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wie kamen Sie dazu?«

      »Sie wissen es ja! Und schließlich, wen geht’s denn was an?«

      »Christie, können Sie sich nicht denken, daß mein Herz …«

      Christie wandte ihm das Gesicht zu und sah ihm in die Augen. Ihre Blicke senkten sich ineinander.

      »Ich glaube Ihnen, Herr Uhlenkort. Ich will Ihnen glauben, trotz allem, was mir geschehen ist … meinem Vater geschehen ist.«

      »Ihrem Vater, Christie? Wieder der alte Vorwurf! Warum quälen Sie mich? Ich versichere Ihnen, daß man sich in Hamburg die größte Mühe gab, ihn zu finden. Ihn trotz aller Bemühungen nicht zu finden vermochte. Bis ich an den Kanal kam, unglücklicherweise zu spät kam.

      Eine Woche früher, und ich hätte ihn lebend getroffen, und alles wäre anders geworden.«

      »Anders geworden? Vergessen Sie nicht, auch mein Vater war ein Harlessen.«

      »Und doch hätte er in diesem Falle die Hand, die sich ihm von Hamburg entgegenstreckte, nicht zurückgewiesen.«

      »Sie sagen das, Herr Uhlenkort.«

      »Jawohl, Christie! Ich behaupte das, weil ich weiß, daß er eben ein Harlessen war. Sie sagten mir ja, wie oft er an Hamburg gedacht … wie oft er Ihnen davon erzählt hat.

      Ich hätte es auch gewußt, ohne daß Sie es mir berichtet hätten. Gerade weil er ein Harlessen war, fühlte er die Vereinsamung. Wie sehr er die Bitternis, in der Fremde zu leben, empfand, wird er Ihnen nicht offenbart haben. Ich aber sage es Ihnen, nie … nie konnte er sich in der Fremde glücklich fühlen. Die zerrissenen Bande …«

      Er war aufgesprungen und durchmaß mit heftigen Schritten den kleinen Raum. In Christies Zügen wechselten jagend Blässe und Röte.

      Mit einem Ruck blieb er plötzlich vor ihr stehen.

      »Und du! Christie, du … du willst es nicht sagen … und doch, du … du fühlst dich auch als eine Harlessen, fühlst, daß du zu uns gehörst, zu uns hingehörst nach Hamburg …«

      Schweigen lastete in dem kleinen Raum. Es drängte sie, ihm die Hand zu reichen. Es schrie in ihr: Ja! Ja! Du hast recht! Ja! Ja!

      Sie kämpfte mit sich … Ihr Herz schlug, als wollte es bersten … und sie bezwang sich …

      »Herr Uhlenkort!«

      Der Klang seines Namens schien ihn aufzuwecken. Er strich sich über die Augen.

      »Ach! Verzeihung, Fräulein Christie … Was sprach ich? Ich …

      Verzeihung … mein Herz floß über. Ich konnte nicht anders.«

      Er streckte ihr die Hand entgegen. Er fühlte, wie ihre Finger sich leicht hineinlegten und darüber glitten. Dann ging er zu seinem Platz zurück.

      »Ich vergaß … vergaß schon damals in Kapstadt, Sie nach den rätselhaften Umständen jenes Verbrechens in Tejada zu fragen. Ihr Vermögen wurde damals geraubt. Haben die Nachforschungen der Polizei, der Behörden gar nichts ergeben?«

      »Nichts, Herr Uhlenkort. Man hat mich verschiedene Male vorgeladen. Man hat auch einige Leute verhaftet. Aber ihre Unschuld erwies sich bald. Es bleibt ein Rätsel, ein Geheimnis, dessen Dunkel wohl niemals gelichtet werden wird.«

      »Niemals? Was an mir liegt, soll geschehen, um das Rätsel zu lösen.

      Wäre es auch nur, um dem Verbrecher seinen Raub abzujagen. Die Verbindung mit dem Pinkerton Office hat mich auf den Gedanken gebracht, die Pinkertons auf die Spur des Verbrechens zu setzen.«

      Noch einmal ließ er sich von Christie die Umstände der Tat, soweit sie bekannt waren, berichten. Sah, wie Christie Harlessen durch die Erzählung von neuem ergriffen, wie ihr Bericht immer matter und tonloser wurde.

      »Nur noch eine Frage, Fräulein Christie, dann wollen wir dies dunkle Thema verlassen. Haben Sie selbst irgendeinen Verdacht, einen leisen Verdacht? Vielleicht auf irgend jemand …«

      Er schaute Christie voll an. Sah, wie sie überlegte, wie ihre Augen hin und her gingen, wie sie kämpfte, zögerte.

      »Ich habe keinen Verdacht. Habe auch niemals einen Verdacht gehabt … irgendein Landstreicher … ein entlassener Arbeiter … wer hätte sonst am Kanal noch … Doch warum noch weitere Nachforschungen nach dem unbekannten Täter anstellen? Sein Raub …«

      Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich werde leben. Ich finde mein Brot selber.«

      Uhlenkort erhob sich. Auch Christie war aufgestanden.

      »Warum wollen Sie so plötzlich gehen, Herr Uhlenkort?«

      »Fräulein Christie … ja, Fräulein Christie … Sie sagten, Sie werden leben. Ich sehe, daß Ihre Willensstärke, Ihr Selbständigkeitsgefühl größer sind als meine Überredungskraft. In Ihren Worten: Ich werde leben, drückte es sich nur zu deutlich aus. Sie sollten auch für mich gelten.«

      »Herr Uhlenkort!«

      »Fräulein Harlessen?«

      Christies Blick ging zur Erde. Sie trat einen kleinen Schritt zurück.

      Das versöhnende Wort auf ihren Lippen erstickte unter dieser Anrede.

      »Herr Uhlenkort, noch einen Augenblick, ich habe Ihnen noch eine Nachricht zu geben, die Ihre Niederlassung in Valparaiso betrifft.«

      Sie holte von ihrem Schreibtisch ein verschlossenes Kuvert und überreichte es ihm.

      »Ich war im Begriff, nach Hamburg zu telegrafieren, als Sie heute Mittag zu Simmons Brothers kamen. Als ich Sie sah, änderte ich meine Absicht. Hier ist der Brief, den ich Ihnen, wären Sie nicht zu mir gekommen, in Ihr Hotel geschickt hätte.«

      Uhlenkort ergriff das Kuvert.

      »Eine Nachricht, die unsere Firma interessiert?«

      Sie war hinter den Teetisch getreten und machte sich dort zu schaffen.

      »Vielleicht war es überflüssig, was ich tat. Sie werden es zu Hause lesen.«

      »Zu Hause? Im Hotel? Nein … !«

      Er riß den Umschlag auf und überflog die Zeilen.

      »Fräulein Christie?« Er trat erregt auf sie zu. »Ist das wahr … was Sie uns hier mitteilen?« Christie sah kurz auf.

      »Warum sollte ich Ihnen ein Märchen berichten?«

      »Christie! Ich beschwöre Sie! Sind Sie sich der Tragweite dieser Nachricht bewußt? Ipton & Co. vor dem Bankrott? Unser Vertreter im Bunde mit den Inhabern … Ein Betrug beabsichtigt, der uns zehn Millionen kosten würde? Und Sie wissen es? Sagen Sie, wie Sie zu der Erkenntnis gekommen sind!«

      Christie zuckte die Achseln. »Ich weiß es. Ein glücklicher Zufall. Ich glaubte, Ihrer Firma einen Dienst erweisen zu: können. Vielleicht war es auch das Harlessensche Blut …« vollendete sie mit Ironie.

      »Christie! Christie! Alles, was Sie sprechen und tun, ja! Das ist Harlessenblut. Nie und nimmer war das ein bloßer Zufall, der Sie hiervon in Kenntnis setzte. So offen werden diese Herrschaften ihre Karten nicht spielen. Die Aufdeckung dieser Schurkerei ist Ihr Werk, Ihr Verdienst. Um wie Sie mir das geben, das ist …«

      Er ergriff ihre Rechte und hielt sie trotz ihres leisen Widerstrebens fest.

      »Christie … Christie Harlessen! Warum quälen wir uns!«

      Er zog einen Stuhl heran und setzte sich neben sie.

      »Christie, lassen Sie uns jetzt ganz sachlich reden. Alles Persönliche beiseite. Sie schreiben mir hier, daß unser Vertreter in Valparaiso die große Kobaltlieferung an Ipton & Co. trotz unseres telegrafischen Widerrufes doch zur Ausführung bringt, daß die Dampfer dafür, von Simmons Brothers gechartert, bereits in Valparaiso gelandet sind. Sie wissen auch, daß Ipton & Co. kurz vor dem Konkurs stehen … kurz, daß ein Komplott gegen uns im Gange ist, das uns unberechenbaren Schaden bringen

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