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beschlagnahmt, und es bestand wenig Hoffnung, sie freizubekommen.

      Jetzt, nachdem die Gefangenen dem Arm der chinesischen Machthaber entronnen waren, beeilte man sich, das gewalttätige illegale Verfahren in ein gesetzmäßiges zu verwandeln. Ein regelrechter Prozeß wegen Landesverrates wurde gegen Witthusen eingeleitet. Bis er beendet, konnten Jahre vergehen.

      Die Sorge um seinen Besitz und um die Zukunft Marias trübte den Blick Witthusens. So waren ihm die feinen Fäden entgangen, die sich zwischen Isenbrandt und Maria woben. Am Ende eines arbeitsreichen Lebens sah er sich als Bettler, und der Gedanke an die Zukunft ließ ihn die Freude über die Rettung aus der Gefangenschaft manchmal vergessen. Auch jetzt hatte er wieder einmal seinen Sorgen Luft gemacht und halb im Scherz und halb im Ernst für Marias Zukunft ein wenig rosiges Prognostikum gegeben. Da hatten die beiden einander lächelnd in die Augen gesehen, bis ein Zucken um Marias Lippen spielte, bis ein leichter Schleier sich vor ihre Augen legte. Klopfenden Herzens war sie aufgesprungen und in das Haus geeilt. Wie gebannt hing der Blick Isenbrandts an der Tür, durch die sie geschritten war.

      »Daß ich von Mr. Cameron so furchtbar getäuscht worden bin, kann ich immer noch nicht verwinden«, fuhr Witthusen fort. »Wäre er nicht gewesen, würde ich mein Haus in Kaschgar schleunigst liquidiert und mich mit dem Erlös rechtzeitig in Sicherheit gebracht haben. Zu spät muß ich einsehen, daß das ganze lächerliche Verfahren gegen mich nur auf die Intrigen dieses Menschen zurückzuführen ist.

      Ich kenne ihn nun schon seit vielen Jahren und habe ihn stets für einen Gentleman gehalten. Ich kannte seine Geschichte, und ein gewisses Mitleid mit seinem harten Geschick ließ den Verkehr mit ihm enger werden. Er hat in den ersten Jahren unserer Bekanntschaft häufig von seinem Prozeß um die englische Lordschaft erzählt. Seine Verbitterung war mir durchaus verständlich, und ich machte ihm keinen Hehl aus meinen Sympathien. Daß er aber in seinem Haß gegen die weiße Rasse so weit gehen könnte, als Agent der chinesischen Regierung tätig zu sein, hätte ich niemals für möglich gehalten.«

      »Die Engländer waren durchaus im Recht, als sie die Erbschaft Lowdale dem reinrassigen Erben zusprachen.«

      Eine gewisse Schärfe lag in der Erwiderung Isenbrandts, und in der gleichen Tonart fuhr er fort: »Es war falsch und leichtsinnig gehandelt, wenn früher unsere Propheten aller Welt die Gleichberechtigung versprachen. Überall auf der Erde rufen jetzt die schwarzen, braunen, die gelben Rassen nach Freiheit. Freiheit für alle Farben des Spektrums … Wehe uns, wenn wir ihnen entgegenkommen! Um unsere Herrschaft und um unser Dasein wäre es bald geschehen. Sie mögen Kultur und Religion von uns annehmen. Trotzdem bleiben sie, was sie sind: der bekehrte Chinese – Chinese, der bekehrte Schwarze – Afrikaner.

      Betrachten Sie die Verhältnisse in Amerika. Sie sind jetzt so weit gediehen, daß es sich für die Weißen um Sein und Nichtsein handelt. Die ewigen Kompromisse haben aufgehört. Die Ereignisse der nächsten Zeit werden zeigen, wer weichen muß.

      Auch die Gemischtrassigen gehören nicht zu uns. Das hat schon vor 150 Jahren der Graf Gobineau klar erkannt, als er sagte, daß infolge der Rassenmischung nicht nur die Vorzüge, sondern auch die Fehler an Stärke einbüßen. Die Schwierigkeit, das Ganze in Einklang zu bringen, erzeugt Anarchie, und je mehr diese Anarchie zunimmt, desto mehr büßt die beste, reichste, glücklichste Zufuhr an Wert ein.

      Wenn also die Mischungen innerhalb einer gewissen Grenze für die Masse der Menschheit günstig sind, sie heben und veredeln, so geschieht dies doch nur auf Kosten dieser Menschheit selbst, da sie sie in ihren edelsten Elementen herabdrücken, entkräften, erniedrigen, entgipfeln.

      Darum ist es unsere vornehmste Aufgabe, unsere Rasse reinzuhalten. Nur die reine weiße Rasse kann die Aufgabe erfüllen, die sie zu erfüllen hat.«

      »Sie haben recht, Herr Isenbrandt. Und doch kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, daß einstmals die Zeit kommen wird, wo der Glaube an das Evangelium von der Überlegenheit der weißen Rasse schwindet, wo wir anderen, kräftigeren Rassen weichen müssen. Nicht immer wird Europa die Burg der weißen Rasse bleiben. Die ewige Kleinstaaterei verzehrt zu viel von ihren Kräften.

      Ich kenne China seit einem Menschenalter. Der Aufschwung der letzten Jahrzehnte wird anhalten. Die durchaus konservative Gesinnung der Chinesen hindert ihn nicht, sie fördert ihn. Trotzdem China als Industriestaat noch jung ist, ist es an wirtschaftlicher Organisation schon sehr weit entwickelt. Soziale Fragen existieren fast nicht. Trotz seiner ungeheuren Ausdehnung ist von einem Ende des Reiches bis zum anderen bei der eingeborenen Rasse ein und dasselbe Verständnis für die Kultur verbreitet, die es besitzt. Vergleiche ich seine Jahrtausende alte Zivilisation mit der europäischen, so kommt mir die letztere vor wie eines jener auf Zeit auftauchenden Eilande, welche die Gewalt unterseeischer Vulkane über den Meeresspiegel emporgehoben hat. Der zerstörenden Einwirkung der Strömungen preisgegeben und von den Kräften, die sie zuerst gehalten, verlassen, geben sie eines Tages nach, und ihre Trümmer versinken wieder in den siegreichen Fluten …«

      »Alles ist im Fließen, alles in der Entwicklung, Herr Witthusen. Einmal wird die Bürde des weißen Mannes von seinen Schultern genommen werden, und ein stärkerer … vielleicht ein Schwarzer … vielleicht ein Gelber wird sie auf sich nehmen. Aber der Tag liegt in grauer Ferne. Noch sind die Kräfte der weißen Rasse nicht verbraucht. Die Gefahren, die ihr drohen, werden ein Jungbrunnen für sie sein.

      Große Taten, größer als die Welt ahnt, harren ihrer, und der Kommandostab wird fester in ihrer Hand ruhen als je.

      Was Sie in Karakorum sahen … war nicht mein Werk … nicht in erster Linie … es war das Resultat der Geistesarbeit vieler weißer Intelligenzen vor mir und mit mir. Andere werden daran weiterarbeiten, andere werden neue Leistungen von noch viel größerer Tragweite vollbringen. Und sie werden in der Hand des weißen Mannes bleiben, der sie auswirken läßt zum Nutzen der Menschheit, zur Stärkung und Erhaltung der weißen Rasse! Der in die Spur des Dschingis-Khan treten wird, ist noch nicht gekommen!

      Doch lassen wir das, kommen wir zum Zweck meines heutigen Besuches zurück. Ich möchte Sie wiederholt bitten, Wierny zu verlassen und weiter im Westen, jenseit des Urals, einen Zufluchtsort zu suchen. Die Ereignisse der letzten Tage haben gezeigt, daß der Aufenthalt in Turkestan mit Gefahren verknüpft ist. Es könnte sein, daß der Kirgisenaufstand vom Ilidreieck aus neu geschürt und gestärkt wird. Die nahe Lage Wiernys zur Grenze dürfte bedenklich sein.«

      »Schon wieder den Wanderstab ergreifen?«

      Maria sprach es. Ungehört war sie aus dem Haus getreten und stand jetzt fragend vor ihm. Sie war in ein dunkles, hoch hinauf schließendes Hausgewand gekleidet, das ihre schlanke, ebenmäßige Gestalt vortrefflich hervortreten ließ. Eine müde Anmut lag über ihrem bleichen Gesicht, verhaltene Trauer klang aus ihren Worten.

      Ein Ruck ging durch Isenbrandts Körper. Als er sie so vor sich stehen sah, hätte er sie in seine Arme nehmen, sie an sich pressen mögen. Das Blut schoß ihm jach in das Gesicht. Mit Gewalt beherrschte er sich, zwang sich zu einem Lächeln.

      »Der Wanderstab ist nicht vonnöten, Maria Feodorowna. Mein Flugschiff bringt Sie nach Orenburg.«

      … Orenburg … Sein geistiges Auge sah in schnellen Bildern noch einmal die Szenen ihres ersten Zusammentreffens.

      »Von Orenburg bringt Sie das Postschiff sicher nach Odessa oder Moskau.«

      Witthusen fiel ihm ins Wort: »Nun, dann mag die Reise auch noch ein paar tausend Kilometer weiter gehen. Dann fahren wir weiter nach Deutschland, der Heimat unserer Ahnen. Ich habe noch Guthaben dort auszustehen, die uns einen längeren Aufenthalt gestatten. Einmal wird ja doch der Tag kommen, wo hier wieder Ruhe und Frieden herrschen, wo wir ungefährdet zurückkehren werden.«

      »Er wird kommen … bald!«

      »Sie sagen das mit solcher Zuversicht, Herr Isenbrandt?«

      »Bald … bald kommt der Tag!«

      Georg Isenbrandt sagte es lächelnd. Aber es war ein rätselhaftes Lächeln, das nur den Mund bewegte. In den Augen darüber stand etwas anderes, grau, eiskalt, unbewegt.

      Er wandte sich zu Maria und reichte ihr die Hand.

      »So

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