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barsch gewesen, doch das alles hatte sie längst vergessen. Sie lächelte ihn an.

      »Darf ich hereinkommen, Ro-bert?«

      Er ließ sie an sich vorbei in die Hütte, dann schloß er die Tür wieder. Inzwischen war Manon schon zum offenen Kamin getreten.

      »Ah, ist es hier schön warm«, schwärmte sie.

      Dr. Daniel sah sie an und fühlte sich dabei sehr unbehaglich. Seine Liebe zu Linda hatte ihn alles andere um ihn herum vergessen lassen – seine Kinder, seine Schwester, seine besten Freunde. Das wurde ihm erst jetzt so richtig bewußt, und er schämte sich dafür – vor allem, weil er inzwischen wußte, daß Linda das alles nicht wert gewesen war… auch wenn ein Teil seines Herzens noch immer an ihr hing.

      »Manon, ich weiß nicht, was ich sagen soll«, brachte er mühsam hervor.

      »Dann sag lieber gar nichts, Robert.« Sie wandte sich ihm zu und lächelte ihn wieder an. »Wir wollten Weihnachten doch ohnehin auf deiner Hütte verbringen.«

      Mit einer fahrigen Handbewegung wischte sich Dr. Daniel über die Stirn.

      »Nein, Manon«, entgegnete er leise. »Sei mir nicht böse, aber… ich möchte lieber nach Hause.«

      Manon streifte ihren Anorak ab, dann trat sie ganz nah vor Dr. Daniel hin.

      »Kannst du mir erzählen, was passiert ist?« fragte sie behutsam.

      Dr. Daniel wich ihrem Blick aus. »Nein, Manon.«

      »Du solltest es aber wenigstens versuchen. Es ist gar nicht gut, wenn du alles in dich hineinfrißt. Komm schon, Robert, du hattest doch immer Vertrauen zu mir.«

      »Ja… natürlich, aber… es ist so schmerzlich, darüber zu sprechen. Es war doch erst heute…«

      Manon zögerte, bevor sie ihn unterbrach. »Dann laß mich raten. Linda Böhnig hat dich nur ausgenutzt.«

      Dr. Daniel schüttelte erschüttert den Kopf. »Es ist viel schlimmer, Manon. Sie hat mich von Anfang an belogen, und sie hat mir Gefühle vorgespielt, die sie niemals für mich empfunden hat.« Er senkte den Kopf. Das alles hatte er gar nicht sagen wollen, aber Manon hatte ihn so geschickt zum Reden aufgefordert. Und im Grunde hatte sie ja auch recht. Es war wirklich besser, sich alles von der Seele zu reden.

      Dr. Daniel seufzte leise. »Über einen Privatdetektiv kam sie an meinen Namen heran und erfuhr alles über mich und meine Familie. Der Zufall wollte es, daß sie und Christine Kusinen waren, allerdings haben sie sich wegen eines Familienstreits niemals kennengelernt. Daß sie und Christine befreundet waren, war gelogen, und mit ihrer zum Teil bewußt herbeigeführten Ähnlichkeit mit Christine hat sie mich nur geködert – und ich bin auch noch darauf reingefallen«, fügte er mit recht offener Bitterkeit hinzu, dann schlug er beide Hände vors Gesicht. »Meine Güte, Manon, ich schäme mich so sehr.«

      »Dazu hast du keinen Grund«, entgegnete Manon ruhig. »Schämen sollte lieber sie sich. Schließlich war sie es, die deine Gefühle mißbraucht hat.«

      »Meine Gefühle – genau das ist es«, brachte Dr. Daniel mühsam hervor. »Ich habe mich benommen wie ein unerfahrener Teenager, der seine erste Liebe erlebt. Meine Güte, ich bin über fünfzig Jahre alt. Ich hätte klüger sein müssen…«

      »Robert, du solltest endlich aufhören, dich mit Selbstvorwürfen zu quälen«, fiel Manon ihm ins Wort. »Liebe kann man in jedem Alter empfinden. Außerdem ist Linda Böhnig ja eine ausgesprochen schöne Frau.«

      »Das hat Hans Kortek auch festgestellt«, fügte Dr. Daniel leise hinzu.

      Manon zog ihre Augenbrauen hoch. »Hans Kortek? Der Schönheitschirurg?«

      Dr. Daniel nickte. »Genau dieser.« Und mit ziemlich beißendem Sarkasmus setzte er hinzu: »Er ist jetzt mein Nachfolger bei der schönen Linda.«

      Langsam begann Manon zu ahnen, was heute vorgefallen war. Es mußte ein schauriges Drama gewesen sein, in dem Dr. Daniel die tragische Hauptrolle gespielt hatte.

      »Eines würde mich noch interessieren, Robert. Warum hat sie diese ganze Komödie eigentlich abgezogen? Du bist zwar ein sehr attraktiver Mann, aber auf dich persönlich hatte sie es ja offensichtlich gar nicht abgesehen.«

      Gegen seinen Willen mußte Dr. Daniel lächeln. »Danke für den attraktiven Mann, Manon.« Dann wurde er wieder ernst. »Der Grund für ihr Handeln war die Klinik in

      Trier. Was es damit wirklich auf sich hat, weiß ich zwar nicht, aber ich nehme an, daß es irgendwie mit ihrem ersten Mann zusammenhing. Sie hat mir einmal erzählt, daß sie nach der Scheidung die Klinik schließen mußte. Angeblich kam es zwischen ihrem Ex-Mann und den anderen Ärzten zu Unstimmigkeiten. Wobei ich natürlich keine Ahnung habe, ob das alles nur gelogen war oder nicht.«

      Manon überlegte. »Böhnig. Es gab da vor ein paar Jahren eine Geschichte mit einem Dr. Böhnig. Soweit ich mich erinnere, wurde in irgendeinem Magazin über ihn hergezogen. Er soll Fehldiagnosen gestellt haben, und auf Betreiben seiner Ehefrau – oder auch Ex-Ehefrau – wurde ihm dann die Approbation entzogen.«

      Dr. Daniel nickte. »Das sähe Linda ähnlich. Nun ja, wie dem auch sei – die Klinik wurde jedenfalls geschlossen, und Linda würde wohl alles dafür tun, um sie wieder öffnen zu können. Ich wurde heute zufällig Zeuge eines Telefongesprächs, bei dem sie erklärte, die Klinik müsse in eine Privatklinik für Schönheitschirurgie umgebaut werden. Das war kurz nachdem sie Hans Kortek kennengelernt hatte.« Er senkte den Kopf. »Darüber hinaus hat sie mir einen Vertrag gezeigt, der mich gezwungen hätte, nach der Heirat mit ihr die Klinik zu übernehmen.«

      »Einen Vertrag?« wiederholte Manon fassungslos. »Zum Abschluß eines Vertrages gehören doch immer noch zwei. Und ich nehme jedenfalls an, daß du den Vertrag nicht unterschrieben hast.«

      Dr. Daniel seufzte. »Doch, Manon, das habe ich.«

      Ungläubig starrte sie ihn an. »Wie bitte?«

      »Natürlich nicht im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte«, verwahrte sich Dr. Daniel sofort. »Linda hat mich vorher auf recht raffinierte Weise betrunken gemacht.« Wieder zuckte er die Schultern. »Was genau passiert ist, weiß ich noch immer nicht, denn ich muß gestehen, von diesem Abend fehlen mir etliche Stunden. Aber es war offensichtlich, daß sie mir den Vertrag unter irgendeinem Vorwand vorgelegt hat, und ich habe ihn dann unterschrieben. Wenn wir geheiratet hätten, dann hätte es für mich kein Zurück mehr gegeben.«

      »Außer über eine Scheidung«, wandte Manon ein.

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Das häte ich niemals getan.« Er schwieg kurz. »Es ist vielleicht nicht richtig, wenn ich es gerade zu dir sage, aber… ich habe Linda wirklich geliebt. Und ich will ganz ehrlich sein – ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn sie jetzt zu mir zurückkäme.«

      Manon war erschüttert über die Beichte.

      »Heißt das… du würdest sie trotz allem immer noch heiraten, wenn sie es nur wollte?«

      Dr. Daniel zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht, Manon. Vielleicht ist es einfach noch zu frisch, das zu entscheiden. Alles, was ich heute erfahren und miterleben mußte… ich bin praktisch durch die Hölle gegangen.« Er senkte den Kopf. »Und morgen ist Heiligabend. Ich hatte den Ring schon besorgt, und morgen hätte ich sie gefragt…« Er stockte. Die letzten Worte wollten ihm nicht mehr über die Lippen kommen.

      Da streichelte Manon sanft durch sein dichtes Haar. »Die Zeit wird diese Wunde heilen und vielleicht die Gewißheit, daß sie im Grunde nichts anderes als eine Betrügerin gewesen ist.«

      Dr. Daniel nickte. »Vielleicht hast du recht.« Dann zwang er sich zu einem Lächeln, das ihm allerdings nicht ganz gelang. »Ich bin froh, daß du da bist, Manon. Ich glaube… ich glaube, ich habe dich noch nie so dringend gebraucht wie jetzt.«

      »Freunde sind dazu da, einander zu helfen«, entgegnete Manon schlicht.

      Da nahm Dr. Daniel sie impulsiv in die Arme, und dabei fühlte er, wie ein Teil seiner

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