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Familie barg aber ein noch weiteres grausiges Geheimnis, als das des mordenden Barbiers aus der Fleet Street, dessen Opfer von einer gewissen Mrs. Lovett stets als Fleischpasteten in ihrem Laden im Erdgeschoss desselben Hauses angeboten wurden. Zumal man von Sweeney Todd nicht einmal gesicherte Erkenntnisse über seine tatsächliche Existenz hatte.

      Sweeney Todd, so es ihn denn wirklich gegeben hat, und somit auch James selbst, waren Nachfahren von Sawney Beane, einem Schotten aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Beane lebte im nördlichen England, dicht an der Grenze zu Schottland mit seiner fast fünfzig Personen umfassenden Familie in einer Höhle.

      Sämtliche Durchreisenden, die in der Höhle Schutz vor der Nacht suchten, wurden Opfer der Familie Beane und zu deren Mahlzeiten verspeist. Die geschätzte Anzahl der Opfer geht in die Hunderte.

      Doch James war anders und froh darüber, dass er kein Menschenfleisch essender Massenmörder geworden war, sondern einen bodenständigen Beruf ausübte und keinerlei gewalttätige Anwandlungen hatte. Es gab Wissenschaftler, die hinter so einem gewaltigen Exzess der Gewalt eine genetische Veranlagung vermuteten, doch bei James traf es zumindest nicht zu.

      Er war IT-Spezialist, hatte sich auf das Bankwesen konzentriert, entwickelte immer wieder neue Rechenprogramme und verkaufte diese an die Banken. Seine Ausbildung zum Bankkaufmann hatte ihn auf diesen Weg gebracht.

      So kam es, dass er freiberuflich für fast alle europäischen Großbanken tätig und somit ständig in Europa unterwegs war. Viel Zeit für eine Frau, oder gar Kinder blieb da allerdings nicht übrig. Er war Single und hatte sich irgendwie mit der Situation arrangiert.

      Auch seine Freizeit kam oft zu kurz. Doch wenn er welche hatte, verbrachte James diese mit Reisen in jedwedes Gebirge. Er liebte die Berge. Als Londoner kannte man es nicht und so hatte er eine Leidenschaft dafür entwickelt nachdem seine Eltern mit ihm, als er zehn Jahre alt war nach Österreich in den Urlaub gefahren waren.

      Ihm machten Strapazen eigentlich nichts aus, er versuchte seine Gewohnheit jeden Morgen wenigstens eine halbe Stunde Joggen zu gehen regelmäßig beizubehalten, doch an diesem Sonntagmorgen kam er sich vor, als hätte er den Mount Everest in Rekordzeit dreimal hintereinander erklommen.

      Sein Kopf pochte, genau in der Art, wie es war, wenn er zu wenig Sauerstoff bekam in Verbindung mit zu hoher körperlicher Anstrengung. Sein Kopf schien zerplatzen zu wollen, so sehr hämmerte es.

      Er wollte gestern auf eine Geburtstagsfeier gehen, von einem seiner besten Freunde. James konnte sich noch vage daran erinnern, dass er zu Fuß von zu Hause aus bis zur St. Paul´s Kathedrale spaziert war, was kein weiter Weg war. Dort wollte er sich mit weiteren Bekannten treffen, um dann gemeinsam zur Feier zu gehen. Da er aber recht früh ankam, dachte er sich, er könne sich ja mal wieder die Kathedrale von innen ansehen.

      Und da hörten seine Erinnerungen an den vorigen Abend auch schon wieder fast auf.

      Er wusste so eben noch, dass er oben aus der Kuppel auf den Aussichtsbalkon trat und ihm dort ein seltsamer, schwarzer Qualm entgegen blies, den er für irgendein Produkt von verbranntem Material hielt, der aus einem Kamin entstieg. Danach nichts mehr. Er wusste nicht einmal, wie und wann er nach Hause gekommen war.

      Langsam und quälend schälte er sich aus dem Bett und musste feststellen, dass er noch die selben Klamotten trug, die er bereits gestern Abend angehabt hatte. Er schwitzte in seiner Jeans, das blau weiß karierte Hemd war völlig zerknittert und klebte ihm am Leib.

      James schlurfte in die Küche, stolperte dabei beinahe über seine Schuhe, die quer vor seinem Bett lagen. Er fluchte, kickte sie in die Ecke und ging weiter. Mit einem starken Kaffee und mindestens zwei Kopfschmerztabletten dazu würde er seinen Kopf schon wieder klar bekommen. Hat jedenfalls bisher immer geklappt.

      James setzte Wasser auf, stellte den uralten, von seiner Oma vererbten Wasserkessel auf die Gaskochplatte. Eine Kaffeemaschine besaß er nicht, der Kaffee schmeckte ihm nicht aus so einem Gerät. Lieber ließ er sich dabei etwas mehr Zeit und brühte jede Tasse frisch auf.

      Jede Bewegung seines Kopfes schmerzte wie die Hölle. Es fühlte sich an, als wenn dabei sein Hirn mit Wucht gegen die Schädeldecke prallte. Das letzte Mal, dass er solche Kopfschmerzen hatte lag schon einige Jahre zurück, als er mit einer Reisegruppe den K2 ohne Sauerstoff erklimmen wollte.

      Das Wasser begann langsam zu kochen. In der Zwischenzeit zog James sich aus, schmiss die Klamotten achtlos ins Schlafzimmer. Nur in Unterhose bekleidet kehrte er in die Küche zurück, weil der Kessel sein typisches Pfeifen von sich gab. Das Wasser kochte. Er goss es in den Becher, in den er bereits eine gute Menge Kaffeepulver gefüllt hatte. Dann gab er noch drei gehäufte Löffel Zucker dazu, für den Geschmack. Dann ließ er den Kaffee ziehen und ging derweil duschen.

      Die Zeit, die James zum duschen benötigte, war genau richtig, um den Kaffee hinterher in exakt dem Aroma genießen zu können, wie er es am liebsten hatte. Außerdem war er dann schon soweit abgekühlt, dass man sich nicht mehr den Mund verbrannte.

      Die wild im Schlafzimmer herumliegenden Klamotten ignorierte er, was zwar sonst so gar nicht seine Art war, aber mit dem Kopf war ihm das gerade völlig egal. Aufräumen konnte er auch später noch.

      Nachdem er aus der Dusche kam schmiss er sich auf sein Sofa, den Becher mit dem dampfenden Kaffee in der Hand. James versuchte erneut sich an die letzte Nacht zu erinnern. Wie konnte es denn nur sein, dass er sich an so gar nichts erinnerte?

      Das Nachdenken strengte ihn an, verschlimmerte seine Kopfschmerzen. Er blickte zur alten Standuhr neben seiner Kommode, ebenfalls ein Erbstück seiner Oma. Kurz vor eins! Es war schon Mittagszeit. So lange schlief er nie, nicht einmal, wenn er die halbe Nacht durchgemacht hatte. Etwas stimmte nicht, aber was?

      Aus lauter Verzweiflung schaltete er den Fernseher ein, um sich ein wenig abzulenken von den Gedanken an die letzte Nacht.

      Es kamen die Nachrichten auf BBC. In dem Moment, in dem er eingeschaltet hatte wurde von einem Mord berichtet. Das Opfer wurde in der alten und seit Längerem schon nicht mehr genutzten Krypta der St. Paul´s Kathedrale gefunden, zumindest das, was noch von ihm, oder ihr übrig war. Identifiziert war die Leiche zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Todesursache, soviel zumindest konnte die Polizei sagen, war mit allergrößter Wahrscheinlichkeit der abgetrennte Schädel, der offensichtlicher Weise nicht post mortem vom Hals getrennt wurde, mehr wussten sie aber auch noch nicht.

      Der Grund hierfür lag darin, dass die Leiche sich in einem riesigen Kochtopf befand, der über einem aufgeschichtetem Haufen verbrannten Holzes an einem Eisengestell hing, ähnlich dem Dreibein für Grillroste. Der Kopf lag mit den Augenhöhlen nach oben gerichtet davor.

      Die Leiche war zerstückelt und durchgekocht worden. Soweit die Pathologen vorerst feststellen konnten, war der Körper nicht vollständig vorhanden, doch wo die fehlenden Teile waren, da tappten die Beamten noch im Dunkeln, so der Bericht.

      In der Krypta gab es ein Weihwasserbecken, aus Sandstein gehauen und durch die Jahrzehnte schon stark angegraut, geformt wie ein überdimensionaler Kelch. Doch Wasser befand sich keines darin. Es war getränkt mit Blut, einzelne kleine Hautfetzen, Haarbüschel und die Augäpfel des Opfers schwammen in der roten Flüssigkeit.

      Es war ein abscheulicher Anblick, der sich hier den Ermittelnden bot.

      Aufmerksam geworden war man durch einen Brandgeruch, der sich am Morgen durch die Kirche zog und den einige Gottesdienstbesucher bemerkt hatten. Daraufhin machte sich der Priester, als auch zwei Messdiener auf die Suche nach dem Ursprung des Geruches. Sie fanden ihn und damit auch die blutrünstige Szenerie schließlich in den Gewölben der alten Krypta der Kathedrale.

      Es wirkte auf die ermittelnden Beamten wie ein Ritualmord. Ähnlich dem, der vor einer Woche in Paris stattfand. Dort wurde eine aufgeschlitzte Frauenleiche, die achtundzwanzig Jahre alte Francine Bouvois, eine Größe in der Drogenwelt von Paris, vor dem Portal der Sacré-Coeur gefunden. Die britische Polizei würde sich unweigerlich mit der französischen in Verbindung setzen müssen, denn dort war die Todesursache eine aufgeschlitzte Kehle, was einem abgetrennten Haupt nicht unähnlich war.

      Da musste man sich ganz automatisch die Frage stellen, ob es einen

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