ihn zwar, allerdings nur von Betriebsfeiern nach Dienstschluss oder gesellschaftlichen Anlässen im geschäftlichen Zusammenhang. Als Mitglied der Sicherheitsabteilung arbeitete er in unterschiedlichen Schichten, weshalb sich die beiden nur sehr unregelmäßig gesehen hatten. Während ihrer zwei Jahre bei Bio-Gem hatte Lexi wiederholt mit Jeff herumgeplänkelt, aber nichts sonderlich Tiefschürfendes oder Bedeutsames besprochen. Sie fand ihn auf seine raue Art gut aussehend und schätzte sowohl sein gutes Benehmen als auch seine Höflichkeit.

      Jeff war mit knapp zwei Metern ein großer Mann und sehr muskulös. Seit er der Army drei Jahre zuvor den Rücken gekehrt hatte, arbeitete er bei Bio-Gem, wofür ihm das Militär eine Weiterbildungsmaßnahme bezahlt hatte. Er war in El Cajon geboren und aufgewachsen, einer Kleinstadt östlich von San Diego. Da er aus einer armen Familie stammte, die nicht für einen höheren Bildungsweg hatte aufkommen können, war er der Armee beigetreten, um sich die weiterführende Schule auf diese Weise zu finanzieren. Nach vierjähriger Verpflichtung war er ausgeschieden und in seine Heimat zurückgekehrt. Er hatte zwar in Afghanistan gedient, war allerdings nie im Gefechtseinsatz gewesen. Als Verwaltungsfachangestellter war er die ganze Zeit über auf dem Stützpunkt geblieben und hatte seine Freizeit in der Sporthalle verbracht.

      »Also raus mit der Sprache«, verlangte er nun von Lexi.

      »Was willst du denn hören?«, fragte sie.

      »Hast du einen Selbstverteidigungskurs gemacht oder so was?«

      »Quatsch«, antwortete sie und trank noch einen Schluck.

      »Ich habe eben noch nie zuvor gesehen, dass eine Frau einen Mann derart verprügelt hat, das war wirklich beeindruckend. Übrigens bist du jetzt so etwas wie eine Heldin im Betrieb, vor allem unter den weiblichen Angestellten.«

      »Soll ich vielleicht noch einmal vorbeischauen und Autogramme geben?«, höhnte Lexi.

      »Dann lass mich aber deine Managerin sein«, warf Carey ein.

      »Und du mimst dann meinen Leibwächter«, sagte Lexi zu Jeff.

      »Herzchen, ich glaube nicht, dass du einen brauchst.«

      Der Wirt kam zu ihnen und stellte drei Schnapsgläser auf die Theke.

      »Was ist denn das?«, fragte Lexi.

      »Tequila, der geht aufs Haus. Ich habe mitbekommen, was Ihnen passiert ist«, erklärte er, während er ihnen Patrón einschenkte.

      »Dann noch einen für Sie auf mich«, bat sie.

      »Auf Sie? Meinen Sie mich oder den Drink?«, hakte er spöttisch nach und knallte noch ein Glas auf den Tresen.

      Nun schaute sie ihn ungehalten an.

      Die beiden anderen hielten kurz inne und fragten sich, wie Lexi wohl reagieren würde.

      Sie nahm ihr Glas mit einer Zitronenscheibe, ohne den Blick vom Wirt abzuwenden und erwiderte: »Der letzte Typ, der mit mir auf Tuchfühlung gehen wollte, ist im Krankenhaus gelandet.«

      Er ruderte zurück und sagte: »War nur ein Witz, nichts weiter.«

      Lexis kritischer Blick schmolz dahin und sie rief: »Prost, ihr alle!«

      »Prost!«, entgegneten die anderen einhellig.

      Nachdem sie angestoßen hatten, tranken sie ihren Tequila.

      Lexi stellte ihr Glas unüberhörbar ab. Aus dem Augenwinkel bekam sie immer noch mit, wie es am Unglücksort in Seattle weiterging. Die rotierenden und blinkenden Lichter von Feuerwehrautos, Kranken- und Polizeiwagen erhellten den Bereich vor dem Stadion. Nach wie vor strömte dichter, schwarzer Rauch aus dem riesigen Gebäude. Am unteren Bildschirmrand liefen die aktuellen Meldungen durch: »VERMUTLICH HUNDERTE TOTE, DUTZENDE VERMISST, MEHRERE HUNDERT WEITERE VERLETZT.« Einen Augenblick lang dachte Lexi an die Menschen, die heute gestorben waren. Irgendwo erfuhren gerade Familien, dass sie geliebte Angehörige verloren hatten, während sie selbst hier hockte, trank und es sich gut gehen ließ. Aber schließlich wies sie diese bedrückenden Vorstellungen von sich. Heute Abend wollte sie schließlich ihren Spaß haben, und sich nicht mit Tod oder Terrorismus befassen. Dies war ihr großer Abend, und sie hatte sich vorgenommen, das Beste daraus zu machen.

      Als sie Carey betrachtete, wurde ihr warm ums Herz. Sie liebte sie wirklich sehr. Ihre Beziehung unterschied sich von einer herkömmlichen zwischen Geschwistern. Lexi liebte

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