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Bau, und sein Auge ging hinüber nach Nordwesten, wo sich die gigantische Masse des neuen Turmes erhob. Der Weg führte bergab zum Strand. Da lagen auf halber Höhe die Fischerkaten. Unten am Strand die Boote. An Gerüsten die großen Netze.

      Klasen hieß der, der mit ihm fuhr. Er blieb stehen. Sein Auge irrte über die Hütten dahin.

      Weitergehen? Sollte er das? Das Glück schien ihm heute günstig zu sein.

      Er ging …

      Eine Alte kam ihm entgegen, mühsam die Höhe hinaufklimmend.

      »Wohnt hier der Fischer Klasen?« Die Frau stand still.

      »Klasen? Ja! Da unten im letzten Haus. Sie wollen zu ihm? Schlechte Zeit heute. Seine Frau ist krank. Ich komme von ihr.«

      Wieder zögerte Tredrup. Wieder zog es ihn weiter, bis er vor jener Hütte stand.

      Er trat ein … er sprach mit dem Fischer und ging wieder hinaus.

      Gelungen! Er würde fahren. An dessen Statt fahren, der bei seiner kranken Frau blieb. Auf See fahren … mit ihm … mit H …

      Das bleiche Licht der Mitternachtssonne spielte um das graue Turmmassiv. Tredrups Schulter stemmte sich gegen das Motorboot, half es mit vom Strande abrücken.

      »Ab!« Er sprang hinein.

      Der Motor ging an. Der Bootsmann überließ ihm den Griff und ging ans Steuer. Das Boot kam in Fahrt. Schneller, immer schneller schoß es Süd zu Südost durch die grüne Flut.

      »Volle Kraft voraus!« schrie der Steuermann.

      Tredrup befolgte den Befehl.

      Stunden vergingen. Sie fuhren … sie fuhren Süd zu Südost … phantastisch die Schnelligkeit. Tredrup stand am Motor, die Hand am Griff. Sein Herz pochte im Takt der Maschine.

      Da vorn am Stern … da saß er … der aus dem Leuchtturm, Johannes Harte. Das Gesicht in der Richtung der Fahrt. Tredrups Gedanken gingen zurück. An den Bootssteg. Johannes Harte trat aus der Pforte des Turmes. Stieg die schmale Treppe hinab, kam auf den Bootssteg, stieg ein. Ein Mensch … ein Mann … Was war das für ein Mann?

      Wie hatte seine Phantasie gearbeitet in der Erwartung, diesen rätselhaften Menschen zu sehen? Welche Bilder waren es, die er von ihm gemacht hatte?

      Und dann hatte er ihn gesehen … gesehen so ganz anders … anders … ja wie?

      Eine schlanke hohe Gestalt. Ein schmales bleiches Gesicht. Eine hohe, sich weit vorwölbende Stirn. Langes, lockiges Blondhaar darüber.

      Aber die Augen … die Augen! Was waren das für Augen? Nur mit leichtem Seitenblick streiften sie ihn … und doch, was waren das für Augen? Wie war seine ganze gesammelte Willenskraft, sich das Bild dieses Menschen tief einzuprägen, vor einem leichten Blick dieser Augen zerstoben! Sein ganzes Wesen fühlte sich gefangen. Wie ein Gefangener war er ihm gefolgt, wie der Sklave seinem Herrn.

      Die rauhen Rufe des Bootsmanns erst hatten ihn aus seiner Betäubung gerissen. Klar zur Abfahrt! hatte der Bootsmann geschrieen.

      Der Mann vom Leuchtturm hatte sich am Stern niedergelassen, denen im Boot den Rücken zugewandt. Da hatte Tredrup aufgeatmet, wie befreit von den Fesseln jenes Blickes.

      Und sie fuhren … und fuhren. Wie ein Vogel schoß das Boot über die leichte See dahin. Stille über den Wassern … Stille im All. Nichts als das leise Rauschen der Wogen, die der scharfe Kiel durchschnitt.

      Im Norden! Ein heller Schein über der Kimme. Dann ein Rot …

      Orange … Gelb … ein Nordlicht. Ein Farbenwunder in majestätischer Größe erstand da.

      Er blickte zu jenem Manne hin, wie dieser sich wendete, wie seine Augen an diesem Schauspiel hingen, sich daran weideten. Klaus Tredrup schaute zur Kimmung, wo der dunkel glühende Sonnenball einzutauchen schien. Mechanisch sah er auf seine Uhr. Die Mitternachtsstunde nahte … war da.

      Der Mann am Stern war aufgestanden, ging zur Kajüte und kam wieder herauf. Unter dem Arm trug er einen Apparat, einen leichten Kasten, wie es schien. Am Stern setzte er sich nieder, zog einen weiten Mantel um die Schultern. In dessen seidigem Glänze spielten die Lichter des Himmels. Er wandte sein Gesicht der Sonne zu und schaute lange hinein. Dann senkte er sein Haupt. Die Hände zogen den Mantel dichter zusammen, ergriffen etwas. Und wie der Bug sich hob und senkte, glänzte das in den matten Sonnenstrahlen.

      Tredrup stand still. Seine Hände umkrampften den Motorhebel. Seine Augen bohrten sich durch das Dämmerlicht zu dem Glitzernden hin.

      Ha … ein Tokschor? Er griff sich an die Stirn. Hatte er richtig gesehen? Ein Tokschor in jenes Mannes Händen? Ja! Er hatte richtig gesehen.

      Die schmalen Finger spielten an dem Knopf der Gebetsmühle. Die Augen starrten auf die Blätter in dem Gehäuse. Die Lippen bewegten sich, als wenn sie läsen … beteten … Tredrup starrte. Seine Hand fuhr zum Herzen. Was war das? Was sollte das? Sein Geist zwang sich zur stärksten Willenskraft. Seine Zähne schlugen aufeinander wie im Fieber.

      Und … dann … der da oben griff nach dem Apparat, nahm ihn zwischen die Knie. Sein Körper senkte sich darüber. Seine Hände legten sich an dessen Seiten. Sie bewegten Hebel.

      Schrauben … die Augen des Mannes gingen in die Ferne, als suchten sie eine Richtung im Süden, gingen wieder herunter zu jenem Apparat.

      Und dann … dann war es Tredrup, als führe ihm eine Hand über die Stirn, über die Augen … minutenlang. Und dann sah er wieder auf … und war auf einem Schiff … einem ganz anderen … einem ganz fremdartigen Schiff.

      Ein Schiff, eine Kogge, kam von Hamburg, der jungen, aufblühenden Siedlung an der Elbmündung. Vier Wochen schon waren sie unterwegs.

      Mit Rudern und Segeln hatten sie mit dem Nordost gerungen, bis sie um das Nordkap bei Skagen herum waren.

      Kostbare Last hatten sie an Bord. Fränkische Tuche … burgundische Weine … levantinische Spezereien, Tauschhandel damit zu treiben gegen die Güter des Ostens, die köstlichen Rauhwaren, den begehrten Bernstein … Und sie fuhren durch den Belt, wo Sturm den Sturm jagte …

      und beteten zu dem neuen Christengott, der ihnen gnädig war …

      Und sie kamen am Boskamp vorbei, wo noch heidnische Feuer rauchten. Und sie fuhren weiter, bis sie hinkamen zu dem Ziel der Fahrt, nach Jumneta, und die Anker fallen ließen.

      Da lag es an der äußersten Nordspitze der langen Insel, wo der westliche Oderarm das Meer erreicht. Von hohem Hügel her grüßte die wallumgürtete Wikingerfeste, die trutzige Jomsburg, zu ihren Füßen die reiche Slawenstadt Vineta.

      Und sie gingen an Land und staunten über die Größe und den Reichtum der Stadt. Slawen und Sachsen … Nordmänner und Franken …

      ein Gemisch aller Völker und Zungen.

      Ihre Augen konnten sich nicht satt sehen an den Herrlichkeiten der Meerkönigin Vineta. An die zwei Wochen blieben sie hier und tauschten ihre Waren gegen die Erzeugnisse des Ostens. Und dann lichteten sie wieder die Anker und fuhren nach Westen.

      Noch hatten sie die letzten Spitzen der Türme in Sicht, da kam es von Norden herangefahren. Der alte Schiffsführer sah es beizeiten, so daß sie sich ducken konnten, verkriechen in den Buchten der Rugischen Küste. Sie sprangen an Land, schleppten die Kogge an den Strand, banden sie an Klippen und Bäumen fest.

      Kaum war es geschehen, da brauste es vom Norden heran. Die Welt wollte untergehen. Turmhoch schäumte das Meer unter Sturmesgewalt.

      Und dann … entsetzt starrten ihre Augen über die Landzunge nach Osten. Da kam es heran wie eine Mauer. Hoch getürmt wie eine Riesenwand kam das Meer, stürmte vorbei vor ihren Augen … raste nach Süden. Das Land da unten verschwand in wirbelndem Gischt.

      Darüber hinweg die kochende See! Noch einmal grüßten die Türme der Jomsburg … dann …

      Lastende Stille … und dann kam es zurückgefahren … mit schwächerer

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