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trauern und weinen … und klagen.«

      Lautlos neigten die Generale die Häupter. Der Regent fuhr fort:

      »Die wenigen Bösen, sie dürfen die Trauer der Guten nicht stören. Ihre Zunge muß verstummen. Ihre Hände müssen daniedergehalten werden … Habt ihr dafür gesorgt?«

      Sein Blick glitt prüfend über die Versammelten.

      »Es ist geschehen!« kam die Antwort.

      »So sind unsere Hände frei, um das große Werk, das der Kubelai-Khan begann, zu vollenden?«

      »Sie sind es!«

      »Das Schiedsgericht über das Ilidreieck hat gegen uns entschieden! … Heute nacht kam die Nachricht zu meinen Händen. Daß es so kommen würde, wußtet ihr alle. Ein teures Glied des Reiches, ein Land unserer Stammesgenossen, umstritten in tausend Kämpfen, soll von uns gerissen werden. Wir werden das nicht dulden!«

      Er machte eine Pause und blickte in die Runde. Nur das Funkeln der Augen verriet ihm die Bewegung, die in allen lebte.

      Der Regent fuhr fort:

      »Die Antwort an Europa, in der wir dem Schiedsgericht die Anerkennung verweigern, liegt bereit. Wir könnten es darauf ankommen lassen, ob sie es wagen, sich ihre Beute mit Gewalt zu holen. Ich bezweifle es sehr. Die Kompagnietruppen wären zu schwach. Die Russen allein denken nicht daran … und das vereinigte Europa?«

      Ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen.

      »Der große Kaiser tat diese Frage stets mit einer Handbewegung ab. Er, der das Ziel seines Lebens darin sah, alle verstreuten Kinder der gemeinsamen mongolischen Mutter zu vereinen.

      Seine Pläne waren zur Entscheidung reif, als ihn die Kugel traf. Als er auf seinem Sterbebett lag und um die Zukunft des Himmlischen Reiches bangte, da suchte er nach einem, der stark genug wäre, sein Werk zu vollbringen. Und er sprach mit mir … und er gab mir den Ring … und ich schwur ihm, das Werk zu tun.

      Die Zeit ist gekommen! Morgen fällt die Entscheidung in Amerika. Sie wird das Signal sein für den Kampf aller Rassen gegen die Weißen. Wir stehen nicht allein.

      Die Europäer haben es gewagt, uns eine Drohnote zu schicken, weil Brüder von uns den um ihre letzten Lebensmöglichkeiten kämpfenden Kirgisen zu Hilfe geeilt sind. Ich habe ihnen geantwortet, daß das Unrecht auf ihrer Seite liegt, und meinerseits gedroht, auf die Seite der Unterdrückten zu treten, wenn die grausamen Verfolgungen nicht sofort aufhören. Als Antwort hat man gestern über zweihundert dieser Freiheitskämpfer an der Grenze des Kuldschagebietes erschossen. Neuer Hohn zu altem Hohn!

      Unsere Geduld ist erschöpft! Wir werden marschieren!«

      Unbewegt, ohne das geringste Mienenspiel hatten die Generale den Worten des Regenten gelauscht, hatten jede Regung, jede Bewegung unterdrückt.

      Die letzten Worte »Wir marschieren!« zerbrachen alle diese Bande einer gekünstelten Ruhe.

      Laute Rufe der Zustimmung schallten dem Regenten entgegen. Im Nu war er umringt.

      »Du bist Toghon, der große Diener des Kaisers … der Vollbringer seiner Pläne … wir folgen dir, wohin du uns führst … wir gehen, wohin du uns zu gehen befiehlst …«

      Ein unmerkliches Lächeln ging über die Züge des Regenten. Der erste Schritt war gelungen. Der Ring an seiner Linken regte sich. Er würde am Tage des Sieges an die Rechte gleiten.

      Der Regent wartete still, bis wieder Ruhe im Saale herrschte. Dann sprach er weiter:

      »Unsere schwarzen Bundesgenossen werden Kräfte und Mittel unserer Feinde fesseln. Europa wird reichlich in Afrika zu tun bekommen. Die amerikanische Industrie wird in den nächsten Wochen ruhen … die russische ein Ziel unserer Luftkräfte sein. Das winzige Europa wird gegen Asien allein stehen. Wer kann da am Siege zweifeln?«

      Die siegesfunkelnden Augen der Generale gaben ihm Antwort.

      »Morgen wird Europa eine Botschaft übergeben, die alles Gebiet bis zum Aral und Ural für unser Land erklärt!«

      Einen Augenblick war es still. Die Größe des Planes ließ die Hörer erstarren. Dann brachen sie los. Sie drängten sich um ihn. Sie knieten vor ihm. Sie küßten sein Gewand und seine Hände.

      Mit geschlossenen Augen stand Toghon-Khan, berauscht von dem Gedanken an den Glanz der Zukunft. Dann schritt er zum Tisch und griff einen Stoß der Papiere.

      Es waren die Operationsbefehle. Mit kurzen, knappen Worten gab er jedem seine Befehle. In zwei gewaltigen Heeressäulen sollte die gelbe Macht durch das Ilital und die dsungarische Pforte in das Siedlerland einbrechen, während eine dritte nach Norden in Sibirien einfiel, um das russische Industriegebiet am Altai abzuschnüren.

      Dann zog er sie vor die Karten, erläuterte ihnen die Stellungen der Nadelfähnchen, zeigte ihnen alle Stellungen und Schwächen der Gegner, bis jeder seine Aufgabe genau erkannt.

      Der große Plan war in seinen Grundzügen von einer klassischen Einfachheit. Die komplizierten Details zu seiner Ausführung waren bis aufs kleinste vom Generalstab ausgearbeitet.

      »Jetzt kennen Sie Ihre Aufgaben und Befehle. Die Stäbe werden das Weitere veranlassen, übermorgen, am 8. Juli, stehen Sie in Feindesland.«

      *

      In den Morgenstunden des 6. Juli hatte der Wahlkampf in Louisiana begonnen. Je weiter der Tag fortschritt, desto größer wurde die Erregung. Noch niemals seit dem Bestehen der Union hatte eine Wahl die Gemüter so aufgepeitscht und in Spannung versetzt wie diese.

      Immer dichter stauten sich die Massen vor den Wahllokalen. Von allen Seiten wurden die neu Ankommenden von den Werbern der beiden Parteien umringt und bearbeitet.

      In den Lokalen selbst häuften sich die Zwischenfälle und Proteste. Hundertmal kam es vor, daß Wähler mit falschen Legitimationen zurückgewiesen wurden. Aber Tausende von Malen mochte die Täuschung geglückt sein.

      Grotesk komisch waren teilweise die Wege, auf denen die Legitimationen ihre Besitzer gewechselt hatten. Daß sehr viele längst Verstorbene persönlich an der Wahlurne erschienen, war noch das wenigste. Viele andere lagen zwar nicht unter der Erde, aber in irgendwelchen Kneipen bewußtlos unter den Tischen, nachdem sie vorher freiwillig oder auch nachher unfreiwillig ihren Rausch mit ihrer Legitimation bezahlt hatten.

      Auch zahlreiche Fälle, in denen die Wähler gewaltsam an der Ausübung ihres Wahlrechts verhindert waren, wurden bekannt. Wo es nicht gelingen wollte, sich der fremden Legitimationen für die eigenen Zwecke zu bemächtigen, waren Wähler kurzerhand ihrer Freiheit beraubt worden.

      Alle diese Dinge waren in der politischen Geschichte der Union keineswegs neu. Aber sie traten diesmal mit einer Dreistigkeit und in solcher Zahl in die Erscheinung, daß das Wahlergebnis von vornherein die Anfechtung der unterliegenden Partei herausfordern mußte. Nur eine ungeheure Stimmenmehrheit für eine der beiden Parteien hätte dieser wirklich einen einwandfreien Sieg dokumentieren können.

      Als die sechste Abendstunde die Wahl abschloß, war ganz New Orleans auf den Beinen, um so bald als möglich etwas von den Ergebnissen des Wahlkampfes zu erfahren. In dem Zeitungsviertel stauten sich die Massen. Wie die Resultate aus den einzelnen Teilen des Staates einliefen, wurden sie in leuchtenden Darstellungen sofort zur allgemeinen Kenntnis gebracht.

      Als die elfte Stunde herannahte, unterschieden sich die Stimmenzahlen für den schwarzen und den weißen Kandidaten nur um wenige Hunderte, die wechselnd bald auf der einen, bald auf der anderen Seite mehr waren. Der Louisiana Advertiser hatte für seine Darstellung die Bilder zweier Barometer gewählt, in denen je eine weiße beziehungsweise schwarze Säule den jeweiligen Stand der Stimmenzahlen anzeigte. Der Mississippi Herald zeigte zwei galoppierende Rennreiter, die auf einem Schimmel beziehungsweise Rappen saßen. Diese Darstellung der mit voller Kraftentfaltung rennenden Tiere wirkte noch aufregender als die erstgenannte.

      Bald lagen die Pferde Hals an Hals, bald blieb das eine, bald das andere etwas zurück. Jeder Vorsprung wurde von den Anhängern mit tausendstimmigen Beifallsrufen quittiert,

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