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fahren und danach einen Spaziergang an der Seine machen bevor sie zu Etienne nach Hause fahren würden, um einen entspannten Abend zu verbringen. Einmal einen Sonntag gestalten, wie es die ganz normalen Leute von nebenan auch machten.

      „Na gut, mein Teddy. Dann lasse ich dich jetzt mal wieder alleine.“ Francine nahm ihn in den Arm und gab ihm noch einen Kuss auf die Stirn. „Dann hast du noch eine Weile deine Ruhe bevor deine Leute kommen. Wir sehen uns dann morgen Abend.“

      „Pass auf dich auf!“

      „Mach ich doch immer.“ Sie löste sich aus seiner Umarmung und zog ihre Fahrradhandschuhe an.

      „Ich weiß, wie du Fahrrad fährst.“ Etienne grinste.

      Francine war gerne mit dem Fahrrad unterwegs. Mit dem Auto durch die Stadt zu kommen war alles andere, als ein Vergnügen, so voll wie die Straßen immer waren. Mit der Metro fahren kam für sie auch nicht infrage, zu voll, zu dreckig, zu laut.

      Francine stand auf und schwang sich auf ihr Rad, welches sie zwischen den dicken Eichenstämmen versteckt hatte. Sie drehte sich noch einmal um und winkte Etienne zum Abschied. Er winkte zurück, seine letzte Gauloises im Mundwinkel, das Zippo schon in der Hand und wartete darauf, dass es Mitternacht wurde.

      Francine genoss das Fahren auf der Straße, die sich zwar stellenweise in einem katastrophalen Zustand befanden, aber immer noch besser waren, als die Radwege. Und zu dieser Stunde waren auch bei Weitem nicht mehr so viele Autos unterwegs, wie tagsüber, wo man sich vor den Blechlawinen kaum in Sicherheit bringen konnte.

      Besonders gefiel ihr das nächtliche Radeln, weil sie zu dieser Zeit so richtig schnell fahren, die einundzwanzig Gänge ihres pinken Geländerades voll ausnutzen konnte. Pink war ihre Farbe, da war sie durch und durch Mädchen.

      Ihr Weg führte sie über den Arc de Triomphe, dann über die Champs-Elysées, den großen und breiten Boulevard in dem die teuersten Geschäfte der Stadt ansässig waren. Am Obélisque inmitten des Place da la Concorde bog sie quer über den Kreisverkehr fahrend links ab in direkter Richtung zum Hügel Montmartre. Sie hatte noch Zeit, kam gut voran, so dass sie sich entschloss noch bis zur Sacré-Coeur hoch zu fahren.

      Im hellen Sonnenlicht strahlte die Basilika stets in grellem weiß von ihrem hoch gelegenen Standort auf die Stadt herab und war fast von überall aus zu sehen. Sie war der helle Punkt auf dem Gipfel des Montmartre.

      Hierher verschlug es Francine häufiger zu den Nachtstunden. Sie stand gerne vor der Kirche von wo aus man einen atemberaubenden Blick über ihr Gebiet, aber auch über das gesamte Paris hatte. Sie mochte es hier oben zu stehen, oder zu sitzen, so völlig allein, ganz ohne Touristen.

      Heute war sie etwas müde und kaputt von der rasanten Fahrt vom Bois de Boulogne hierher, aber sie wollte noch dort hinauf. Ihre Haare standen ihr wild vom Kopf, sie war stark ins Schwitzen geraten.

      Aus Mangel an verbliebener Kraft schob sie ihr Rad den letzten Rest des Weges. Das war zwar auch nicht wirklich leicht, aber immer noch besser, als sich fahrender Weise hier herauf zu quälen.

      Sie kam von der Rückseite der Basilika hinauf. Man kann auch über die Vorderseite den Hügel erklimmen, aber dort ging es fast ausschließlich über Treppen. Die Alternative wäre ein weit gebogener Weg gewesen. Francine hatte keine Lust ihr Rad hoch zu schleppen. Also nahm sie den kleinen Umweg in Kauf, denn von der Rückseite her führten kleine Straßen nach oben, auf denen sie mehr, oder weniger bequem ihr Rad schieben konnte.

      Oben angekommen umrundete sie die Basilika um die rechte Seite herum. Das ging auch gar nicht anders, da die andere Seite gesperrt war. Doch kaum, dass sie in die Nähe des Mauerwerkes kam beschlich sie ein Gefühl von Angst. Ihr Herz begann schneller zu klopfen und sie bekam eine leichte Gänsehaut, machte sich aber vorerst keine weiteren Gedanken darüber.

      Als sie die Sacré-Coeur umrundet hatte lehnte sie ihr Rad an den Zaun und stellte sich vorn an die oberste Stufe der großen Steintreppe und ließ ihren Blick über die Stadt schweifen. Sie wohnte gerne hier, war hier geboren und aufgewachsen. Sie wollte auch gar nicht irgendwo anders wohnen. Das war auch ein Grund, warum sie sich immer noch nicht entschlossen hatte zu Etienne zu ziehen. Ihr würde auf Dauer der Trubel der Großstadt fehlen, den sie hier unbestrittener Maßen im Überfluss hatte.

      Eine unerklärliche Kälte beschlich sie plötzlich. War da ein Schatten hinter ihr? Francine drehte sich um. Nein, da war nichts. Wahrscheinlich doch nur ein kleiner Windhauch, der die Blätter in den Bäumen bewegte.

      Sie setzte sich auf die Stufe, schloss ihre Augen und atmete die laue Spätsommerluft ein.

      Ein leises Geräusch, wie von einem kleinen Stein, der irgendwo herunterfiel und auf das Pflaster prallte, ließ sie ihre Augen wieder öffnen. War da doch etwas anderes gewesen, als sich bewegende Blätter der Bäume? Erneut drehte sie sich zu der hinter ihr hoch aufragenden Kirche um. Diesmal verharrte sie eine Weile länger und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen.

      Nichts.

      Meine Güte, was ist denn heute mit mir los? Francine verspürte eine gewisse Nervosität und wünschte sich, um ehrlich zu sein, Etienne hierher. Sie konnte sich nicht erklären woher diese Nervosität kam. Mit einem kräftigen Kopfschütteln versuchte sie dieses Gefühl loszuwerden, wandte den Blick wieder der Stadt zu und weg von der Basilika hinter ihr.

      Plötzlich war es wieder da, das Gefühl von Kälte. Als wenn ein kühler Herbstwind wehen würde. Er schien sie einzufangen. Es wirkte, als käme er aus allen Richtungen gleichzeitig.

      Gerade, als sie sich ein weiteres Mal umdrehen wollte spürte sie etwas kaltes an ihrer Kehle. Sie schaute nach unten. Da schwebte ein Messer! Es steckte in einer Art Nebel, einem Qualm. Schwarz, wie die Nacht und doch hob es sich ab und war gut zu erkennen. Darunter verbarg sich undeutlich eine menschliche und behandschuhte Hand, die den Griff des Messers fest umklammert hielt.

      Francine wollte sich gerade in dem Moment befreien, als die Glocken verschiedener Kirchen Mitternacht verkündeten. Doch zu ihrer Befreiung kam sie nicht mehr, denn mit dem ersten Glockenschlag bewegte sich das Messer in der vom nebligen Qualm eingehüllten Hand und schnitt ihr die Kehle durch.

      Das ganze dauerte keine zwei Sekunden. Francine war sofort tot, der Kopf fiel ihr auf die Brust, das Blut spritzte in hohem Bogen aus der Wunde. Die Gestalt, die zu der Hand gehörte, ebenfalls komplett von diesem Nebel eingehüllt, hob Francine auf, wickelte ein Tuch um den Hals, damit nicht zu viel Blut auf die Straße floss und trug sie die Stufen der Basilika hoch. Francine wurde vor dem großen Eingangsportal zur Sacré-Coeur abgelegt mit dem Kopf zur Kirche gerichtet, die Beine in Richtung Paris.

      Die Gestalt schlitzte mit dem Messer, es handelte sich hierbei um ein Tranchiermesser, ihren Oberkörper auf. Angefangen an der tiefen Wunde der Kehle, bis hinunter zu ihrer Vagina. Die Hautlappen wurden aufgeklappt, so dass ihre Gedärme und das Gerippe sichtbar wurden. Die Brüste von Francine wackelten wie nicht ausreichend gefüllte Luftballons und klatschten auf den Betonboden. Das Gedärm breitete sich in dem nun größer gewordenen Körpervolumen aus, rutschte durcheinander.

      Als Letztes wurde ihre Gebärmutter entfernt, sauber mit dem Messer heraus geschnitten und danach zwischen ihre gespreizten Beine drapiert.

      Dann verschwand der nebelartige Qualm, löste sich von dem Körper, den er umschlungen hatte. Der Mensch wirkte wie in Trance, wankte davon, die Augen starr geradeaus gerichtet und das Messer immer noch in der Hand haltend.

      Die Blutspur von der Treppe bis zum Portal der Kirche blieb unbeachtet.

      Der Qualm hingegen schwebte weiter nach oben, immer weiter bis er beinahe die Spitze der Kuppel erreicht hatte und verschwand schließlich im geöffneten Mund einer der vielen Wasserspeier.

      2

      London

      Sonntag, 19. September

      James Alexander Barker erwachte aus einem tiefen Schlaf in seiner Wohnung in der Lombard Lane, gelegen im Herzen Londons, unweit der Fleet Street. Dort wo sein Vorfahr Sweeney Todd im 18.

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