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langsamer, man schien endlich begriffen zu haben.

      »Heraus mit der Flagge!« herrschte sie den Beamten an. Noch ehe der Antwort fand, hatte sie ihm das Tuch aus der Hand gerissen. Ihr Arm stieß es in die Luft. Die Farben Chiles standen weithin sichtbar in der leichten Seebrise.

      Halt! Der Signalgast setzte das Zeichen. Die Schiffe stoppten. Ihre Schrauben schlugen rückwärts. Langsam kamen die mächtigen Körper zum Stillstand. In kurzer Wendung legte sich die »Hirundo« backbord an das vorderste an. Der Gerichtsbeamte schrie dem Kapitän, der sich über die Reling beugte, ein paar Worte zu. Der zuckte die Achseln.

      Schien nichts zu verstehen. Gab aber Befehl … Das Fallreep kam herunter.

      Christie stand vor dem Kapitän. Der starrte sie mit unwirscher Miene an, hörte, was sie ihm zurief, unterbrach ihre Rede.

      »Den gerichtlichen Beschluß! Haben Sie ihn?«

      Der chilenische Beamte trat vor. Mit einem rasenden Wortschwall überschüttete er den Kapitän. Dieser schüttelte den Kopf. Soweit gingen seine spanischen Kenntnisse nicht, den wie ein Hagelwetter niederprasselnden Worten des Chilenen zu folgen. Mönkeberg griff ein, nahm dem Beamten das Dokument aus der Hand und las es langsam, erst in spanischer Sprache, dann in englischer Übersetzung dem Kapitän vor. Der ließ es sich reichen, prüfte Kopf und Siegel. Ein Kommando zur Brücke.

      »Entfernung zum Leuchtturm?«

      »Achtundzwanzig Seemeilen und eine halbe.«

      Sie waren noch innerhalb der Dreißigmeilenzone.

      »All right!« rang es sich endlich von seinen Lippen. Dann, ohne sich weiter um die kleine Gruppe zu kümmern, gab er seine Befehle.

      »Zurück zum Hafen!«

      Und dann standen sie wieder auf der Kaimauer. Der Beamte hatte sie verlassen.

      »Wie soll ich Ihnen danken, Herr Mönkeberg! Ohne Sie wäre all mein Bemühen umsonst gewesen.«

      »Danken, Fräulein Harlessen? Warum? War mir ein Vergnügen, ein Fest ersten Ranges, meine ›Hirundo‹ – vorige Woche kam sie erst von Hamburg herüber – in solcher Fahrt zu erproben. Alle Achtung vor der ›Hirundo‹ und der Werft! Soll’s mal einer nachmachen. Was wollen Sie mit der Beute machen?«

      »Ich habe den Auftrag, sie nach Kapstadt zu dirigieren.«

      »Und Sie selbst?«

      »Ich selbst?« Christie zögerte. »… zunächst nach New York.«

      »Und dann nach Hamburg«, setzte Mönkeberg wie selbstverständlich hinzu.

      »Kann sein … vielleicht.« Sie wandten sich zum Gehen.

      Ein Menschenauflauf vor einem New Yorker Passagierschiff am Kai.

      Von allen Seiten strömten Menschen hin.

      »Hallo! Was gibt’s da?« Mönkeberg wies mit der Hand hinüber.

      »Da geht’s ja selbst für chilenisches Temperament recht lebhaft zu. Ist irgendwo die Welt untergegangen?«

      Ein Reporter der »Deutschen Zeitung« in Valparaiso rast an ihnen vorüber. Mönkeberg, der ihn kannte, sprang ihr in den Weg.

      »Halt, mein Lieber! Was gibt’s? Wo brennt’s?«

      Der wand sich vergeblich unter dem festen Griff, mit der Mönkeberg ihn gepackt hielt.

      »Lassen Sie mich los! Um Gottes willen, ich muß zur Redaktion!«

      »Der Isthmus ist gesprengt … zerrissen … vom Meer verschlungen.

      Tausende … Millionen …«

      Mönkebergs Hände hatten losgelassen, sanken langsam nieder.

      Entgeistert starrte er dem Enteilenden nach. Er hörte nicht auf Christie, die sich an seinen Arm klammerte. Er stand, die Augen weit geöffnet, über See nach Norden gerichtet.

      Ein Zittern ging durch die kräftige Gestalt. Er schlug die Hände vors Gesicht.

      »Das ist das Ende!« Stoßweise rang es sich aus seinem Munde. »Das Ende für Hamburg … für Europa … für uns.«

      Christie legte ihre Hand in seinen Arm und führte ihn beim Gehen. Ihr kühler, klarer Verstand rang mit dem Gehörten! Unmöglich!

      Unmöglich! schrie es in ihrem Innern. Es kam nicht … es wird nicht sein. Die Heimat! Das Wort, früher nicht gekannt, von Uhlenkorts Mund gesprochen, es hatte Wurzeln in ihrem Herzen geschlagen Hamburg … die Heimat! Ein Sehnen war ihr aufgegangen … größer … immer größer werdend. Hamburg … Harlessen … Heimat. Und das alles weggewischt jetzt?

      Nein! Nein! schrie es in ihr.

      Ihr Herz sträubte sich gegen den logischen Zwang des ungeheuren Ereignisses.

      Die beiden Freunde standen auf der steilen Westwand von Black Island. Zweihundert Meter fiel die Klippe vor ihren Füßen schroff ab.

      Dort unten in der Tiefe, wo früher die See brandete, streckte sich weithin das neue Land. Uhlenkort nahm das Fernglas von den Augen.

      Seine Hand deutete nach Norden.

      »Die Luft ist klar geworden. Mit bloßen Augen sehe ich da die Grenze zwischen altem und neuem Land, den Kranz von Tang und Muscheln.

      Laß uns noch eine Weile stehen, Johannes, daß meine Augen sich satt trinken an dem Bild, das mir tieferen Frieden gibt als die schönste Landschaft des Südens. Und jetzt kannst du mir erzählen, was da unten geschah am Isthmus. Was es war, das die Erde erbeben, zerreißen ließ.

      Du sahest es voraus. Du weißt, wie es geschah … wie es geschehen konnte.«

      Der andere wandte sich um … dem Süden zu.

      »Wenn irgendwo es gefährlich war, den Leib der Erde so schwer zu erschüttern, so war’s auf dem Isthmus von Panama. Sie hätten gewarnt sein müssen, die Toren! Dort, wo seit Menschengedenken die unterirdischen Kräfte an ihren Ketten zerren, wo die Magmamassen immer wieder an die Schranken der Erdhülle pochten, dort war es mehr als vermessen. Das atomare Sprengmittel, das sie in so riesigen Mengen in die Eingeweide des Isthmus packten, es mußte, auf einmal detonierend, die Katastrophe bringen. Die Gewalt der gleichzeitigen Explosion mußte, nach unten sich fortpflanzend, die Sialscholle bersten lassen.

      Die Risse, durchreichend bis hinab zu den Feuergluten der Tiefe, ließen die beiden Elemente sich vermählen. Ihre Umarmung gebar Untergang … Tod. Während die unfreiwilligen Hochzeitsgäste oben jubelten und frohlockten, kreißten die Elemente in stundenlangen Wehen. Dann brach’s ans Licht. Die Wasserdämpfe, mit Gewalt sich frei machend, zerrissen den Leib des Isthmus. Im Fieber bebten dessen Glieder. In immer neuen Ausbrüchen riß der Spalt, bis er klaffte … ein neues Feld dem Unheil … weiter klaffte, bis die Wogen der beiden Ozeane in freiem Schwall auf die Gluten des Inneren fielen. Das war das Ende. Der Bogen, schon längst zum äußersten gespannt, zerbrach.

      Die Enden, die freien Zungen, schnellten auseinander. Weiter, immer weiter klaffend, bis die Ränder der Kluft standen, dreihundert Kilometer dazwischen lagen.«

      »Und so wird es bleiben?« fragte Uhlenkort.

      Der Freund schien den Sinn der Frage nicht zu verstehen.

      »Nein. Es wird weitergehen, das Unheil. Mag das Fieber jetzt nachgelassen haben, die Zeit wird kommen, wo es wieder hervorbricht … früher oder später …«

      »Ich erwartete Trost. Und du kündest mir neues Unheil. Ist’s nicht genug? Für Europa wird es keinen neuen Schrecken bringen. Der Golfstrom … die Golfdrift … unser Wärmespender ist dahin. Millionen Menschen durch eines Menschen verbrecherische Hand zugrunde gerichtet, gemordet.«

      »Trost? Gab ich ihn dir nicht schon, Walter Uhlenkort? Noch mehr? … Schon zuviel war es, was der Freund dem Freunde sagte. Mag das Schicksal es mir verzeihen.«

      Walter Uhlenkort stand auf dem Zechenhof. Der Chefingenieur hatte zu ihm gesprochen.

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