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die Stämme unter den Schlägen der Äxte. Um die lodernden Feuer drängten die Soldaten ihre erstarrten Glieder.

      An vielen Stellen zerriß schon jetzt die Ordnung. Die kein Holz mehr fanden, verließen ihre Plätze und eilten zu den wärmeverheißenden Feuern. Die meisten, ohne sich um Ausrüstung und Waffen zu kümmern. Dicht aneinandergedrängt erwarteten sie den Morgen.

      Nach endloser Nacht verriet das Grau im Osten den kommenden Tag. Fast niedergebrannt waren die Feuer, verschwunden jeder Wald, soweit er erreichbar.

      Der neue Tag begann mit neuer Qual. Während die Hunderttausende vom Hochkommen des Tagesgestirns Erwärmung erhofften, nahm der Frost immer mehr zu.

      Nur widerwillig, ermattet bis auf den Tod, folgten die Truppen dem Signal zum Aufbruch … soweit sie noch zu folgen vermochten. Vergeblich wurde gar mancher angerufen … vergeblich gerüttelt … Die Toten erhoben sich nicht.

      Nur langsam kehrte das Leben in jene zurück, die noch die Glieder zu regen vermochten. Kaum konnten die Hände noch die schweren Waffen halten. In dichten Schneewolken fiel der Atem zu Boden. Wie Feuer brannte der kalte Stahl in den Händen.

      Schwerfällig setzten die gelichteten, kaum geordneten Kolonnen sich in Bewegung. Schon nach kurzer Zeit versagten die Kräfte von neuem. Bei geringen Unebenheiten des Bodens taumelten die Marschierenden, konnten sich nicht mehr aufrechthalten und stürzten nieder. Immer größer wurden die Haufen der Nachzügler, die nach der verscheidenden Glut der verlassenen Feuerstätten schwankten und sich dort niederwarfen … zur Ruhe … die meisten zur ewigen Ruhe.

      Um die Mittagsstunde war die Kälte so gestiegen, daß jeder Weitermarsch zur Unmöglichkeit wurde. Schon seit Stunden säumten die fortgeworfenen Waffen die breiten Heerstraßen. Die Hände der abgesessenen Berittenen vermochten nicht mehr die Zügel zu leiten. Führerlos zerstreuten sich die Tiere über die Ebene.

      Jetzt lösten sich die letzten Bande jeder Ordnung. Es bedurfte nicht mehr des Befehles, Holz aus den Wäldern zu holen und Feuer anzuzünden. Instinktmäßig strebten die Massen von der kahlen Straße fort zu den Gehölzen. An Ort und Stelle, dort, wo die erstarrten Arme noch einen Stamm zum Fallen brachten, entzündeten sie das Holz und drängten sich in wildem Kampf ums Leben an die rettende Wärme.

      Toghon-Khan ritt allein auf der verlassenen Heerstraße vorwärts. Niemand folgte ihm mehr. Die todbringende Kälte hatte alle Bande der Treue und des Gehorsams zerrissen.

      Mit gebeugtem Haupte ritt er vorwärts. Er sah nicht die Haufen Sterbender und Gestorbener zu beiden Seiten der Straße. Er sah nicht die weggeworfenen Waffen. Er sah nicht die steckengebliebenen Geschütze … auch nicht die brennenden Fahrzeuge und die irrenden Tiere.

      Der schneidende Wind zwang ihn, die Lider halb zu schließen. Die dunkle Glut seiner Augen war erloschen. In ihrem starren Blick lag nichts mehr von der Energie des Welteroberers, des Siegers … Es war der Blick eines Todgeweihten … eines Toten.

      Ein Surren in seinem Rücken brachte Bewegung in die eisigen Züge. Die Starrheit wich. Die Augen öffneten sich. Ein leichter Glanz belebte sie. Toghon zügelte sein Roß und hob die Hand.

      In gestreckten Spiralen sank das Flugschiff zu ihm nieder. Es war derselbe schnelle Kreuzer, der ihm die Meldung aus dem Ural gebracht hatte. Er hatte ihn nach rückwärts geschickt mit dem Befehl, schnellstens alle verfügbaren Dynothermmengen in Transportschiffen heranzubringen. Es hatte ihn, als er den Befehl gab, noch ein leises Fünkchen Hoffnung bewegt, mit Hilfe der wärmenden Kraft des Dynotherms den tückischen Anfall des Gegners zu parieren.

      Zwar war er sich über das Wie nicht klar. Aber er klammerte sich an diese … die letzte Hoffnung. Vielleicht, daß der wärmespendende Stoff, längs der Heerstraße ausgestreut, die Kälte so weit paralysierte, daß ein Weitermarsch möglich war … Aber was wußte der Mongolenfeldherr von der unangreifbaren Gewalt seiner Gegner?

      Das Flugschiff stand neben ihm. Neubelebt glitt er vom Pferd und sprang in das Schiff. Automatisch schlug hinter ihm die Tür ins Schloß. Die wohlige Wärme, die ihn hier umgab, wollte ihm im ersten Moment den Atem rauben. Zu groß war der Gegensatz zwischen dem tobbringenden Frost da draußen und der belebenden Temperatur hier drinnen.

      Er sank in einen Sessel. Endlich rang sich die Frage von seinen Lippen:

      »Ist der Befehl ausgeführt?«

      »Er ist ausgeführt, Hoheit. Die Schiffe sind auf dem Wege.«

      »Wie weit sind sie?«

      »Vor morgen werden sie nicht hier sein können.«

      Mit einem Sprung stand Toghon-Khan vor dem Sprechenden.

      »Morgen? … Morgen! … Heute noch müssen sie hier sein!«

      Der Angeredete erblaßte vor den wutblitzenden Augen des Regenten. Nur stotternd kamen die Worte seiner Antwort.

      »Zu lang … zu lang ist der Weg … Hoheit … Die Arbeit der Schiffe, Dynotherm zu streuen, muß schon weit hinten an der Ostgrenze der Dsungarei beginnen …«

      Die Zähne des Regenten gruben sich tief in seine Lippen.

      So weit … reichte die Hand des Feindes?

      »Die Hälfte muß es dort tun! Die anderen Schiffe sofort nach vorn! … Bevor die Dämmerung kommt, müssen sie hier sein! … Geben Sie telegraphischen Befehl. Unser Schiff mit voller Kraft nach vorn zum Saisan-Nor! … Mittelhöhe!«

      Langsam stieß das Schiff vom Boden ab. Vom Stern des Fahrzeuges aus sah der Regent auf die verlassene Straße. Kein lebendiges Wesen auf ihr. Nur sein Pferd, das treue Tier, stand regungslos mit erhobenem Haupte, dem wegziehenden Schiffe nachschauend. Durch die dichten Scheiben hindurch vermochte das Ohr des Regenten nicht das laute, klagende Wiehern zu hören. Sein Auge las es aus den bebenden Lippen des Tieres. Sein Auge blieb darauf geheftet, bis es seinen Blicken entschwand … Die letzte Treue, die sich ihm zeigte.

      Mit schweren Schritten drehte er sich um und trat an den Bug des Kreuzers. Der hatte jetzt Höhe gewonnen und schoß in schneller Fahrt vorwärts. Das Auge des Regenten haftete am Außenthermometer. Mit düsterem Gesicht verfolgte er das langsame, aber unaufhörliche Fallen des Zeigers.

      40 Grad … 40 Grad unter Null! … So stand der Zeiger, als er ihn das erstemal betrachtete … Jetzt war er schon auf 46 gesunken. Kilometer auf Kilometer stieß das Schiff nach vorn … und mit jedem Kilometer fiel der Zeiger.

      Schon lag in nebliger Ferne der Kessel des Saisan-Nor. Sprunghaft fiel jetzt der Zeiger. Vom langen Hinstarren schwammen die Augen des Toghon-Khan. Mit diesem furchtbaren Sinken des Zeigers sank jede Hoffnung in ihm. Ohne zu denken … ohne zu fühlen, starrte er auf den Apparat.

      Ein schwerer Stoß, der das Schiff seitwärts traf, brachte ihn ins Wanken. Er packte den Fenstergriff und hielt sich aufrecht. Das Schiff lag schwer nach Backbord über. Er hörte wie durch Nebel, wie der Kommandant den Befehl gab, höher zu steigen. Er glaubte die Erschütterung der mit äußerster Kraft arbeitenden Triebschrauben zu spüren.

      Dann drehte das Schiff in neuem jähen Ruck ganz nach Backbord um.

      »Volle Kraft rückwärts!«

      Der Befehl des Kommandanten klang an sein Ohr.

      Er drehte sich um … und wollte … wollte den Befehl widerrufen. Sein Blick fiel auf die angstverzerrten Gesichter der Mannschaften. Zu spät!

      Das Schiff gehorchte nicht mehr … weder dem Steuer noch den Propellern. Wie ein Fetzen Papier vom Wirbel gegriffen, wurde es widerstandslos nach vorwärts gerissen.

      Wie in schwerer Dünung schwankte das ächzende Schiff. Bald wurde es tausend Meter in die Höhe gerissen, bald schoß es jäh in die Tiefe, als solle es an der Erdkruste zerschellen.

      Ein neues fremdartiges Geräusch übertönte das Tosen der Elemente. Starr standen die Insassen. Ihre Hände umklammerten krampfhaft jeden greifbaren Stützpunkt.

      Es klang wie das Prasseln von Schrot gegen Stahl. Es klang, als ob Millionen von Schrotkörnern gegen Stahlschaufeln geschleudert

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