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auch an uns.«

      »Er hat uns früh genug gewarnt … Du ließest dich durch Mr. Cameron beschwichtigen. Ich weiß nicht, Vater … ich kann dein großes Vertrauen in Mr. Cameron nicht teilen … sein ganzes Wesen … sein überfreundliches Benehmen stoßen mich ab.«

      »Ach, Kind, das sind unkontrollierbare Gefühle … Ich kenne ihn seit Jahren und habe nie Anlaß gehabt, an ihm zu zweifeln.«

      Er zog die Uhr.

      »Noch zwei Stunden … wie langsam die Zeiger schleichen! … Heute noch langsamer als sonst.«

      Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihr Gespräch. Sie glaubten, es wäre der Wärter, der ihnen um diese Zeit die Abendmahlzeit zu bringen pflegte.

      Collin Cameron stand vor ihnen.

      »Ah, Herr Cameron! … Wo kommen Sie her? … Bringen Sie Gutes?«

      Witthusen war aufgesprungen und reichte dem Besucher die Hand.

      »Soeben noch tat ich Ihnen unrecht. Wir sprachen von den Freunden, auf deren Beistand wir vergeblich hoffen … und darunter waren auch Sie.«

      »Auch ich … und was waren es sonst noch für Freunde?«

      »Oh, alle aus Kaschgar … Der russische Konsul … die Upharts … viele andere … auch sonst noch …«

      Er brach seine Rede jäh ab, unterdrückte die Namen Fox und Isenbrandt, die ihm schon auf der Zunge lagen. Eine Spur jenes Mißtrauens, das Maria vorhin geäußert, hatte sich ihm mitgeteilt.

      »Bringen Sie gute Nachricht?«

      »Wenn nicht heute, so doch bald! Ich freue mich, daß Sie mich unter Ihre Freunde zählen … Auch Ihnen, Fräulein Maria, meinen Dank, daß Sie meiner in Freundschaft gedacht haben.«

      Collin Cameron nahm auf dem Stuhle Witthusens am Schachtisch Platz.

      »Oh, Fräulein Maria, Ihr Spiel steht gut. Der arme König … ein Zug von Ihrer Hand, und er muß sich Ihnen ergeben.«

      Theodor Witthusen wiederholte seine Frage:

      »Bringen Sie gute Nachrichten, Herr Cameron?«

      »Gute Nachrichten? … Fräulein Maria …«

      Seine Augen versenkten sich brennend in diejenigen Marias.

      »Ich hoffe, daß es meinen guten Beziehungen bald gelingen wird, Ihre Freilassung durchzusetzen.«

      »Weshalb sind wir überhaupt gefangen?«

      Witthusen unterstützte und verstärkte die Frage Marias.

      »Wie konnte man es wagen, uns bei Nacht und Nebel wie Verbrecher aus unserem Hause zu holen und wegzuschleppen?«

      »Ich erfuhr Ihre Verhaftung leider erst am anderen Morgen … Konnte nicht sofort feststellen, wohin Sie gebracht worden waren. Mit vieler Mühe brachte ich heraus, daß Sie verdächtigt sind, mit Chinas Feinden in Verbindung zu stehen.«

      Witthusen fiel ihm erregt ins Wort.

      »Feinden? … Wer sind Chinas Feinde? … Mit wem liegt China im Krieg?«

      »China liegt im Krieg … freilich nicht im offenen, sondern im geheimen Krieg mit der E. S. C. Ihr Verkehr mit dem Ingenieur Isenbrandt hat Sie in den falschen Verdacht gebracht.«

      »Deshalb diese Gewalttat!« Marias kleine Faust schlug kräftig auf den Tisch … Ich kann es nicht glauben! Die gelben Spione arbeiten nicht so schlecht, daß sie aus einer flüchtigen Reisebekanntschaft eine Verschwörung machen.«

      »Und doch ist es so, Fräulein Maria … doch Geduld! Der Tag wird kommen, an dem Sie, gereinigt von allem Verdacht, in das alte Haus in Kaschgar zurückkehren können.«

      »Nach Kaschgar!«

      Maria erhob sich und warf mit einer brüsken Handbewegung die Schachfiguren durcheinander.

      »Nach Kaschgar? … Nie wieder kehre ich nach Kaschgar zurück! Verhaßt ist mir die Stadt. Verhaßt das Land, wo solche Gewalttat geschehen konnte!«

      »Oh, nicht doch, Fräulein Maria! Seien Sie nicht so schroff! … Beruhigen Sie sich! … Volle Genugtuung wird Ihnen gewährt werden.

      Ihr Heim in Kaschgar wartet auf Sie, so wie Sie es verlassen haben. Als ich Ihre Verhaftung erfuhr, ließ ich mir Vollmacht geben, über Ihr Eigentum zu wachen. Die Schlüssel des Hauses sind in meiner Hand. In Ihrem Stübchen steht alles, wie Sie es verlassen haben. Nichts entfernt … nichts gerückt! Der große Mandelbaum vor Ihrem Fenster steht wie alle Jahre um diese Zeit in einem Blütenmeer. Gedenken Sie der schönen Stunden, die Sie dort verbracht. Werfen Sie nicht alle erfreulichen Erinnerungen um eine Unerfreulichkeit von sich!

      Fast möchte ich bedauern, wenn Sie, nun wieder frei, statt nach Kaschgar zurückzukehren, das Land verlassen. Dann wäre auch mir Kaschgar verleidet. Wie öde würde es mir vorkommen, wenn ich Ihr verlassenes Haus dort sehen … Sie entbehren müßte …«

      »Nein! Maria hatte recht! Nie wieder kehren wir in das alte Haus nach Kaschgar zurück! Wer gibt uns Gewähr, daß wir nicht jederzeit auf irgendeinem unsinnigen Verdacht hin neue Leiden erdulden müssen?«

      Collin Cameron biß sich auf die Lippen. Unverwandt hatte er Maria mit den Augen verschlungen.

      »Wäre es nur das Haus? … Würde es auch so sein, wenn sie es mit einem anderen vertauschten, Fräulein Maria?«

      Er warf einen Seitenblick auf Witthusen, der am Fenster stand und in die Nacht hinausblickte. Auch Collin Cameron erhob sich jetzt und trat dicht an Maria heran.

      »Mit einem anderen?« fragte sie.

      »Ja, mit dem meinen!«

      Er hatte ihr die Worte ins Ohr geflüstert. Jetzt beugte er sich vor und suchte in der wachsenden Dämmerung den Eindruck seiner Worte aus ihren Zügen zu lesen.

      Einen Augenblick sah ihn Maria verständnislos an.

      »Unter Camerons Schutz wäre jeder geborgen.«

      »In Ihrem Haus? … Ich in Ihrem Hause?«

      »Als mein Weib!«

      Ein jäher Schreck zuckte über Marias Züge. Eine tiefe Blässe zog über ihre Wangen. Mechanisch wich sie vor Collin Cameron zurück.

      »Nie, Mr. Cameron!«

      »Oh, Fräulein Maria … lassen Sie unsere Worte ungesprochen sein! … Ich vergaß die Lage, in der Sie sich befinden. Verzeihen Sie mir! Es war töricht, von Liebe zu sprechen, wo es sich um die Freiheit handelt.«

      Er trat auf sie zu und versuchte ihre Hand zu fassen.

      »Verzeihen Sie mir, bitte, verzeihen Sie mir. Fräulein Maria. Nur um ein Kleines möchte ich Sie bitten. Lassen Sie mich nicht ohne jede Hoffnung von hier gehen. Sie wissen nicht, was Sie für mich und mein Leben bedeuten. In besseren Tagen werde ich wieder zu Ihnen kommen … Und wäre es dann nur Kaschgar … ich würde es verlassen … zur selben Stunde, zu der Sie es wünschten.«

      Witthusen trat vom Fenster zurück an die beiden heran. Maria drängte sich an ihn, schob ihren Arm unter den seinen.

      »Und wann denken Sie, Mr. Cameron, daß wir Urga verlassen … wieder frei sein dürften?«

      »Was an mir liegt, soll geschehen, um Ihnen die Freiheit zu verschaffen. Ich komme morgen nach Peking. Alle Verbindungen, die mir dort zur Verfügung stehen, werde ich für Sie ausnutzen. Wenn es das Glück will, bin ich in wenigen Tagen wieder hier und hoffe von Ihnen frohen Empfang … auch von Ihnen, Fräulein Maria.«

      Er ergriff ihre Hand und drückte einen Kuß darauf.

      Vater und Tochter waren wieder allein. Sie sprachen über den unerwarteten Besuch Camerons. Aber das Gespräch schlich mühselig dahin. Keiner zeigte die Freude, die der Besuch doch eigentlich machen mußte. Es blieb etwas Unausgesprochenes zwischen ihnen, das jede freudige Regung zurückhielt.

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