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Stellen die Grenze überschritten. Das Ende Europas schien gekommen. Durch die schwarzen Aufstände in der ganzen Welt jeder anderen Hilfe beraubt, stand es allein dem gelben Riesenreiche gegenüber und mußte unterliegen.

      Schon in der Nacht zum 8. Juli waren gelbe Luftgeschwader weit vorgestoßen. Ihre Bomben hatten wichtige Anlagen des Siedlergebietes bis zum Ural hin zerstört. Bis in die Industrieanlagen des Ural waren sie vorgebrochen und hatten schwere Vernichtungen hinter sich zurückgelassen.

      Die Luftstreitkräfte der Weißen schienen zu schwach und zu machtlos zu sein, denn man hörte wenig oder gar nichts von Luftkämpfen. Man wußte wohl, daß das große russische Luftgeschwader die südsibirische Grenze verteidigte. Aber man hörte kein Wort von Angriffen nach jenem Ziele. Der gelbe Stoß ging glatt nach Westen. In der Luft schienen die Gelben in diesem Kampfe unwidersprochen die Oberhand zu haben. Mit Zagen erwartete man die ersten Nachrichten vom Zusammentreffen der Landstreitkräfte.

      Am Abend des 7. Juli saßen der General Bülow und Georg Isenbrandt in dessen Quartier in Wierny.

      Der General gab Bericht.

      »Der Übergang von Kaschgar ist für große Truppenmassen unpassierbar. Die Reste des Telekdammes sind zur Verteidigung ausgebaut, so gut es in der kurzen Zeit möglich war. Die Berge zu beiden Seiten sind von unserer Artillerie besetzt. Ein Durchbruch durch das Ilital ist unmöglich. Wenn keine Umgehung gelingt, hält diese Stellung, bis die Verstärkungen heran sind.

      Die dsungarische Pforte« – der General machte eine zweifelnde Bewegung –, »sie steht offen! Was auf unserer Seite dahinterliegt, ist auf dreihundert Kilometer geräumt. Die Russen haben weder Mann noch Schiff abgegeben.

      Die Kompagnieluftkräfte sind, wie Sie anordneten, in Wierny konzentriert. Abwehrmaßnahmen sind an den technisch wichtigen Stellen schnell organisiert worden, aber ich überschätze ihre Bedeutung nicht. Das Land ist gegen Luftangriffe so gut wie wehrlos. Die dsungarische Pforte steht offen. Dort ist der Weg auf dreihundert Kilometer frei.«

      Georg Isenbrandt nickte.

      »Gut … sehr gut … Herr General. Sie sagten dreihundert Kilometer … warum nicht noch etwas weiter?«

      »Weil dort die besten Aufnahmestellungen waren!«

      Georg Isenbrandt sann einen Augenblick.

      »Gut! Es wird auch so gehen. Das Orenburger Schiff ist gekommen?«

      Der General nickte.

      »Die Übernahme seiner Ladung wird in einer Stunde beendet sein … Herr General! Diese Luftflotte hält sich alarmbereit. Ich vermute, daß in drei Stunden die Zeit, ihren Auftrag auszuführen, für sie gekommen sein wird.«

      »Ich staune über die Genauigkeit Ihrer Nachrichten, Herr Isenbrandt!«

      Um Isenbrandts Lippen spielte ein dünnes Lächeln.

      »Gold wirkt auf beiden Seiten gut. Gegen Gift hilft nur Gegengift. Das ist eins alte Regel.«

      Er brach seine Rede jäh ab und wandte sich der Wand zu, wo plötzlich der automatische Funkenschreiber zu arbeiten begann. Seine Augen überflogen die Zeichen auf dem herausquellenden Papierstreifen.

      »Hallo! Die Gelben fliegen ab … schon? … Unsere Dispositionen ändern sich. Die Geschwader, die ihre Ladung genommen, fliegen sofort nach ihren Zielen!«

      Der General eilte in das Nebenzimmer. Durch seine Adjutanten ließ er die telephonischen Befehle hinausgeben. Dann kam er zurück.

      Georg Isenbrandt hatte inzwischen die Depesche zu Ende entziffert.

      »In der Morgendämmerung werden die chinesischen Landstreitkräfte die Grenze überschreiten. An der sibirischen Grenze nur mit schwachen Kräften. Der Hauptstoß dort erfolgt später.«

      General Bülow warf einen Blick auf die Karte.

      »Man möchte verzweifeln, wenn man daran denkt, daß die russischen Luftstreitkräfte dort im Norden unbeschäftigt stehen und hier bitter fehlen. Wieviel Siedlerblut und -gut wird uns diese russische Hartnäckigkeit kosten?

      Georg Isenbrandt hatte sich erhoben.

      »Herr General, ich gehe jetzt zu den Standplätzen unserer Flugschiffe. Sobald das letzte Geschwader von hier fort ist, fliege ich nach Norden zum Saisan-Nor. Wir treffen uns später in Semipalatinsk in Ihrem Hauptquartier.«

      *

      Am Abend des 7. Juli war Toghon-Khan in Khami angekommen. Hier liefen die Nachrichten von allen Stellen seiner Front ein.

      Georg Isenbrandt hatte seinen Plänen durch die Errichtung des Dammes von Telek ein schweres Hindernis entgegengesetzt. Wohl war es seinerzeit gelungen, den Damm durch die Hochwasserkatastrophe und die verräterische Sprengung zum größeren Teil zu zerstören. Aber auch die gewaltigen Reste des Riesenbauwerkes boten den vorstoßenden chinesischen Streitkräften noch ein schwer überwindliches Hindernis. Wenn die Kompagniekräfte ihrerseits eine plötzliche Schmelze in den Ilibergen verursachten, wenn die plötzlich zu Tal gehenden Wassermassen sich auch nur vor den Dammruinen stauten, war das Tal für jede größere Truppenmenge kaum passierbar. Die Gebirge des oberen Ilitales waren daher schon seit Wochen unter einer derartigen Bewachung durch gelbe Luftstreitkräfte, daß an ein Schmelzen in größerem Stile nicht gedacht werden konnte.

      Trotzdem war der Weg durch das untere Ilital außerordentlich erschwert. Nur wenn es gelang, die Kompagniestellungen an den Berglehnen zu umgehen, den Damm selbst zu nehmen und in seine Trümmer breite Durchfahrten einzusprengen, war die Passage für größere Heeresmassen möglich. An diese Aufgabe hatte der Regent seine besten Truppen aus den mongolischen Randgebirgen gesetzt. Von der Schnelligkeit, mit der hier der Vorstoß gelang, hing viel vom Erfolg des ganzen Krieges ab.

      Anscheinend viel einfacher gestaltete sich der Durchbruch im Irtyschtal. Durch seinen Nachrichtendienst hatte der Regent erfahren, daß die weißen Truppen jenes Tal beinahe bis Semipalatinsk hin geräumt hatten. Vergeblich hatte er mit seinem Stabe die Gründe für diese Bewegung zu erforschen gesucht. Er wußte zur Genüge, daß er an dem General von Bülow einen erfahrenen, verschlagenen Gegner hatte. Daß hinter dieser unerklärlichen Maßnahme eine Finte stecken müsse, sah er ein. Aber welche?

      Nur mit halbem Herzen schloß er sich der Ansicht seiner Generalstäbler an, die den Standpunkt vertraten, daß die Kompagniekräfte sich dorthin und auch noch weiter zurückziehen würden, bis starke europäische Truppen zu ihrer Aufnahme da wären. Seine Besorgnis war so groß, daß er noch in letzter Stunde große Teile der Nordarmee auf die dsungarische Pforte dirigierte. Weil aber die Eisenbahnen und sonstigen Verkehrsmittel schon durch die Transporte nach dem ersten Plane voll in Anspruch genommen waren, mußten diese zusätzlichen Streitkräfte in der Hauptsache marschieren.

      Im Laufe des 8. Juli kamen die Meldungen der gelben Luftstreitkräfte nach Khami. Vorflug ohne Widerstand!

      Der Regent vernahm es mit Verwunderung. Gerade an der Grenze hatte er den stärksten Widerstand der vorzüglichen Kompagniekräfte erwartet.

      Bombardements der Siedlungen!

      Er geriet in Unruhe. Wo steckten die Kompagniekräfte? Das kampflose Vordringen verstärkte sein Mißtrauen immer mehr …

      Wo konnte die Kompagnieflotte stecken?

      Die nächsten Meldungen brachten ihm Antwort. Eine Antwort, die freilich an Klarheit viel zu wünschen übrigließ.

      Kleine Geschwader weit verteilt, überall in der Dsungarei! Aus unsichtbaren Höhen stießen sie, wie gemeldet wurde, herab.

      Mit einem Gefühl der Erleichterung nahm der Regent die Meldungen auf. Die Entsendung vieler kleiner Geschwader schien darauf hinzudeuten, daß sie die Aufgabe hatten, den Anmarsch durch Bombenabwürfe zu stören. Die merkwürdige Tatsache, daß diese Geschwader allen Kämpfen fast ängstlich auswichen, mußte diese Auffassung bestärken.

      Er hatte genug Luftkräfte in der Reserve, um diesen verstreuten Kompagniegeschwadern entgegenzutreten. Jetzt endlich glaubte der Schanti, den gegnerischen Plan zu durchschauen. Zeit gewinnen!

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