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Nachprüfung im Urteil zugrunde gelegt werden können; demgegenüber ist das Strafprozessrecht von der Untersuchungsmaxime (Inquisitionsmaxime) geprägt, nach welcher im Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft und in der (jedenfalls instanzgerichtlichen) Hauptverhandlung das Gericht grundsätzlich die materielle Wahrheit herauszufinden bemüht sein muss. Auch findet das Legalitätsprinzip des Strafverfahrens kein Pendant im Zivilverfahren, da niemand gezwungen ist, seine Ansprüche geltend zu machen. Obwohl in beiden Verfahrensordnungen die Konzentrationsmaxime und das Beschleunigungsgebot gelten, spielen im Strafverfahren grundsätzlich Präklusionsregeln eine viel geringere Rolle als im Zivilverfahren. Auch ist der – formal in beiden Verfahrensordnungen geltende – Mündlichkeitsgrundsatz insgesamt im Strafverfahren weniger eingeschränkt, da die Bezugnahme auf vorher wechselseitig zugestellte Schriftstücke im Zivilprozess gang und gäbe ist, im Strafverfahren dagegen keine Rolle spielt.

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1. Das Jugendstrafverfahren

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      Das Verfahrensrecht ist umfangmäßig der größte Teil des JGG. Nach den Regelungen über die Jugendgerichtsverfassung (§§ 33 ff. JGG) und über die Zuständigkeit der Jugendstrafgerichte (§§ 39 ff. JGG) werden in §§ 43 ff. JGG die Verfahrensbesonderheiten geregelt. Erwähnenswert, da prägend für das Jugendstrafrecht als Erziehungsstrafrecht, erscheint hier zunächst die Erweiterung der Einstellungsmöglichkeiten im Bereich des Ermittlungsverfahrens (sogenannte Diversion), wobei zwischen der staatsanwaltschaftlichen Diversion nach § 45 JGG und der richterlichen Diversion nach § 47 JGG unterschieden werden kann. Ziel ist hier, auf die negativen Sekundäreffekte nicht erst einer Bestrafung (im technischen Sinne), sondern auch schon des weiteren Verfahrens möglichst zu verzichten, wenn eine frühzeitige Einstellung des Verfahrens unter als pädagogisch sinnvoll erachteten Umständen (Durchführung bzw. Anregung erzieherisch sinnvoller Maßnahmen) möglich erscheint.

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      Kommt es dagegen doch zu einem Verfahren, so bestehen weitere Abweichungen etwa in der grundsätzlichen Nichtöffentlichkeit des Jugendstrafverfahrens (§ 48 JGG) und in der Einschränkung von Rechtsmitteln (§ 55 JGG). Dabei kann eine Entscheidung, in der lediglich Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet oder die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dem Familiengericht überlassen wird, wegen des Umfangs der Maßnahmen nicht angefochten werden; außerdem besteht grundsätzlich nur die Möglichkeit, dass gegen eine Entscheidung entweder Berufung oder Revision eingelegt wird, so dass grundsätzlich kein dreigliedriger Instanzenzug möglich ist. Beide Einschränkungen verfolgen das Ziel, dass die angeordnete (erzieherisch gedachte) Sanktion in einem möglichst relativ engen zeitlichen Zusammenhang mit der abgeurteilten Tat wirksam werden kann. Eine Sonderrolle im Jugendstrafverfahren spielen ferner die Erziehungsberechtigten, denen (als Ausfluss des grundgesetzlich gewährleisteten Erziehungsrechts) in § 67 JGG bestimmte Rechte eingeräumt werden.

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      Zuletzt sind im Jugendstrafverfahren einige Vorschriften bzw. Rechtsinstitute des allgemeinen Verfahrensrechts generell ausgeschlossen, bei denen der Gesetzgeber davon ausgeht, dass eine (erziehungsschädliche) Belastung des Jugendlichen die gegebenenfalls mit diesen Instituten erhofften Vorteile überwiegt: So finden nach § 79 JGG gegen den Jugendlichen kein Strafbefehls- und kein beschleunigtes Verfahren statt. Nach § 80 JGG sind Privatklage und Nebenklage gegen ihn ausgeschlossen. Nach § 81 JGG werden auch die Vorschriften über die Entschädigung des Verletzten (§§ 403 ff. StPO) im Verfahren gegen einen Jugendlichen nicht angewendet.

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      War der Täter zur Zeit der Tat 18, aber noch nicht 21 Jahre alt, so ist er als Heranwachsender zu behandeln (vgl. § 1 Abs. 2 JGG). Für das Verfahrensrecht gilt insoweit ein abgestuftes System der Anwendung der Besonderheiten des jugendstrafgerichtlichen Verfahrens: Die Vorschriften über die Gerichtsverfassung gelten nach § 107 JGG in Verfahren gegen Heranwachsende entsprechend. Gleiches gilt im Grundsatz auch für die Zuständigkeit der Jugendgerichte (§§ 39–42 JGG), vgl. § 108 Abs. 1 JGG; gewisse Abweichungen sind nach § 108 Abs. 2, 3 JGG nur im Zusammenhang mit der für Heranwachsende möglichen Anwendung des Allgemeinen Strafrechts (vgl. § 105 JGG) zu beachten.

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      Hinsichtlich der eigentlichen Verfahrensvorschriften gilt Folgendes: Eine Reihe von Vorschriften sind nach § 109 Abs. 1 JGG im Verfahren gegen einen Heranwachsenden generell entsprechend anzuwenden. Ein anderer Teil von Vorschriften findet nach § 109 Abs. 2 JGG nur dann Anwendung, wenn der Richter nach Maßgabe von § 105 JGG Jugendstrafrecht auf ihn anwendet. Dies erscheint auf den ersten Blick erstaunlich, da diese Entscheidung ja erst mit Abschluss des Verfahrens getroffen werden kann, so dass man sich fragen mag, wie Verfahrensregelungen davon abhängig gemacht werden können. Bei näherer Betrachtung wird aber deutlich, dass es sich hier durchgehend um Vorschriften handelt, die ebenfalls den Abschluss des Verfahrens im Blick haben (etwa die Diversionsvorschriften der §§ 45 und 47 JGG) oder die überhaupt erst im Zeitpunkt nach dem Abschluss des (jedenfalls erstinstanzlichen) Verfahrens bedeutsam werden (etwa Anrechnung von Untersuchungshaft im Urteil; Einschränkung der Rechtsmittelmöglichkeiten; Kostenfragen etc.).

2. Das Steuerstrafverfahren

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      Ein wesentlicher und auch praktisch bedeutsamer Unterschied zu den allgemeinen Strafsachen besteht darin, dass in Steuerstrafsachen die

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