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Menschenlos. Wolfgang Dahlke
Читать онлайн.Название Menschenlos
Год выпуска 0
isbn 9783847687252
Автор произведения Wolfgang Dahlke
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
"Erspar' mir die Namen..."
"Und es betraf übernationale, also mehrsprachige Massenmanifestationen wie zum Beispiel Fußball..."
"Was ist das?"
"Ein Spiel mit einem aufgepumpten Stück Leder, zweiundzwanzig Hauptspielern, einer jeweils festzulegenden Anzahl von Ersatzspielern, einem Schiedsrichter, zwei Linienrichtern..."
"Danke, genügt! Und da gehen so viele von denen hin, dass euer Sprachcomputer spinnt?"
"Wenn er zu sensibel eingestellt ist, ja. Oder wenn man eben durch manuelle Angleichung versucht, jedes Segment zu erfassen."
"Das muss man doch verbessern können, verdammt!.... Was war jetzt mit der letzten Hauptversammlung?"
"Wir hatten damals für das Weiterbetreiben eines Versuchsplaneten eine Entropiegrenze festgelegt."
"Was bedeutet das nun wieder?"
"Wir haben beschlossen, Systeme, die aus dem Ruder laufen... Warte 'ne Sekunde, ich muss eben mal den Code-Bereich etwas einengen. Scheint sich um eine Sprache zu handeln, in der man dasselbe mit sehr unterschiedlichen Wörtern und Sätzen ausdrücken kann... Also, nochmal: es geht um Systeme, über die
wir die Kontrolle verlieren, weil sie zu kompliziert werden. Die stoßen wir ab. Also, eine Art Chaos-Filter... So kann man das wohl nennen..."wir die Kontrolle verlieren, weil sie zu kompliziert werden. Die stoßen wir ab. Also, eine Art Chaos-Filter... So kann man das wohl nennen..."
"Ich sehe hier gerade, dass ihr das auf dem Planeten schon mehrere Male gemacht habt. Was war da los?"
"Handelte sich meist um Vernichtung chaotischer Teilsysteme durch Nuklearreaktionen, künstlich eingeleitete Umweltkatastrophen. Maßnahmen zur Schadensbegrenzung"
… ("Sodom, Gomorrha, Atlantis, Sintflut?") hatte der Indianer offenbar als eigenen Kommentar hinzugefügt.
Dem Manuskript des Indianers wäre, läse es jemand, anzusehen, dass er in einem protokollartigen Kurzschriftstil ganz eigener Prägung schreibt, was die Authentizität der Notizen insofern unterstreicht, als ein Gespräch in Echtzeit stattgefunden zu haben scheint, dessen Mitschrift eine gewisse Eile erforderte. Gewinnt, so hat es den Anschein, der Gesprächsinhalt an Brisanz, spiegelt sich Erregung des Protokollanten (Indianer) in fetterer Schrift, die von zunehmender Schreibdruckstärke herrührt. Im Gegensatz dazu leidet die Satzstruktur.
"Das betraf damals immer nur Teilsysteme, sozusagen als Lernprogramme für die Überlebenden."
"Hattet ihr ihnen denn ein Verarbeitungsrelais implantiert?"
"Wenn du damit die Fähigkeit meinst, zu lernen und begrenzt selbst Lösungen zu suchen, ja!"
"Das ist aber doch gefährlich, weil solche Systeme anfangen, sich selbst zu regulieren und dadurch das Chaos erst erzeugen, das ihr dann nicht mehr kontrollieren könnt."
"Es war ein einmaliger Modellversuch..."
… ("erregt? resigniert?") Der Indianer vermerkt hier, dass die sprechende Person im Kontrollraum des Raumschiffs offenbar menschlich verstehbare Gefühle zeigte.
"Also, die Versuchsanordnung war: hochkomplexes System, Chaos- oder Entropieabmilderung durch Teilvernichtung als regulierende Maßnahme. Als Lernprogramm, wie du sagst, für die Überlebenden, die dann zu einer Neuordnung des Systems hätten beitragen sollen. Haben sie denn jemals gelernt?"
"Einzelne haben die richtigen Lösungen gefunden, die Mehrheiten haben meist falsche Konsequenzen gezogen."
"Was wäre richtig gewesen?"
"Grob gesagt: keine Eingriffe, so wenig Regulation wie möglich."
"Also: nichts tun und alles sich selbst ordnen lassen?"
"Wie gesagt, grundsätzlich: ja!"
"Ich sehe hier noch etwas: ihr habt schon einmal komplexe Systeme ohne hochgradig selbstregulative Kompetenz vernichtet."
"Ja, das stimmt; das ist nach terrestrischer Auffassung lange her. Das Beispiel, auf das du gerade angespielt hast, betrifft die großen Echsen, Kaltblüter also, deren Anpassung wir unter veränderten klimatischen Bedingungen getestet haben."
"Warum?"
"Versuchsweise veränderte Anordnung. Nur so. Wir wollten sehen, ob Lebewesen, die exotherm sind, also ihre lebensnotwendige Körperwärme von außen beziehen, weiterleben können, wenn wir ihnen die Quelle ihrer Erwärmung, ihrer Energie also, nehmen."
"Aber es war doch völlig klar, dass das nicht funktionieren konnte!"
"Na ja, wir haben vielleicht Fehler gemacht. Aber zuerst einmal wollten wir das System unwesentlich ändern, um sie dazu zu bringen, auf endotherm umzustellen, also auf Wärmeerzeugung durch Bewegung."
"Und, haben sie umgestellt?"
"Die allermeisten nicht, das weißt du doch nun schon."
"Was sollte das Ganze dann?!"
"Ich habe ja bereits eingeräumt: wir haben Fehler gemacht.... Wenn man so großen Tieren, die sich mit Sonnenwärme aufheizen, die Energiequelle vorübergehend durch eine künstlich herbeigeführte Katastrophe abschirmt, hätten sie mehr essen und sich mehr bewegen sollen, dachten wir, um die fehlende äußere Zufuhr auszugleichen."
"Ihr wusstet doch aber genau, dass viele von ihnen das nicht konnten, in so kurzer Zeit. Ich hasse diesen Aktionismus und Wissenschaftszynismus, und ich werde darauf drängen, dass Beispiele einer solchen blinden, folgenschweren und gleichgültigen Forscherei auf dem nächsten interstellaren Ethiksymposium zur Sprache kommen."
"Das Ganze war Folge der damaligen Energie-Haushaltsdebatte. Wie du dich erinnerst, war das Betreiben der Sonnen früher privatwirtschaftlich organisiert. Sinn der Tests war, herauszufinden, wie viel Energie notfalls eingespart werden könnte. Zumal ja, direkt nach dem Meteoriteneinschlag, die Temperatur zuerst einmal erheblich anstieg. Nicht wenige der damaligen Spezies verbrannten leider. Schließlich aber, wie du ja auch wohl weißt, haben nicht wenige Lebewesen die Krise gemeistert."
"Ja schon, aber zu welchem Preis! Es war, genau genommen, überhaupt kein Test, sondern die rücksichtslose Durchsetzung eines Sparprogramms, wodurch ein Massensterben billigend in Kauf genommen wurde."
"Also, Moment! Zuerst einmal wurde zu keinem Zeitpunkt überhaupt irgendwelche Energie eingespart, sondern nur eine ihrer kostspieligen Quellen vorübergehend durch aufgewirbelten Staub verdunkelt!"
"Wie das?"
"Durch diesen besagten gezielten Meteoriteneinschlag..."
"...der den Lebewesen, die sich durch Sonnenenergie erwärmten und die jetzt auf weitgehend eigene Energieerzeugung durch Bewegung umstellen sollten, deren Energiespender wiederum vermehrter Verzehr von vornehmlich pflanzlicher Nahrung gewesen wäre, diese genau wegnahm, weil nämlich die Pflanzen ihrerseits Sonnenlicht in Wachstumsenergie umwandeln! Klingt das logisch?"
"Nein, zuerst einmal klingt es hauptsächlich kompliziert, wie du das ausdrückst. Muss an dieser Sprache hier liegen! Aber das System war viel komplexer. Erstens gab es schon viele Warmblüter, Säuger zumeist, die sich anpassen konnten. Dann kannten wir nicht genau die Anzahl der Aasfresser, die es bereits unter den Echsen gab, beziehungsweise wie viele von ihnen vorübergehend auf den Verzehr von Kadavern hätten umsteigen können, um die Krise zu überstehen."
"Schon wieder so ein windiger verbaler Schachzug. Wo sollten denn die vermehrt anfallenden toten Tiere herkommen, wenn nicht genau von denen, die ins Gras bissen, weil sie nämlich genau das nicht mehr konnten, im buchstäblichen Sinne.