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Menschenlos. Wolfgang Dahlke
Читать онлайн.Название Menschenlos
Год выпуска 0
isbn 9783847687252
Автор произведения Wolfgang Dahlke
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
"Derzeit nicht!"
"Und später?"
"Kann sein! Aber warum sollen wir uns darum kümmern?"
"Weil ihr die Scheiße angerührt habt!"
"Gut, meinetwegen. Aber die Korrekturen wären zu aufwendig. Außerdem: würdest du einem durchgeknallten Testpiloten, der gerade (aufgrund eines eklatanten Navigationsfehlers oder weil er sich unbedingt in der Nähe des Tanks eine anstecken musste) sein Schiff pulverisiert hat, ein neues und schöneres einrichten helfen?"
"Bin ich blöd?"
"Sind wir blöd?"
"Habt ihr mal mit welchen von denen direkt zu tun gehabt?"
"Wir hatten, wie gesagt, einige ausgewählte verlässliche Kontaktpersonen, die wir zu Verschwiegenheit verpflichteten. Andere, die uns nie getroffen haben, schreiben Bücher über Kontakte mit uns; das sind ausgemachte Spinner und Lügner. Weitere Einzelexemplare wurden von der Arbeitsgruppe terrestrische Anatomie und Mentalentwicklung entführt und untersucht..."
"Um sie danach wieder zurückzubringen...?"
"Einige, ja!"
"Und, haben die den anderen davon erzählt?"
"Die waren meist so traumatisiert, dass sie als unglaubwürdig galten."
"Und, die ihr nicht zurückgebracht habt?"
"Haben wir behalten und zoologisiert."
"Wie haben die übrigen sich deren Verschwinden erklärt?"
"Spontaneous Combustion, also etwa: plötzliche Verpuffung, so ungefähr."
"Haben die dafür auch eine Theorie entwickelt?"
"Irgendwie ja. Die glauben, dass manche Körper selbst eine brisante chemische Mischung entwickeln. Dann steckt derjenige sich vielleicht eine Zigarette an und: wupps! Zurück bleiben ein Paar Hausschuhe und ein offener Klodeckel."
"So'was glauben die?"
"Sie haben keine andere Erklärung..."
"Und die Zoo-Exemplare; kann man mit denen reden?"
"Die reagieren panisch oder völlig apathisch. Außerdem können sie uns nichts verraten, was wir nicht selbst besser wüssten. Es lohnt einfach nicht, sich länger mit ihnen zu befassen."
"Was machst du mit dem Exemplar, das du an Bord hast?"
"Tja, ich glaube, ich setz' ihn einfach wieder ab, wo ich ihn aufgegriffen habe."
"Also wollt ihr letztlich die restlichen da unten einfach sich selbst überlassen?"
"Ich sehe keine andere Möglichkeit. Die schaffen entweder die notwendige nächste Stufe der Selbstregulation, was ich im Momente bezweifle, oder: peng, sie sind Geschichte. Wir ziehen uns jedenfalls zurück!"
"Na gut, tut das! Ich weiß von nichts. Wir haben nie miteinander gesprochen, ist das klar?"
*
Der Indianer blieb danach verschwunden. Auch der Bürgermeister. Bis man nach Wochen im Wald Teile einer stark verwesten männlichen Leiche fand, die nur durch gentechnisches Abgleichverfahren mit Haaren aus seinem Kamm dem Bürgermeister zugeordnet werden konnte. Dass die Leiche vollständig gehäutet worden war, wurde von der Morgenpost als besonders grausiges Detail hervorgehoben.
Kinder fanden erst kürzlich beim Spielen in einem hohlen Baum unweit einer Lichtung im Wald einen kleinen Holzkasten mit einem Reetgrashalm daran. In dem Kasten steckte ein gefaltetes Blatt offenbar selbstgemachten Papiers, auf dem in krakeliger Klaue stand:
"Ich weiß jetzt: ihr seid auch nur Zyniker. Ich bin sehr enttäuscht. Aber ich habe die Botschaft verstanden. Ich bin mir sicher, dass ihr mich deshalb wieder abgesetzt habt, ihr musstet ja dafür extra einen Umweg fliegen. Ihr hättet mich einfach in euren Zoo stecken können. Aber: ich soll die nötige Selbstregulation einleiten.
Okay, ich hab das kapiert! Ich werde wichtiger sein als Jesus, stimmt's? Ich rette eure Schöpfung.
Ich muss ein letztes Mal selbst zum Zyniker werden und beginnen, die Schuldigen zu eliminieren, richtig?
Man muss die verantwortlichen Schweine zur Rechenschaft ziehen. Wer wäre das genau? Bitte um Antwort! Nur so kann ich retten, was das Gute unentwickelt bereits in sich birgt.
Und wenn wir gut werden, vielleicht werdet ihr dann auch gut, durch uns!?????? Durch mich?!!!!!
Gez. Der Heiland aller Welten zugleich"
Auf dem Tisch des seit Wochen verlassenen Hauses des Indianers hatte kurz nach dessen Verschwinden ein Polizeibeamter unter herausgerissenen Zeitungsseiten einen weiteren kleinen zusammengerollten handbeschriebenen Zettel entdeckt; auf den Inhalt konnte der ermittelnde Leiter der Mordkommission sich anfangs ebenso keinen Reim machen:
"Leder nur noch von echten Schweinen?"
Die gesammelten Dokumente enthielten unter anderem ein Interview in der Morgenpost mit dem Bürgermeister, in dem der Satz: "Wer nicht arbeiten will, muss lernen, mit 175 Euro auszukommen (sagt auch Friedrich Merz)" unterstrichen ist.
Ein weiterer Schnipsel enthält eine mit schwarzem Kohlestift eingekreiste Meldung, der zufolge der Bürgermeister eine begeisterte Grußbotschaft an das Forschungszentrum CERN in Genf entsandt habe, die voll des Lobes ist bezüglich des dort nachgestellten Urknalls und in der Zeile gipfelt:
"Ich hoffe, dass sich zukunftsweisende Forschung auch weiterhin nicht von ewig Gestrigen und Neurotikern, die durch Anträge, sogar durch perfide inszenierte Selbstmorde, ein Jahrtausendexperiment wie dieses zu verhindern suchen, in das schwarze Loch eines mittelalterlichen Erkenntnisverbotes zurückziehen lässt."
*
Als Wochen später ein Mann auf einer Lichtung im Wald von hinten erschossen wurde, hätte der Umstand womöglich für einen Skandal sorgen können, wenn es sich bei dem Opfer nicht glücklicherweise um den seit einiger Zeit flüchtigen Mordverdächtigen, der allgemein auch als der Indianer bekannt war, gehandelt hätte. Der betreffende Beamte habe, wie er erklärte, zudem schwören können, der Mann wende ihm nicht den Rücken zu, sondern schaue ihn an. Als die Person keine Anstalten machte, sich zu ergeben, musste er schießen.
Der Lederanzug des Indianers mit dem Einschussloch zehn Zentimeter unter dem zur Kapuze zweckentfremdeten Gesicht des Bürgermeisters einer kleinen Gemeinde in Deutschland ist inzwischen auf dem Weg zu einer Ausstellungsvitrine im Museum für forensische Medizin des Guys Hospital, London...
2 Selbstinitiation oder: wie er damals man wurde
Inferno
Der neue Platz sei aber doch auch schön, versuchten einige der Freunde Cameo zu trösten. Sogar noch viel anheimelnder, trauter, irgendwie gemütlicher. Cameo war auch hier der Meinung ? ähnlich wie anlässlich des gelegentlichen Lobes nach Beendigung der gestrigen Erzählung, die er, insofern sie an verschiedenen Stellen empfindlich gestört worden war, mit Mühe nur zu Ende gebracht hatte ? , dass man sich bemühte, höflich zu sein.
Eine Anfrage Cameos bei der verantwortlichen Stelle der Gemeindeverwaltung hatte ergeben, dass der Umzug in den kleineren Bruch nicht rückgängig gemacht werden könne, da Privatpersonen und Gruppen ohne Vereinsstatus für den großen Taternbruch ohnehin nie eine Genehmigung erteilt werden könne. Man solle sich mit dem kleineren Bruch begnügen und sich, nebenbei bemerkt, glücklich schätzen, dass man sie dort unbehelligt ließ.
Zumal im großen Bruch, direkt nach dem Volksmusiktreffen, am darauffolgenden Wochenende, also vom 25. bis 27. 6., die alljährliche Lesung von Erfolgs- und Bestsellerautoren stattfände.