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durch den Schmutz gezogen. Die besseren weißen Zeitungen begannen bereits mit der Jeffersonbill zu arbeiten. Sie wiesen darauf hin, daß das Zentralparlament niemals die Bestätigung eines schwarzen Gouverneurs aussprechen würde, und suchten auf diese Weise Entmutigung in die Reihen der Gegner zu tragen.

      In den Versammlungslokalen waren die Gemüter schon sehr heftig aufeinandergeprallt, und es war dabei nicht nur mit geistigen Waffen gekämpft worden. Auf der Straße hatten sich die Versammlungsdebatten häufig in einer Weise weiterentwickelt, daß die Polizei eingreifen mußte. Dabei waren Verwundete und Tote auf dem Platze geblieben. Vergeblich versuchte man von Washington aus die Leidenschaften zu dämpfen. Sah man doch, wie die öffentliche Meinung in allen Staaten der Union in lebhaftester Weise Partei ergriff.

      Im großen Saale der City hall von New Orleans sprach Josuah Borden. Die Versammlung war in erster Linie einberufen, um die noch schwankenden Halfcastwähler zu bearbeiten. Der riesige Raum war bis auf den letzten Platz gefüllt.

      An einer bevorzugten Stelle innerhalb des Komitees saß Collin Cameron. Die glänzende Rede Josuah Bordens, die häufig von lebhaften Beifallsbezeigungen unterbrochen wurde, ging wirkungslos an seinem Ohr vorüber, das durch die vielen Reden dieses Wahlkampfes schon abgestumpft war.

      Seine Gedanken weilten in Karakorum. Bevor er, dem Befehl des Regenten folgend, nach den Staaten flog, war er nach der Ruinenstadt gegangen, um da reinen Tisch zu machen. Jenes letzte Zusammentreffen mit Maria Witthusen in Urga hatte ihn derart aus dem Gleichgewicht gebracht, daß er so oder so eine Entscheidung erzwingen wollte. Er sah nur noch zwei Wege. Mit Maria zu leben oder ohne sie zugrunde zu gehen. Er war innerlich bereit, seine ganze Vergangenheit abzuwerfen, an der Seite Marias ein neues Leben zu beginnen. Glückte ihm das … ließ sich Maria dazu bereitfinden, dann wollte er auch dem Journalisten das Leben schenken.

      In dieser Stimmung war er nach Karakorum gekommen … und fand einen Kirchhof in der Wüste. Mit gesträubtem Haar sah er das schaurige Bild einer unerklärlichen Katastrophe.

      Hartgebrannt die Reste der alten Lehmmauern. Jedes Holz … jeder Baum verascht … jedes Leben erloschen. Hier und da stieß sein Fuß auf den Wegen gegen weißgeglühte Knochen. Auch innerhalb der Mauertrümmer nur verbrannte Knochenreste.

      Von seinen Gefangenen keine Spur! Waren sie mitverbrannt? Oder waren sie entkommen, bevor die Katastrophe eintrat?

      Katastrophe? … Was war das für ein furchtbares Ereignis gewesen? … Es lebte niemand, der ihm hätte Auskunft geben können. Eine Feuersbrunst von ungeheuerer Gewalt mußte gewütet haben.

      Aber was war denn Brennbares da? Das wenige Holz konnte eine derartige Hitze nie entwickeln.

      Irgendwie mußte es von außen gekommen sein. Ein Erdbeben mit feurigem Ausbruch? … Nein! … Das hätte die Ruinen umstürzen … andere Spuren hinterlassen müssen.

      Wie konnte es sonst geschehen sein? Ein Naturereignis? Kaum denkbar!

      Menschenwerk? … Seit dem Anblick jener Ruinen lebte ein Verdacht in ihm. Er konnte ihn nicht begründen und wurde ihn doch nicht wieder los. Der war noch stärker geworden, als Collin Cameron in Frisko von Johnson erfuhr, daß dort sein alter Unterschlupf, die Opiumhöhle, auf eine ganz rätselhafte Weise ein Raub der Flammen geworden sei.

      Kaum ein Mensch auf der gelben Seite war so hinter die Geheimnisse Isenbrandts gekommen wie er. Faßte er alles zusammen, so drängte sich ihm immer wieder der Schluß auf: Ein Werk Isenbrandts mußte die Katastrophe gewesen sein.

      Er kämpfte dagegen. Er sträubte sich gegen die immer zwingender werdende Erkenntnis. Gut, daß der Wahltag nahe war und damit die Entscheidung. Viel länger hätten seine Nerven diese Spannung nicht ertragen.

      Eine Stimme, so schneidend und scharf, wie er sie nur einmal gehört, riß ihn aus seinem Sinnen. Er stützte die Hände auf den Tisch, an dem er saß, und starrte auf die Tribünen. Dann sank er zurück und legte die Hand auf die Augen. Noch einmal ließ er sie fallen und schaute auf.

      Es war kein Zweifel. Da stand er, der Journalist Fox, den er tot geglaubt, dem er den Tod gewünscht hatte. Der Freund Isenbrandts. Auf der Rednertribüne stand er und sprach als erster Diskussionsredner gegen Josuah Borden.

      Collin Cameron hörte nicht auf die klugen, klingenden Worte, mit denen Wellington Fox jetzt dem Redner des Tages in die Parade fuhr. Er sah nur die verhaßte Gestalt seines Feindes.

      Seine Gedanken überstürzten sich. Wie kam Fox hierher? … Wo war Maria? … Wer hatte die Gefangenen befreit und gerettet?

      Mit haßverzerrten Mienen starrte er auf die festen, gesunden Züge seines Gegners. In dieser Sekunde wurde sein Verdacht zur Gewißheit.

      Er senkte den Kopf, als habe ihn ein schwerer Schlag getroffen. Die Pläne des Regenten … die schwarze Sache … Maria … alles, wofür er gekämpft hatte, schien ihm bedroht … verloren.

      Dann straffte er sich. Eine maßlose Wut tobte in ihm. Mit einem kurzen Augenblinken rief er den Führer des schwarzen Schutztrupps zu sich. Ein paar leise geflüsterte Worte.

      Ihre Wirkung zeigte sich bald. Bei der nächsten scharfen Wendung, die Wellington Fox gebrauchte, brach der Gegensturm los. Johlende und schreiende Protestrufe erschollen von allen Seiten. Eine Masse Schwarzer ballte sich plötzlich um die Rednertribüne zusammen. Es war klar: Man wollte den Redner mit Gewalt von der Tribüne reißen.

      Noch sprach Wellington Fox unbeirrt weiter, obschon seine Worte kaum noch von den Nächsten gehört wurden. Ein Trinkglas, das dicht an seinem Kopf vorbeiflog, gab das Signal zum allgemeinen Angriff.

      Der Redner war in höchster Gefahr. Da brach plötzlich aus einer anderen Ecke ein Keil … ein weißer Stoßtrupp durch. Noch ehe die Schwarzen an ihn herankonnten, war Wellington Fox von sehnigen, kräftigen Gestalten umringt, die alle das Abzeichen des Weißen Ordens trugen.

      Minutenlang preßten die Parteien gegeneinander. Von beiden Seiten flogen wüste Schimpfreden. Wer würde mit Tätlichkeiten beginnen?

      Collin Cameron hatte sich halb bewußt von der Strömung mitreißen lassen. Nur wenige Schritte trennten ihn von seinem Gegner. Die Hände der beiden Männer waren in der drängenden und wogenden Masse festgepreßt. Das Auge Wellington Fox’ zeigte keine Überraschung. Er hielt den Wutblicken Collin Camerons mit lächelndem Gleichmut stand. In diesem Moment gelang es der Versammlungsleitung, rechts und links Saaltüren zu öffnen und die feindlichen Parteien langsam auseinanderzudrängen.

      Kaum fühlte Wellington Fox die Hände frei, als er Collin Cameron höchst vergnüglich zuwinkte.

      »Auf Wiedersehen ein andermal, Mr. Cameron. Die Gelegenheit war diesmal nicht günstig, um Ihnen von Karakorum und seinen Gästen zu erzählen. Ihre zweifellos berechtigte Neugierde wird bald befriedigt werden …«

      Schon wurde die Entfernung zwischen den Gegnern größer, aber Wellington Fox verfügte über genügende Stimmkraft.

      »… Allen Beteiligten geht es außerordentlich wohl … Die Rechnung wird beglichen werden … Wir wissen alle, was wir Ihnen schuldig sind …«

      Einen Augenblick war Collin Cameron in starker Versuchung, eine Kugel in den lachenden Mund zu schicken. Er bezwang sich. Seine Lippen blieben geschlossen. Mit einem Blick voll Haß und Rachsucht wandte er sich ab.

      *

      Vom Pamir bis zum Altai und westwärts bis zum Uralgebirge brach es fast gleichzeitig los. Die alten Herren des Landes, die Kirgisen, rüttelten an ihrem Joch. Verdrängt von den alten Stätten ihrer Kultur, verdrängt von dem Lande und den Weiden ihrer Vorfahren, hatten sie, seit das Siedlungswerk bestand, teils den Siedlern als Unfreie gedient, teils waren sie in unzugängliche, unwirtliche Gegenden entwichen, wo sie ein freies, aber erbärmliches Dasein führten.

      Vom Osten war der Ruf zu ihnen gedrungen. Heischend und versprechend. In jahrelanger Arbeit hatte die geheime Irredenta die Saat reifen lassen.

      Jetzt stürmten sie los … berauscht vom Drange, ihr Geschick zu bessern … ihre alte Freiheit wiederzugewinnen … Die Fremden zu verjagen. Hoffend auch

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