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sich mit ihr zu verloben. Und nun stand er wie ein Verbrecher hinter dem Gasthof, als hätte er Grund, sich vor jemandem zu verstecken. Mit einem tiefen Seufzer ging er um das Gebäude herum und betrat schließlich zum zweiten Mal den Gasthof. Er hatte sich einfach kindisch benommen, und es war nur gut, daß Linda weder sein Kommen noch sein heimliches Verschwinden bemerkt hatte. Was hätte sie sonst nur von ihm halten sollen?

      Dr. Daniel betrat die Gaststube, doch er erkannte schon auf den ersten Blick, daß der Tisch, an dem Linda und der Fremde gesessen hatten, leer war.

      »Ah, der Herr Doktor«, wurde er jetzt von der Wirtin begrüßt. »Sie wollen sicher etwas essen?«

      Dr. Daniel nickte zerstreut. »Ja… das heißt, nein, eigentlich bin ich auf der Suche nach…« Er stockte. Was mußte die Wirtin über ihn und Linda denken, wenn er offen zugab, daß er nicht wußte, wo seine Beinahe-Verlobte war? »Ich habe verschlafen und…«

      »Frau Böhnig hat hier einen Bekannten getroffen«, erklärte die Wirtin bereitwillig, dann dämpfte sie die Stimme. »Sie hätten ihn sicher auch gekannt, Herr Doktor. Diesen berühmten Schönheitschirurgen. Dr. Kortek. Der war doch erst kürzlich wieder im Fernsehen und…«

      Dr. Daniel hörte nicht mehr hin. Natürlich! Der Mann, der bei Linda am Tisch gesessen hatte, war dieser Dr. Hans Kortek – der zur Zeit wohl berühmteste Schönheitschirurg der Welt. Sein Name war in den vergangenen Monaten mehrmals durch die internationale Boulevardpresse gegangen.

      Und dann beschäftigte Dr. Daniel ein neuer Gedanke. War es vielleicht möglich, daß Linda und Dr. Kortek sich kannten? Nun ja, es war jedenfalls nicht auszuschließen. Und wahrscheinlich dachte sie sich gar nichts dabei, mit dem Schönheits-chirurgen zu essen und danach einen Spaziergang zu unternehmen. Immerhin hatte sie ja nicht damit rechnen können, daß Dr. Daniel in den Ort herunterkommen würde. Linda hatte offenbar angenommen, er würde den ganzen Tag verschlafen – denn schließlich war er ja gestern ziemlich betrunken gewesen.

      Dr. Daniel schüttelte mißmutig den Kopf. So etwas war ihm noch nie passiert. Bisher hatte er immer gewußt, wann er aufhören mußte zu trinken.

      »Im Alter wird man wirklich immer dümmer«, grummelte er vor sich hin. »Sich betrinken wie ein Teenager, der sich der Wirkung des Alkohols nicht bewußt ist…«

      Dr. Daniels Schritt stockte, als ihm Dr. Kortek entgegenkam – allein. Der Schönheitschirurg ging an ihm vorbei und steuerte den Schwarzen Adler an. Dr. Daniel sah ihm noch einen Augenblick nach, dann machte er sich auf den Rückweg zu seiner Hütte. Schließlich war anzunehmen, daß auch Linda inzwischen dorthin unterwegs war, was Dr. Daniel wieder in dem Gedanken bestärkte, daß er sich vorhin im Gasthof einfach kindisch benommen hatte. Anstatt sich hinauszuschleichen, hätte er einfach an Lindas Tisch gehen sollen. Dr. Daniel zuckte die Schultern. Das alles war nun nicht mehr rückgängig zu machen, und vermutlich war sein eigenartiges Benehmen ja auch dem gestrigen übermäßigen Alkoholgenuß zuzuschreiben. Er fühlte sich nämlich noch immer nicht ganz bei Sinnen.

      In diesem Moment fiel ihm der rubinrote Sportwagen auf, der vor dem kleinen Postamt stand. Dr. Daniel runzelte die Stirn. Offensichtlich war Linda momentan doch noch hier unten im Ort. Aber das paßte ihm ganz gut. Auf diese Weise konnten sie gemeinsam essen gehen und anschließend zur Hütte zurückkehren.

      Ohne lange zu überlegen betrat Dr. Daniel das Postamt und sah Linda an einem der beiden Schalter stehen.

      »Ich möchte ein Telefongespräch nach Deutschland«, verlangte sie soeben.

      Dr. Daniel, der gerade zu ihr hatte treten wollen, hielt mitten in der Bewegung inne. Er hätte sein plötzliches ungutes Gefühl nicht erklären können, aber instinktiv fühlte er, daß dieses Telefongespräch in irgendeinem Zusammenhang mit diesem Dr. Kortek stehen mußte.

      »Geben Sie mir bitte die Telefonnummer, die Sie in Deutschland anrufen möchten«, erklärte der Postbeamte jetzt. »Ich stelle Ihnen die Verbindung her.« Er wies zu einem recht altertümlichen Apparat, der in der Ecke hing. »Da hinten können Sie dann sprechen. Warten Sie aber bitte, bis der Apparat klingelt.«

      Ohne sich in dem winzigen Postamt umzusehen, trat Linda zu dem Telefonapparat und wartete. Es dauerte ein paar Minuten, dann klingelte es, und Linda hob den Hörer ab.

      »Hallo?« rief sie fragend hinein, erhielt offenbar eine Antwort und dämpfte daraufhin ihre Stimme. Trotzdem hatte Dr. Daniel, der noch immer neben der Eingangstür stand, keine Mühe, ihre Worte zu verstehen.

      »Oskar! Gut, daß ich dich erreiche. Hör zu, es wird alles anders. Du mußt die Klinik total umbauen lassen, und das auch noch so schnell wie möglich. Es muß eine Privatklinik für Schönheitschirurgie werden. Ja, du hat ganz richtig gehört. Die modernste Klinik für Schönheits-chirurgie, die es in Deutschland… ach was, auf der ganzen Welt gibt.«

      Wieder schwieg Linda einen Moment, dann lachte sie kurz auf.

      »Reiner Zufall«, erklärte sie. »Ich wollte nach dem Frühstück gerade den Gasthof verlassen, als ich beinahe mit Hans Kortek zusammengestoßen wäre. Natürlich habe ich ihn auf Anhieb erkannt und…«

      Sie schwieg erneut.

      »Dr. Daniel? Der schlief noch oben in seiner Hütte. Schließlich habe ich ihn gestern ganz schön betrunken gemacht, um ihm endlich die Unterschrift abzuluchsen. Aber das ist jetzt sowieso gleichgültig. Ich werde mir Kortek angeln, und ich glaube, meine Chancen stehen nicht schlecht. Stell dir vor, Oskar, der berühmteste Schönheitschirurg der Welt…«

      Mehr hörte Dr. Daniel nicht. Wie von Furien gehetzt verließ er das Postamt und blieb draußen schwer atmend stehen. In seinem Innern herrschte ein einziges Chaos. Noch immer konnte er kaum begreifen, was er gerade gehört hatte.

      »Ich werde mir Kortek angeln.«

      Allein die Erinnerung an diese Worte grub sich schmerzhaft in Dr. Daniels Gehirn – und tief in sein Herz. War denn alles, was Linda zu ihm gesagt hatte, nur eine Lüge gewesen?

      In diesem Augenblick kam sie aus dem Postamt und blieb wie angewurzelt stehen, als sie sich so unerwartet Dr. Daniel gegenübersah.

      »Robert! Was tust du denn hier?« fragte sie, und der Schrecken über diese unverhoffte Begegnung ließ ihre Stimme ein wenig barsch klingen.

      Der rüde Ton traf Dr. Daniel mitten ins Herz. Dieser Ton bewies ihm nämlich mit absoluter Deutlichkeit, daß Linda ihre Liebe wirklich nur geheuchelt hatte.

      »Ich habe dich gesehen«, erklärte Dr. Daniel und konnte nicht verhindern, daß seine Stimme bei diesen Worten ein wenig heiser klang.

      Gelassen zündete sich Linda eine Zigarette an und inhalierte tief, bevor sie den Rauch langsam durch Mund und Nase entweichen ließ. In diesem Moment wirkte sie nur noch raffiniert und unnahbar, und Dr. Daniel fragte sich, warum ihm das vorher nie aufgefallen war.

      »Da du mich gesehen hast, er-übrigen sich weitere Erklärungen ja wohl«, entgegnete sie endlich.

      »Findest du?«

      »Ach komm, Robert, du bist doch kein dummer Junge. Du weißt genau, daß du mit einem Hans Kortek nicht konkurrieren kannst – weder von deiner Erscheinung noch von deinem beruflichen Stand her.«

      Wieder dieser schmerzhafte Stich ins Herz. Dr. Daniel hatte das Bedürfnis zu fliehen, doch er blieb statt dessen wie angenagelt stehen.

      »Es war also alles nur ein Spiel«, brachte er mühsam hervor.

      »Nein, es war blutiger Ernst«, widersprach Linda. »Ich brauche einen Chefarzt für meine Klinik, und du warst der beste, der mir angeboten wurde – bis heute. Es war Zufall, daß ich Dr. Kortek ausgerechnet hier in diesem Kaff begegnet bin, aber es war ein Zufall, der sich für mich gelohnt hat.«

      »Noch dazu, weil ich deine Klinik vielleicht niemals übernommen hätte«, fügte Dr. Daniel verbittert hinzu.

      Linda lachte. »Aber, Robert, glaubst du wirklich, ich hätte das einfach so akzeptiert?« Sie holte etliche beschriebene Blätter aus ihrer Tasche und reichte sie Dr. Daniel. »Es war schon alles

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