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sprach er weiter.

      »Du sahst es und glaubst doch an mich. An meine Mission, die ein Schicksal mir gab. Ein Schicksal, das es auch wollte, daß deine Augen mehr sahen. Das dir einen Teil der Last, einen kleinen Teil der Last auflud.«

      »Johannes! Was wird geschehen? Was wird folgen? Wie wird sich das Schicksal der Millionen gestalten, die das Unheil trifft? Schrecken …

      Verzweiflung … Untergang für viele Tausende … Ist es unvermeidlich?«

      »Das Schicksal will es. Das Schicksal, dasselbe Schicksal, das Rettung bringt für …«

      Die Massen, die sich auf Straßen und Plätzen der amerikanischen Städte vor den Lautsprechern und Fernsehgeräten drängten, begannen sich zu zerstreuen. Noch spiegelte sich in Worten und Gebärden die Erregung der letzten Stunden wider.

      Der ungeheure Knall der Explosionen, der, tausend Membranen zerbrechend, den Jubel von Millionen hervorrief. Die Schreckensnachricht: Alles auf einmal in die Luft geflogen! Und dann zuletzt: Alles in Ordnung! Die Ozeane vereint. Die ersten Schiffe auf der Fahrt durch den neuen Kanal.

      Immer weitere Nachrichten waren in den nächsten Stunden gefolgt.

      Aber sie vermochten nichts Besonderes mehr zu bringen. Das Straßenbild gewann das alte Aussehen. Da, um die vierte Stunde! Im Nu stauten sich die Mengen.

      Was war es, was die Lautsprecher schrieen?

      »Vulkanausbruch bei Colon! Colon zerstört! Kanal gesperrt!

      Ungeheure Todesopfer!«

      Mit bleichen Gesichtern, stumm hörte die Menge die Nachrichten, die sich überstürzten, immer neue, größere Schrecken meldeten. Die Menschenmasse wuchs von Minute zu Minute. Gesperrt war jeder Verkehr. Neue Nachrichten:

      »Riesenvulkan bei Culebra … Der ganze Kanal ein Feuer speiender Schlund … Panama verschlungen … Der ganze Isthmus in Bewegung geraten … zerstört …«

      Die Fernsehbilder zeigten Verwüstungen unfaßbaren Ausmaßes. Dann nur noch abgerissene, verstümmelte Nachrichten. dann Schweigen.

      Die Menge stand und wich nicht. Allmählich ein Summen, ein Brausen. Die Lippen gewannen die Sprache zurück. Immer wieder der Name der Kanalgesellschaft und ihres Präsidenten. Ein einziger Schrei der Verwünschungen zuletzt.

      Und Fragen dann … Der Golfstrom? Europa? Was?

      Wie in den Staaten geschah es auf der ganzen Erde. Hunderte von Millionen hörten es, das Ungeheure, hörten und entsetzten sich.

      J. H … Der magische Mann, die mystische Gestalt … jetzt war sie überall.

      In einem stillen Seitental der Sierra Nevada lag der fürstliche Sommersitz Rouses. In einem kühlen Nordzimmer, geschützt vor den glühenden Strahlen der kalifornischen Sonne, lag Juanita auf einem Ruhebett. Das Antlitz noch bleicher als sonst. Die umschatteten Augen halbgeschlossen. Die schmalen weißen Hände ruhelos auf der Seidendecke, die ihre Gestalt einhüllte.

      Ein leichtes Hüsteln kam ab und zu von ihren Lippen. Die Ärzte hatten sie hierher geschickt, obwohl Rouse widerstrebte. Die Krankheit, von der sie sprachen, war ihm nichts als eine vorübergehende Unpäßlichkeit, verursacht durch die anstrengenden Reisen der letzten Wochen. Juanita wußte es besser. In Kapstadt, da geschah es zum ersten Male, als sie nach jene Zusammentreffen mit Tredrup allein in ihrem Zimmer war.

      Ein ungekanntes Schwächegefühl hatte sie taumeln lassen. Ein heftiger Schmerz hatte ihre Brust zusammengekrampft. Stundenlang hatte sie gelegen, bis der Anfall überwunden war.

      Am nächsten Morgen war sie abgereist. Die frische Seeluft über dem Atlantik hatte ihr die alte Spannkraft wiedergegeben … scheinbar … es war wiedergekommen … stärker. Bis sie nach der Rückkunft von Montegna in ihrem Heim zusammenbrach. Und nun war sie hier, nur mit Widerstreben von Guy Rouse freigegeben.

      Wie lange würde sie hier bleiben können? Wie lange würde er sie hier lassen? Nur zu deutlich hatte er ihr gezeigt, wie schwer er sie entbehrte.

      Er? Sein Herz? Nein! Sein Geist, dessen Werkzeug sie war …

      Willenlos?!

      Was war es, was sie an ihn fesselte? Liebe? Hass? Der Rausch, in den er sie damals versetzte, war nur allzu rasch verflogen. Bald mußte sie fühlen, daß er gesättigt war, daß seine Augen nach anderer Schönheit suchten. Ihr Stolz hatte sich aufgebäumt. Fliehen? Wohin? Montegna war ihr verschlossen. Er erriet ihre Gedanken, wie er es auch verstand, in den verborgensten Falten ihrer Seele zu lesen. Und er wollte sie nicht verlieren. Nur zu gut hatte er erkannt, wie nützlich, wie wertvoll dies an Körper und Geist gleich hervorragende Geschöpf ihm bei seinen Plänen war. Als er sah, daß das glänzende Leben allein sie nicht an seiner Seite halten konnte, änderte er sein Verhalten.

      Sein faszinierendes Wesen, dem alles unterlag, was mit ihm in Berührung kam, zwang auch sie. Vergeblich rang sie immer wieder dagegen. Sie blieb bei ihm … blieb, schwankend zwischen Neigung und Hass. Wie oft hatte sie in Stunden, wo sie fern von ihm war, geglaubt, sich von ihm lösen zu können. Immer wieder hatte diese rätselhafte Macht, die von ihm ausging, sie besiegt.

      Jahre des Kämpfens waren es, bis sie resignierte, bis sie aufgab, bis sie sein willenloses Werkzeug war. Selten nur noch ein kurzes Rebellieren, wenn ihr Stolz allzu sehr getreten wurde, wenn allzu kraß das Unsaubere seiner Pläne ihr ins Bewußtsein trat.

      Ein Rätsel, die Macht dieses Mannes … ein Rätsel ihr Herz. Die Hände der Liegenden preßten sich an die Stirn, als müßte sie sie finden, die Lösung. Im Fluge zogen die Jahre vor ihren Sinnen vorbei.

      Die Schulreiterin … sie stockte … was war’s, was ihn zu dieser Frau zog? War’s auch hier nur der Trieb der Sinne? Nein! Hier schien es mehr zu sein. Durch einen Zufall war sie auf die Spur gekommen, war ihr nachgegangen. Sie hatte zurückgeführt bis zum Kanal.

      In der gleichen Zeit, in der er in ihr Leben brach, hatte er auch jene umworben. Umworben? Ja! Hier war’s Werben, Werben um mehr als das jugendschöne Mädchen. Gefühlsmäßig hatte sie das erfaßt. Ein Hieb für ihren Stolz, für ihr Selbstbewußtsein.

      Und dann hatte sie dieses Mädchen gesehen … im Zirkus in Kapstadt, und Hass und Neid hatten ihre Hand geführt, hatten sie jene Rosen schleudern lassen, die die andere zum Sturz brachten. Im letzten Augenblick wollte ihre Hand zurück, aber der Wurf war geschehen … und dann war Tredrup gekommen. Zu spät! Hätte sie ihn nur früher gesehen!

      Alte, verborgene Wunden rissen damals wieder auf. Die Szene im Park in Kapstadt stand greifbar vor ihren Augen. Hätte er ihn nicht gesehen, den verhängnisvollen Wurf! Die Stunden des reinen Glücks, die sie mit ihm verlebt, waren in Sekundenschnelle an ihr vorübergegangen; ein reines Gefühl war in ihr aufgewallt, das sie zu ihm hinzog.

      Da stellte der Mann die Frage, die sie zur Lüge zwang, zur Lüge, die mehr als alles andere sie für immer von ihm schied.

      Ihre Hände sanken schlaff auf die Decke zurück. Unaufhaltsam liefen zwei Tränen über die blassen Wangen. Zu spät! Immer zu spät!

      Erregt schleuderte sie die Decke zurück, sprang auf und eilte aus dem Raum.

      Weg mit den Gedanken! Den Erinnerungen! Ablenkung! Was anderes!

      Da! Der Fernseher! Mechanisch betätigte sie ihn. Eine Weile stand sie … hörte und sah mit halben Sinnen.

      Immer wieder der Kanal?

      Da! Ihre Augen weiteten sich. Was vernahmen sie? Der ganze Isthmus erschüttert … in fürchterlichen Erdbeben, die alles vernichteten … die Zahl der Todesopfer ungeheuer … der Golfstrom … Europa … Sie schaltete den Apparat ab.

      Sein Werk! Mein Werk!

      Wie eine Irre stürzte sie aus dem Haus in den Park. Wie eine Irre jagte sie durch seine verschlungenen Wege … weiter … immer weiter dem Ausgang zu. Das große eiserne Tor war verschlossen. Ihre Hände umkrampften es, rissen an ihm.

      »Mörderin! Mörderin!« gellte es aus ihrem Munde.

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