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ich … ich, der ich an dich glaube … ich hörte die Nachricht, versuchte, mich an sie zu klammern, mich durch sie zu befreien … und vermochte es nicht.«

      Und als ob die Sorgen und Qualen der letzten Stunden wieder auf ihn einstürmten, sank er zurück und deckte die Augen mit der Hand.

      »Johannes! Ich verzweifle … Sag es mir! Was wird nun kommen?«

      Jener saß und starrte durch die Scheiben über die weite, graue Fläche des Nordmeeres. Seine Blicke schienen, gelöst vom Körper, in weiter Ferne zu suchen … zu fragen. Die Strahlen des roten Sonnenballes brachen sich in den gewölbten Scheiben, warfen einen flackernden Schein auf das Gesicht des Mannes. Minuten verrannen. Zeitlos – wunschlos schien alles um Uhlenkort zu werden.

      Da fühlte er, wie eine Hand sich auf seine Schulter legte, wie ein Kopf sich zu seinem Ohr neigte, wie ein Mund zu ihm sprach.

      Er hörte die Worte, die so schrecklich waren und ihn doch nicht zu treffen schienen, die so Fürchterliches vor seinem Auge malten und doch sein Herz still ließen. Und Uhlenkort stand neben ihm, an jenem blitzenden Instrument, an dem der Mann vorher gesessen, als er eintrat.

      Der beugte sich darüber, bewegte Hebel, Schrauben und Schalter und warf einen Blick auf die große Uhr.

      An der Nordwand blitzte es kurz über eine dunkle Fläche. Wieder beugte sich das Haupt des Mannes zu dem Tisch. Die Lippen murmelten leise Worte. Das Instrument drehte sich leicht zur Seite.

      »Jetzt! Du wirst hier sehen, was dort geschieht, und doch an mich glauben!«

      Dann war es, als ob das Dunkel des Raumes ihn verschlungen hätte.

      Uhlenkort stand allein und starrte auf die Wand, die Mattscheibe, auf die ihn J. H. gewiesen. Ein bleicher Schimmer flog darüber, wurde heller und immer heller, zeigte Farben, zeigte Konturen. Blaue Flächen … grüne Wälder … fahrende Schiffe … dahin ziehende Flugzeuge.

      »Der Kanal!« Uhlenkort schrie es. »Der Kanal!«

      In der Sekunde, in der das Bild erstand, hatte sein Auge es begriffen.

      Seine Blicke flogen über die Fläche hin. Da war es. Das Bild, das er im Geiste trug, seitdem er jene erste Kunde vernahm. Die beiden Ozeane links und rechts. Das breite, glitzernde Band, das von dem einen zum anderen ging. Die Felsen und Berge. Die Wälder und Hänge an den Seiten.

      Wie Nußschalen groß die Schiffe, die aneinander vorbei von Ozean zu Ozean strebten. Das lachende Spiel der Flugzeuge, die zum Wasserspiegel hinuntergingen, schwammen und mit triefendem Kiel wieder empor flogen. Und dann … das Bild verschob sich. Nur der nördliche Teil des Kanals mit der Küste bei Colon lag vor ihm. Größer, jetzt deutlich, fast greifbar sah er das Bild. Ein großes Schiff bog um die Küste, fuhr in den neuen Kanal. Die Passagiere jubelten, schwenkten Tücher. In der Maiensonne strahlten die Fluten, leuchteten die grünen Wälder zu beiden Seiten des Kanals.

      Da! Bei Colon war es, dicht an der Mündung des Kanals. Ein Schwanken, ein Zittern ging durch das Land. Es bebte … es hob sich.

      Verschwunden war das Schiff. Ein dichter weißer Nebel …

      Wasserdampf verbarg es. Zu bersten schien die Erde. Himmelhoch flogen gewaltige Felsmassen empor. Unendliche Mengen von Land und Gestein, gemischt mit siedendheißem Wasserdampf … und jetzt feurige Lohe aus den dichten Dampfnebeln. Ein Vulkan hatte sich aufgetan, spie und schleuderte unablässig Land, Dampf und Wasser zum Himmel.

      In wilder Flucht retteten sich die Schiffe, die dem wahnwitzigen, unausdenkbaren Ausbruch der Naturkräfte entronnen waren. Sie flohen nach Süden den Kanal entlang. Sie flohen nach Norden in die Karibische See.

      Das Bild verschob sich. Und dann … Schrie er … oder war’s sein Herz?

      Ein neuer Ausbruch … ein neuer Vulkan. Da, wo die hohen Berge von Culebra an den Kanal herantraten. Und jetzt, nach dem Höllenschauspiel des zweiten ein dritter, ein noch gewaltigerer Ausbruch in dem Südende des Kanals. Ein Ausbruch, der die Stadt Panama in wenigen Sekunden hinwegfegte, in eine Masse fliegender Steintrümmer verwandelte.

      Und dann schienen diese drei Ausbruchstellen zu einer einzigen zusammenzuschmelzen. Eine Feuer speiende, unendliche Dämpfe ausstoßende Spalte war dort, wo vor Kurzem die Fluten des neuen Kanals von Ozean zu Ozean gingen. Wasser und Feuer waren zusammengetroffen, kämpften, schufen Dampf, höchstgespannten Wasserdampf in unendlichen Mengen und von unendlicher Sprengkraft.

      Der Isthmus zerriß. Zerriß bis in die tiefsten Tiefen des Grundes. Breit und immer breiter klaffte der ungeheure Spalt, aus dem Feuer und Dampf in wildem Durcheinander zum Himmel stiegen. Weiß wallender Wasserdampf, grauer Qualm dazwischen, dunkel und immer dunkler.

      Verschwunden war der lachende Himmel.

      Die Finsternis der Nacht lag über dem reißenden und berstenden Isthmus. Finsternis, nur durchbrochen von dem zuckenden Feuer-Streifen von Colon bis Panama.

      Uhlenkort stand starr, alle Kräfte des Körpers und Geistes zum Zerreißen gespannt. Seine Augen hingen an den Bildern des Schreckens.

      Vergessen war alles, was der andere ihm weiter gesagt. Er fühlte, wie seine Kräfte schwanden, je weiter das Unglück vorschritt, wie seine Knie ins Wanken gerieten, wie er schwankte, wie eine unsichtbare Hand ihn auffing.

      Er lag auf einem Ruhebett. Eine Hand strich über seine gequälten Augen. Die Lider schlossen sich. Doch sein Geist blieb wach, sah ohne Wand … ohne leuchtende Mattscheibe, was weiter geschah … in den nächsten Stunden und Tagen.

      Der Isthmus riß, riß immer weiter auseinander. Wie schwingende Federn vibrierten die beiden auseinander gerissenen Enden, zitterten unter dem Kampf der unterirdischen Mächte.

      Riesengewalten zerrten und rüttelten an dem gemarterten Leibe des Isthmus. Er bebte und spie Feuer von Nicaragua bis Columbia. Und immer neue Massen schleuderte die unterirdische Gewalt zum Himmel empor.

      Wie wilde See wellte das Land. Berge fielen um. Wälder stürzten wie Kornhalme unter der Sense des Schnitters. Flußtäler verschwanden, ihr Wasser hierhin und dorthin ergießend. Riesenspalten rissen auf.

      Menschen zu Tausenden verwundet, erschlagen … die Überlebenden in sinnloser Flucht umherirrend. Immer breiter wurde die Feuer speiende Spalte. Schon längst kein Kanal mehr. Eine breite, mächtige Bahn jetzt, in der das Seewasser kochte und immer wieder mit Feuer vermischt zum Himmel empor geworfen wurde. Bis endlich die Nacht wich, bis die dunklen Wolken sich verteilten, bis es lichter wurde. Und dann war es ihm, als ob sein Auge über Welten und Meere ging. Der Golfstrom! Da kam er her aus den Breiten des Südens. Er sah ihn an der brasilianischen Küste entlang gleiten, sah ihn hineinfließen in den Golf von Mexiko, den Golf, der ihm den Namen gab, sah ihn sich scharf nach Osten zurückwenden … nein, jetzt brach er sich, bog ab … nein, er folgte der alten Westrichtung, die jetzt kein Hindernis mehr sperrte.

      Die Wasser des Stromes stockten, stauten sich, wie sich besinnend, und fuhren durch die offene Sperre in das ihnen bereitete neue Bett.

      Er sah sie den Weg nach Westen nehmen, Wärme und Leben in das stille Weltmeer tragen. Seine Sinne wollten schwinden. Sein Auge ging nach Norden. Hinauf zu den lachenden Fluren Schottlands, zu den grünen Wäldern Norwegens und nach Spitzbergen. Er sah sie erstarren, veröden in Frost und Eis. Zusammensinken in Trümmer … menschenleer. Stätten des Todes, des Grauens. Hamburg, die Heimat!

      Ein Schrei … sein Herz stieß ihn aus.

      Und dann waren es wieder die kühlen, linden Hände, die ihn umfingen, über seine heiße Stirn gingen, ihn befreiten von den Schreckensbildern. Er wachte auf. Seine Hände hielten die des anderen umklammert, zogen sich hoch an ihnen. Seine Augen sahen dessen Augen.

      »Johannes! Du! Was war das? War’s Traum, war’s …«

      Er fühlte, wie der sich neben ihn setzte, wie dessen Hand seine umfasste.

      »Es war Wirklichkeit, was du sahest. Es war das, was kommen wird, kommen muß. Die nächsten Stunden, Tage, sie werden es bringen, wenn … wenn …«

      Als

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