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konnten riesige Einnahmen verzeichnen. Je näher die Stunde der Entscheidung kam, desto größer wurden die Einsätze, desto größer die Erregung über die Ungewißheit des Ausganges.

      Von 11 Uhr 30 Minuten an hatte es den Anschein, als würde es ein totes Rennen, so dicht standen die beiden Reiter im Bilde nebeneinander. Da, 11 Uhr 45 Minuten, fiel ganz unerwartet die Entscheidung. Mit einem gewaltigen Ruck schob sich der Rappe vor dem Schimmel durchs Ziel. Das Ziel war durch die Hälfte der gesamten Wählerzahl des Staates gegeben und in dieser bildlichen Darstellung durch einen leuchtenden Pfosten markiert. Wer es überschritt, mußte die absolute Majorität haben.

      Die Spannung der vieltausendköpfigen Zuschauermenge entlud sich zuerst in einem orkanartigen Gebrüll. Das lebhaftere Blut der Schwarzen machte sich in afrikanischer Urwaldweise Luft. Sie tanzten, sangen und verhöhnten die Gegner. Dazwischen mischten sich Choräle und laute Dankgebete von gläubigen schwarzen Seelen.

      Die Weißen blieben die Antwort auf die Herausforderung nicht schuldig. Auf Worte folgten Schläge. Hier im Zeitungsviertel blieb es bei einfachen Handgemengen. Im Hafenviertel kam es zu richtigen Straßenschlachten mit Verwundeten und Toten.

      Die wenigen, die noch weiter auf das Lichtspiel achtgaben, sahen, wie der Rappe gleich nach der Erreichung des Zieles stehengeblieben war, während der Schimmel noch weiter bis unmittelbar an das Ziel heran aufrückte. Bis in die späte Nacht hinein dauerten die Siegesorgien in der aufgeregten Stadt.

      Der Morgen des nächsten Tages brachte die Ernüchterung. Jetzt lagen die genauen offiziellen Zahlenergebnisse vor. Der Sieg Josua Bordens gründete sich nur auf eine äußerst geringe Mehrheit. Nahm man die offenkundigen Unregelmäßigkeiten des Wahlaktes dazu, so blieb kein Zweifel, daß der noch in der Nacht abgegangene Protest der Unterlegenen große Aussicht auf Erfolg hatte. Bei der aufs äußerste gereizten Stimmung des ganzen Landes konnte die Regierung, selbst wenn sie es gewollt hätte, gar nicht daran denken, diese Wahl zu bestätigen.

      Wenn sie trotzdem die Wahl nicht sofort kassierte, so lag es daran, daß die Vertreter der schwarzen Bevölkerung in eindringlichster, ja drohender Weise auf die ernsten Folgen einer Nichtbestätigung hinwiesen.

      Die Erregung hielt die Massen auf den Straßen. Wo immer Zeitungstelegramme zu lesen waren, wurden sie von Scharen Neugieriger umlagert. In den Außenvierteln erneuten sich die Schlägereien des vergangenen Tages. Aber waren sie gestern spontan entstanden, so zeigte sich jetzt ganz unverkennbar eine auf beiden Seiten vorhandene Organisation.

      Noch wilder wurden die Szenen, als in der Stunde des Geschäftsschlusses Schreckensnachrichten aus Afrika in die Menge platzten. Ihre Wirkung war am größten auf die Schwarzen.

      Aufstand der schwarzen Minenarbeiter im Randgebiet! … Aufstand der Schwarzen im Industriegebiet des Sambesi! … Neue Aufstände im nordafrikanischen Minengebiet! …

      Diese ersten lakonischen Alarmnachrichten wurden schnell durch ausführliche Meldungen vervollständigt.

      Im südafrikanischen Randgebiet war es zuerst losgegangen. Die schwarzen Grubenarbeiter hatten sich um einer geringfügigen Ursache willen zusammengerottet und die an Zahl schwächeren Weißen vertrieben oder erschlagen. Die aufständischen Haufen hatten erst einmal die Grubenanlagen demoliert. Dann waren sie in die nächsten kleineren Städte gezogen. Hier war es ihnen gelungen, die verhältnismäßig schwachen Polizeitruppen zu verjagen. Danach hatten sie dort eine wahre Schreckensherrschaft etabliert. Nur die Großstädte waren bisher von ihnen verschont geblieben, aber auch sie schienen bedroht.

      In Marokko hatte sich der vor kurzem ausgetretene Brand plötzlich wieder entfacht. Wie im Nu hatte das Feuer sich von jenen alten Punkten aus über das ganze nordafrikanische Minengebiet verbreitet. In Marokko, in Tunis, in Algier, überall, wo die europäische Industrie mit schwarzen Arbeitern die Bodenschätze förderte, loderte der Aufstand.

      Jede Stunde brachte neue Hiobsposten. Vernichtung von Gruben, von Fabriken … von gewaltigen, dort aufgestapelten Rohstoffmengen. Massendesertionen schwarzer Truppen … Übergang ganzer Regimenter zu den Aufständischen … Schwere Kämpfe mit den weißen Truppen, bei denen diese fast aufgerieben wurden.

      Die Feuer, die im Norden und Süden Afrikas aufloderten, schlugen im Sambesigebiet zusammen. Die großen Kraftwerke gesprengt! … Die Energiequelle für das ganze Industriegebiet verschüttet. Die riesigen Turbinen zerstört, in denen die zehn Millionen Pferdestärken der Sambesifälle zur Nutzarbeit gezwungen wurden. Eine gewaltige, den Europäern dienstbare Industrie auf unabsehbare Zeit lahmgelegt. Die geringe weiße Bevölkerung durch Massaker restlos aufgerieben.

      Den Telegrammen folgten ausführlichere Berichte. Sie ließen die Größe der Gefahr erst im vollen Umfange erkennen.

      Der Bericht über den Untergang der großen Sambesizentrale brachte grauenvolle Einzelheiten. Die Aufrührer waren nicht ohne Sachkunde vorgegangen. Zu sehr waren sie in die Technik der Weißen eingeweiht. Sie hatten das alte Mittel des Dynamits gegenüber Maschinen verschmäht, diese Sprengstoffe für die weißen Gegner reserviert.

      Durch die eigene Energie waren die Maschinen vernichtet worden. Die Aufrührer hatten einfach die Regulatoren festgebunden und die großen mit den Turbinen gekuppelten Stromerzeuger vom Netz abgeschaltet. Ihrer Last beraubt, infolge des Nichtarbeitens der Regulatoren der vollen Wasserzufuhr ausgesetzt, waren die fünfhunderttausendpferdigen Maschinenaggregate auf eine phantastische Tourenzahl gekommen und dann durch die Zentrifugalkraft in tausend Fetzen zerrissen worden.

      Erst danach hatten die Aufständischen zum Dynamit gegriffen. Wo dort oben an den Fällen die Wassermassen in Felskanälen gefaßt und abgeleitet wurden, hatten sie enorme Dynamitladungen mit Aufstoßzündern hineingeworfen. Wo immer eines dieser unheilschwangeren Pakete irgendwo anstieß, gingen Explosionen von zerstörender Gewalt los. So wurden die großen Maschinenhallen zu Trümmerhaufen, die in den Urfels gesprengten Druckwasserkanäle durch unendliche Geröllmassen verschlossen. Die Arbeit vieler Jahre war hier in einer Stunde zerstört.

      Auf die Kraftquellen folgten die Industriezentren. In sinnlosester Weise wurden hier die Arbeitsmöglichkeiten und Erwerbsquellen für Millionen auf Jahre hinaus … für immer … für Europa zerstört.

      Europa stand über Nacht da wie ein Fabrikbesitzer, dem eine wichtige Anlage unversichert bis auf die Fundamente niederbrennt.

      Wo die Weißen in fliegender Hast in Südafrika einen bewaffneten Widerstand organisierten, wurden sie von den übermächtigen, wohlausgerüsteten schwarzen Massen überwältigt und niedergemacht. Einzelheiten von bestialischer Scheußlichkeit fehlten auch hier nicht.

      Die Nachrichten aus Europa gaben wenig Trost. Anscheinend stand man dort den Ereignissen ratlos gegenüber.

      Wo immer auf der Welt der Weiße seine Herrschaft aufgerichtet, schien sie zu wanken. Für das in dieser Frage besonders interessierte Amerika wären diese Nachrichten mehr als hinreichend übel gewesen. Der Abend des gleichen Tages brachte eine Kunde, deren Auswirkungen hier in den Staaten noch schlimmer werden sollten.

      Die Regierung in Washington versagte der Wahl von Josua Borden zum Gouverneur des Staates Louisiana die Bestätigung. Als Grund gab sie an, daß die sicher nachgewiesenen Ungesetzlichkeiten beim Wahlvorgange kein klares Bild über die wirkliche Volksmeinung ergaben.

      Wenn auch die Regierung es klugerweise vermieden hatte, sich auf jene so viel angefeindete Bill zu stützen, so war es doch der weißen Bevölkerung sofort klar, daß die Gegenpartei den Regierungsbescheid trotzdem auf die Bill hindrehen würde. Wie befürchtet, geschah es. Kaum war der Bescheid bekannt, als im ganzen Gebiete der Union eine maßlose Agitation gegen die Regierung und gegen die Weißen ausbrach. In den Teilen der Union, in denen die farbige Bevölkerung sehr stark war, kam es schnell zu Gewalttätigkeiten.

      Noch in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli wurden in New Orleans alle Regierungsgebäude von farbigen Kräften besetzt. Im Morgengrauen befand sich die Stadt in den Händen einer schnell errichteten provisorischen Regierung. Die letzten Flugschiffe, die New Orleans mit weißen Flüchtlingen in der Richtung nach Norden oder Nordosten verließen, überflogen die Zonen schwerer Kämpfe zwischen Weißen und Farbigen.

      *

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