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bin von einem entfernten Bekannten darauf aufmerksam gemacht worden. Und da habe ich mich entschieden, mich um den Fall zu kümmern. Allerdings kann ich meine Quelle nicht nennen. Eine offizielle Anfrage bei meinen Vorgesetzten habe ich auch schon gestellt, da sollte ich heute Bescheid bekommen.“

      „Aha, eine unbekannte Quelle. Naja, wie du meinst. Ich hole dir die Akte. Warte einen Moment hier, ich bin gleich wieder da.“ Mit diesen Worten verschwand Myers aus seinem Büro. Seine Zigarre qualmte im Aschenbecher vor sich hin. Gorham versuchte mühselig den Rauch beiseite zu wedeln, machte es damit aber eigentlich nur noch schlimmer.

      Nach wenigen Minuten kam Myers mit der Akte Borno zurück und legte sie vor Gorham auf den Tisch. „Du kannst ins Vernehmungszimmer drei gehen, da ist gerade frei und du hast deine Ruhe.“

      „Danke.“ Gorham griff nach der Akte, die für sein Empfinden erstaunlich dünn war und klemmte sie sich unter den Arm.

      Er schritt auf den Gang hinaus und ging in Richtung der Vernehmungszimmer. Nummer drei war der kleinste, aber für ihn alleine absolut ausreichend. Die Isolierung der Vernehmungszimmer brachte ihm auch die notwendige Ruhe, um sich mit den Fakten zu beschäftigen ohne ständig durch irgendwelches Gebrüll der Insassen gestört zu werden.

      Gorham setzte sich, legte die Akte Borno auf den Tisch vor sich, holte aus seiner Aktentasche die Kopie der Akte Bouvois heraus und legte diese daneben.

      Zunächst wollte er sich aber mit Borno und den Umständen seines Ablebens beschäftigen bevor er daran ging nach Gemeinsamkeiten zu suchen zwischen den beiden Fällen aus Paris und London.

      Er hing sein Sakko über die Stuhllehne und begann zu lesen. Es war warm hier drinnen. Es dauerte nicht lange und Gorham langte zu dem Mikrofon und bat um ein Glas Wasser, welches ihm von einem Beamten kurz darauf gebracht wurde.

      Der Fall Borno gestaltete sich völlig anders, als der von Mademoiselle Bouvois. Zumindest auf den ersten Blick. Die bisherigen Recherchen haben aufgedeckt, dass Borno am Abend des 18. September sich in der Nähe der St. Pauls Kathedrale aufgehalten hatte. Allerdings konnte niemand sagen warum. Sein Bezirk grenzte zwar hieran, aber der Bereich um die Kathedrale herum gehörte nicht dazu.

      Ein Treffen mit Unterhändlern oder „Kollegen“ schien es auch nicht gegeben zu haben. Jedenfalls haben alle relevanten Personen dies verneint.

      Zuletzt gesehen wurde er in einem „seiner“ Restaurants, welches mit den Raten relativ weit im Rückstand war. Hier kam der Verdacht auf, dass dort eventuell ein möglicher Täter gesucht werden könnte. Doch diese Spur erwies sich als haltlos, da alle Bediensteten und auch der Chef wasserdichte Alibis hatten, was auch die wenigen Gäste des Abends, die ausfindig gemacht werden konnten, als auch die Familien bestätigen konnten.

      Zeugen gab es ein paar. Wenigstens in diesem Punkt hatte London im Vergleich zu Paris einen kleinen Vorteil. Doch diese Personen verstrickten sich in Widersprüche. Als man denen Fotos von Roberto Borno zeigte gab es welche dabei, die ihn sofort und ohne Zweifel identifizierten. Andere hingegen waren sich sehr unsicher. Und ein Pärchen sagte, dass sie zwar jemanden zur fraglichen Zeit an diesem Samstagabend dort gesehen hätten, dieser jemand jedoch völlig anders ausgesehen habe. Leider fehlte in der Akte die Personenbeschreibung dieses Unbekannten.

      Gorham nahm sich vor dieses Pärchen aufzusuchen und den Punkt zu hinterfragen, um an eine Beschreibung zu gelangen. Warum die Polizei dies nicht weiter verfolgt hatte blieb ihm unverständlich, denn wenn es dort eine zweite Person nahezu zum selben Zeitpunkt gegeben hat, dann könnte es sich hier durchaus um den Täter handeln.

      Das Weitere in der Akte beschäftigte sich mit dem Tatort, der Krypta der Kathedrale. Es waren sehr genaue Details, die für Gorham den Tatort sehr bildhaft darstellten und er das Gefühl bekam selber dort gewesen zu sein. Sicherlich auch bedingt dadurch, dass er selber schon einige Male dort unten Führungen mitgemacht hatte.

      Er machte sich fleißig Notizen, die er dann zu Hause mit dem Fall Bouvois vergleichen wollte. Er hatte keine Lust noch länger in diesem sterilen und kalten Raum zu sitzen. Zu Hause konnte er sich mit Sicherheit erheblich besser konzentrieren, wenn er seine Musik im Hintergrund hörte. Das war schon zu Schulzeiten so gewesen, was seine Eltern, besonders seine Mutter, nie verstehen konnten.

      Er packte seine Notizen zum Fall Borno und die Akte Bouvois in seine Tasche, nahm die Akte Borno in die Hand und ging zurück zum Büro von Kommissar Myers.

      Er klopfte. „Herein!“, schallte die kratzige Stimme des Kommissars von drinnen. Gorham öffnete die Tür und trat ein. „Ich wollte die Akte zurück bringen und höflich anfragen, ob ich eine Kopie erhalten kann“, brachte Gorham sogleich sein Anliegen vor.

      „Ich weiß nicht“, antwortete Myers. „Ich denke so lange ich keine offizielle Bestätigung seitens der EUSC habe möchte ich das nicht. Nicht das ich hinterher irgendwelche Schwierigkeiten deswegen bekomme, du verstehst?“

      Gorham nickte zur Antwort. Er hatte nichts anderes erwartet von diesem eingebildeten Menschen.

      „Nun gut, dann gehe ich davon aus, dass ich mir die Kopie morgen abholen werde. Guten Tag noch.“

      Gorham schloss die Tür, in dessen Rahmen er die ganze Zeit gestanden hatte. Die Akte legte er auf einen Besucherstuhl gleich neben der Tür.

      Wieder zu Hause machte sich Gorham gleich an die Arbeit seine Vergleiche zwischen den beiden Fällen zu ziehen. Er setzte sich an seinen Schreibtisch nachdem er zunächst für etwas Musik gesorgt hatte. Er holte die Akte aus Paris und die Notizen aus seiner Tasche und begann damit, dass er versuchte beide Fälle in eine etwaige zeitliche Reihenfolge zu bringen. Das war nicht so leicht, wenigstens nicht in Bezug auf Paris, da es hier überhaupt keine Zeugen gab. So konnte man sich nur an den wenigen Fakten orientieren. Gorham hatte den Vorteil, dass er lange mit Chavalier gesprochen hatte mit dem Gefühl, dass sein alter Freund ihm gegenüber vielleicht etwas mehr verraten hat, als er es bei der Polizei getan hatte.

      In diesem Moment piepste sein Faxgerät. Seine offizielle Bestätigung von der EUSC, dass er nun den Fall übernehmen konnte, flatterte heraus. Prima, dann kann Myers mir jetzt nicht mehr dumm kommen, ging es ihm durch den Kopf während er das Blatt sauber zweimal faltete und in einer der Innentaschen seines Sakkos verschwinden ließ.

      Morgen früh würde Gorham zu Myers gehen, sich eine Kopie der Akte geben lassen, als auch die Namen des Pärchens, die überzeugt waren, jemand anderen gesehen zu haben.

      Er schaute auf die Uhr – halb acht durch. Feierabend für heute, beschloss Gorham. Ab morgen hatte er uneingeschränkten Zugang zu sämtlichen Informationen, die er benötigte und das würde er natürlich auch ausnutzen.

      11

      Palma de Mallorca

      Mittwoch, 29. September

      Der Mönch hasste nichts mehr, als große Menschenansammlungen. So fühlte er sich nun am Flughafen von Palma auch mehr als deplatziert. Hinzu kamen die Arten der Menschen um ihn herum.

      Touristen über Touristen. Entweder welche, die voller Vorfreude auf ihren Urlaub aufgeregt irgendwelche Dinge durch die Gegend riefen. Oder die anderen, die ihren Urlaub hinter sich hatten und nun am Gepäckschalter anstanden und sich lauthals mit ihren Nachbarn in der Warteschlange über die vergangene Zeit unterhielten.

      Der Mönch wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als in seinem Kloster zu sein und Ruhe zu haben. Doch er hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Dazu gehörte auch solche Situationen hinzunehmen.

      Er verließ das Flughafengebäude und blickte sich nach einem Taxi um. Überall wimmelte es von Menschen. Menschen mit Koffern, plärrenden Kindern auf den Armen der Mütter, aufgeregte Kinder, irgendwelche hilfsbereiten Einheimischen, die den Touristen mit dem Tragen der Koffer helfen wollten und mit Sicherheit nichts anderes im Sinn hatten, als zu versuchen an die Geldbörsen zu kommen.

      Der Mönch wusste immer noch nicht so recht was für eine Geschichte er dem Abt der Kathedrale la Seu erzählen sollte, warum er hier war.

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