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tue ich. Aber auch nur, weil ich von einem guten Bekannten darum gebeten wurde. Naja, wenn ich ehrlich sein soll, hätte mich spätestens nach dem Fall in Hamburg die ganze Sache so oder so interessiert.“

      „Kann ich dir dabei nicht doch irgendwie helfen? Ich würde das Schwein gerne selber zur Strecke bringen, das mir meine Francine genommen hat. Da habe ich endlich eine Frau gefunden und dann wird sie mir auf so eine brutale Weise wieder genommen. Wer immer das war muss dafür büßen!“ Chavalier wurde bei seinen Worten immer lauter. Ein Ausdruck einer wahren und echten Trauer, wie Gorham bemerkte.

      „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Ich meine, nichts gegen dich als Person. Aber wie sähe das denn aus? Ich, als Agent und du, bei dem einschlägige Leute wissen womit du dein Geld verdienst. Mal sehen, vielleicht ergibt sich eine Gelegenheit, aber für den Moment muss ich dir absagen, auch wenn ich deine Beweggründe absolut nachvollziehen kann, keine Frage.“

      Chavalier machte den Eindruck zutiefst beleidigt zu sein. Aber Gorham hatte recht, wenn er länger darüber nachdachte. Sein alter Studienfreund stand auf der anderen Seite des Gesetztes. Das konnte weitreichende Folgen für ihn haben, wenn das bekannt werden würde.

      Gorham riss ihn aus seinen Gedanken. „Tue mir bitte bloß den Gefallen und fange nicht an auf eigene Faust an, den Täter zu suchen. Das würde unter den Fall der Selbstjustiz fallen und über die Folgen brauche ich dich wohl nicht aufzuklären. Lass dir versichert sein, dass ich alles in meiner Macht stehende unternehmen werde. Und sollte ich deine Hilfe benötigen, dann melde ich mich.“ Gorham erhob sein Glas in der Hoffnung, dass Chavalier die Geste verstand.

      „Hätte mich jemand anderes um diesen Gefallen gebeten, ich würde nicht zustimmen. Aber okay. Da du es bist, der mich darum bittet will ich mich daran halten, auch wenn es schwer fallen wird“, antwortete Chavalier und prostete Gorham zu.

      Den restlichen Abend verbrachten die beiden mit Unterhaltungen über nichts bestimmtes. Gorham war froh, dass er Chavalier etwas ablenken konnte, zumindest machte es den Anschein, denn er wurde im Verlaufe des Abends immer ruhiger. Allerdings konnte es auch am Alkohol liegen.

      Als Gorham schließlich in seinem hergerichteten Zimmer im Bett lag überlegte er, was dieser Tag in Paris ihm tatsächlich gebracht hatte. Er hatte von Kommissar Herbault die gesamte Akte in Kopie bekommen, aber noch nicht weiter reingeschaut. Da kam ihn das unverhoffte Wiedersehen mit Tinnie dazwischen. Und ansonsten? Eigentlich nichts. Es war unter dem Strich ein ergebnisloser Tag gewesen. Aber wer weiß, ob denn nicht Chavalier doch noch hilfreich sein konnte.

      Gorham nahm sich vor morgen auf dem Flug nach London die Akte Bouvois so intensiv wie möglich zu studieren, um vorbereitet zu sein auf die Dinge, die ihn im Fall des Roberto Borno erwarten würden.

      10

      London

      Mittwoch, 29. September

      Trotz der Dringlichkeit der Angelegenheit fuhr Gorham zunächst nach Hause. Er wollte den Koffer, der ihn doch mehr behinderte, als er dachte, wegbringen und sich frische Sachen anziehen. Außerdem seine Post der letzten Tage durchsehen und vor Allem ein Bad nehmen.

      Es war noch früher Vormittag, aber die Straßen waren so voll, wie immer. Genau wie in Paris, nur nicht so penetrant laut. Gorham fühlte sich wohl wieder in seiner Heimat zu sein.

      Auf dem Flug hatte er sich die Akte Bouvois durchgelesen, wie er es vorgehabt hatte. Chavalier hatte ihn nochmals eindringlich gebeten sich wirklich zu melden, wenn er seine Hilfe brauche. Gorham hatte seine Zusage vom Vorabend wiederholt.

      Die Akte Bouvois hielt allerdings keine nennenswerten Neuigkeiten für Gorham bereit. Nichts, was er nicht schon wusste. Der Todeszeitpunkt konnte von den Pathologen ziemlich genau auf Mitternacht eingegrenzt werden. Die Todesursache war die durchtrennte Kehle. Es gab keine Zeugen, nicht einen Einzigen. Das machte die Sache natürlich umso schwieriger, da dadurch selbst die kleinsten Anhaltspunkte verloren gingen.

      Gorham stand vor seiner Haustür und öffnete diese. Er wohnte in einem kleinen Reihenhausgebiet, etwas außerhalb. Er brauchte seine Ruhe zu Hause, da wollte und konnte er nicht in der City wohnen. Außerdem war es günstiger und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln war er dann doch meistens verhältnismäßig schnell an seinem gewünschten Ziel.

      Ein Auto besaß er nicht. Gorham fuhr lieber Rad in der Freizeit, oder eben Bus und Bahn, wenn er beruflich unterwegs war.

      Sein Haus stach etwas hervor im Vergleich zu den Nachbarhäusern. Er hatte sich erdreistet seine Haustür schwarz zu streichen, in seiner Lieblingsfarbe und mit einem großen D und M in weiß zu verzieren. Dies war ein Zeichen seiner Huldigung an seine Lieblingsband Depeche Mode.

      Nachdem er Mantel und Sakko an die Garderobe gehangen und seinen Koffer ins Schlafzimmer gebracht hatte war dann auch sein erster Weg zu seiner Surroundanlage. Er schaltete sie ein wählte das Album Songs of faith and devotion und drehte die Lautstärke auf Maximum. Er hatte sein Haus soweit isolieren lassen, das die laute Musik niemanden in der Nachbarschaft stören konnte, weil nichts nach außen drang.

      So konnte er auch ungestört und lauthals mitsingen, was die Nachbarn im Zweifel mehr gestört hätte, als die Musik an sich, denn Gorham konnte absolut keinen Ton treffen. Und das Schönste an seiner Anlage war, das er im Zuge der Isolierung sich gleich im ganzen Haus hat Lautsprecher einbauen lassen, so dass er, egal wo er sich aufhielt, überall die gleiche Lautstärke genießen konnte.

      Er ging ins Bad, ließ heißes Wasser in die Wanne laufen, rasierte sich in der Zeit bis die Wanne voll genug war und legte sich dann hinein. Es war ein entspannendes Gefühl, als sich das heiße Wasser langsam um seinen Körper ausbreitete. Gorham schloss die Augen und genoss einfach diesen Moment der totalen Ruhe.

      Nach einer Stunde stieg er aus der Wanne, zog sich an und machte sich etwas zu essen. Gorham saß in seiner Küche, das Album war mittlerweile zu Ende und das Haus völlig ruhig. Gedankenverloren blickte er aus dem Fenster auf die herbstliche Straße. Hier in England war von dem nahenden Herbst deutlich mehr zu spüren, als es in Hamburg, oder Paris der Fall gewesen war.

      Er räumte Teller und Besteck in die Spüle, zog sich sein Sakko über und machte sich auf den Weg zur Polizei, um Informationen über den Mord an Roberto Borno in Erfahrung zu bringen. Hier in London war Gorham durchaus bekannter, als in anderen Städten. Der zuständige Kommissar in diesem Fall war Jack Myers, ein mürrischer Mensch von vierundfünfzig Jahren mit dem Hang alles besser zu wissen. Er machte auch keinen Halt vor höheren Instanzen. Bei Gorham jedoch war Myers friedlich. Woran das lag konnte keiner sagen.

      Gorham fuhr mit dem Bus, die Akte Bouvois unter dem Arm. Alles hätte er sich nicht merken können, so wollte er diese Akte bei sich haben, um gegebenenfalls direkt nach Ähnlichkeiten Ausschau halten und Vergleiche ziehen zu können.

      Nach einer Fahrt von einer knappen Stunde kam er an dem Kommissariat an, ging die Stufen zum Eingang hinauf und betrat die Dienststelle.

      Der Beamte am Empfang begrüßte ihn freundlich. Gorham trug sein Anliegen vor, woraufhin der Beamte telefonierte, um Kommissar Myers Bescheid zu geben.

      „Er kommt sofort Agent Gorham.“

      Gorham nahm auf einem der Stühle im Wartebereich Platz und nahm sich eine Zeitung, die dort auf dem kleinen alten Beistelltisch stand. Es war die Times. Er suchte nach einem Artikel über den Fall in Hamburg, fand aber nichts.

      Nach ein paar Minuten kam Myers und holte Gorham in sein Büro. „Andrew! Schön dich zu sehen. Was kann ich für dich tun? Was führt dich hierher?“ Myers ließ sich in seinen Sessel fallen und zündete sich eine Zigarre an. Gorham war der Einzige den Myers duzte, alle anderen, mit denen der Kommissar beruflich zu tun hatte, wurden von ihm gesiezt. Allerdings erwiderte Gorham dies nicht.

      „Ich bin hier wegen dem Mordfall an diesem Borno. Ich würde gerne mehr in Erfahrung bringen, als die wenigen Details, die bislang an die Öffentlichkeit gedrungen sind.“

      „Und wie kommt es dazu?“ Myers war von Natur aus ein misstrauischer Mensch und vermutete

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