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      Hier wurde sein Nachdenken unterbrochen. Ein Schreiber trat ins Zimmer und meldete:

      Herr Darrell wünscht Sie zu sprechen, Sir.

      Lassen Sie ihn gleich eintreten.

      Benham stand auf und streckte ihm die Hände entgegen.

      Gestatten Sie mir, Ihnen mein herzlichstes Beileid auszusprechen, Herr Darrell. Ich habe eben ein Telegramm von Ihrem Vater erhalten. Sie kamen noch eben zur rechten Zeit, nicht wahr?

      Ja, Herr Benham; ich war bei ihr, als sie starb. Ich danke Ihnen herzlich, daß Sie mir schrieben. Ich bin nur deshalb hergekommen.

      Ich bin froh darüber, daß ich es tat, sehr froh. Sie teilten es natürlich Ihrem Vater mit?

      Hubert wurde rot und zog ein Telegramm aus der Tasche.

      Ja, ich telegraphierte ihm gestern abend und erhielt dies als Erwiderung.

      Benhams Stirn verfinsterte sich, als er es las.

      Hm! sagte er. Das hätte ich kaum gedacht – doch bin ich nicht überrascht.

      Es ist eine rohe Botschaft, Herr Benham.

      Mein Gewissen zwingt mich, dasselbe zu sagen.

      Sie haben schon genaue Anweisungen von ihm erhalten?

      Schon lange. Ich treffe all die Anordnungen für die Leichenfeierlichkeit, entlasse die ganze Dienerschaft mit einem Monatslohn für jeden, und nach Verlauf von vierzehn Tagen verfüge ich über das Mobiliar und vermiete das Haus. Ihrer Mutter eigene persönliche Habseligkeiten stehen zu Ihrer Verfügung. Das ist alles.

      Es ist deutlich genug, das weiß Gott, Herr Benham. Ich meine, nun ist die Zeit gekommen, wo es mir gestattet sein sollte, Ihnen einige offene Fragen vorzulegen.

      Bitte, Herr Darrell.

      Sie werden mir offen antworten?

      Ganz gewiß.

      Dann lassen Sie mich, bitte, wissen, was der Grund der langen Entfremdung zwischen meinem Vater und meiner Mutter gewesen ist.

      Das kann ich nicht, so gern ich möchte. Das habe ich nie herausfinden können.

      Sie haben auch keine Vermutungen darüber?

      Keine.

      Keine Ansichten?

      Keine. Ihr Vater ließ sich nie befragen, und der Stolz versiegelte die Lippen Ihrer Mutter. Wenigstens stellte ich es mir immer so vor.

      Haben Sie nie etwas von einem vermißten silbernen Kästchen gehört?

      Niemals. Warum?

      Sie sprach am letzten Abend von einem solchen, aber ganz unzusammenhängend. Sie sagte, es enthielte etwas, das, wie ich folgerte, von Wichtigkeit für sie und mich sei – Papiere, mußte ich annehmen. Ihre Worte waren, daß ihr guter Name daran hinge.

      Benham spitzte bei diesen Worten die Ohren. Er dachte an Sydney Darrells Testament.

      Dies kann für Sie von der größten Wichtigkeit sein, sagte er. Haben Sie Nachforschungen angestellt?

      Ja. Der alte Diener erinnert sich dessen sehr deutlich; er sagt, daß es vor einiger Zeit gestohlen wurde und daß meine Mutter sich sehr um jenen Verlust grämte. Er sagt, daß es von sehr seltsamer Form und Arbeit war und daß er es sofort wiedererkennen würde. Vielleicht könnte man ihm nachforschen.

      Zweifellos kann man das. Jedem Ding kann man in London nachforschen. Und Benham schrieb sich sorgsam diesen Umstand auf. Machte sie Ihnen eine weitere Mitteilung, Herr Darrell?

      Hubert zögerte einen Augenblick. Sollte er ihm von den Juwelen sagen? Es schien kein triftiger Grund dafür vorhanden. Es war sicher seiner Mutter Wunsch, daß es Geheimnis zwischen ihnen bleiben sollte – ein Geheimnis, von dem, wie er aus Klugheitsgründen fühlte, nur sein Vater, aber kein andrer, erfahren dürfte.

      Nein, sagte er dann endlich, nichts, was mit diesem Gegenstand irgendwie zusammenhängen könnte, Herr Benham. Kann ich meines Vaters Telegramm sehen?

      Natürlich. Hier ist es.

      Als Hubert es aus des Anwalts Händen nahm und las, stieg ihm heiße Röte bis an die Haarwurzeln.

      »Ihr Sohn«, wiederholte er; »ihr Sohn«! Er tut, als ob ich ein Gleichgültiger, ein bloßer Fremder für ihn wäre, und das bin ich ja auch für ihn; das ist nur zu wahr. Aber darin liegt etwas anderes, Herr Benham, das ist deutlich zu verstehen. Doch es ist eine Lüge, Herr Benham!

      Ich würde mein Leben dafür verpfänden, sagte der Anwalt, sich ebenfalls ereifernd. Keine bessere Frau hat je gelebt als Ihre Mutter, und niemand soll mir je ins Gesicht Böses von ihr zu sagen wagen.

      Bei Gott! sagte Hubert mit erstickter Stimme, das ist prächtig von Ihnen! Ich – ich kann Ihnen nicht ausdrücken, wie diese Worte mich trösten. Ich fühlte mich schrecklich niedergedrückt; aber nun weiß ich, daß meine arme Mutter wenigstens einen guten Freund hatte und daß – darf ich es sagen? –, daß auch ich in Ihnen einen solchen besitze.

      Sie haben ihn, mein lieber junger Mann, sagte der Anwalt, erhob sich und legte seine Hand auf Huberts Schulter, Sie haben ihn; und wir werden schon trotz alledem diesem Geheimnis auf den Grund kommen. Wenn ich Ihren steifnackigen Vater nicht zum Schluß zu Kreuze kriechen lasse, dann soll man mich als Stümper von der Anwaltsliste streichen!

      Es muß unbedingt irgendeinen Weg geben, um das zu bewerkstelligen, fuhr Hubert fort. Ich kann nicht viel mehr ertragen; ich bin übervoll von Betrübnis. Doch jetzt erinnere ich mich an etwas anderes, nämlich, daß ich mich wundere, weshalb Sie Ihren Brief nach Simla sandten.

      Das war doch Ihre Adresse, und Sie erhielten ihn?

      Aber Sie hörten doch zweifellos von dem schrecklichen Skandal wegen –

      Ich achte selten auf Skandal.

      Aber da es mich betraf, so dachte ich –

      Ich wüßte von keinem Skandal, der Sie betreffen könnte.

      Die Zeitungen hier schrieben, ich sei mit eines Obersten Frau weggelaufen.

      Ach ja, so war es. Man sollte die Zeitungen dafür verklagen; ich hoffe, das werden Sie auch tun.

      Was kommt dabei heraus? sagte Hubert bitter. Das Unglück ist einmal geschehen. Aber woher wußten Sie, Herr Benham, daß ich nicht der Angeschuldigte war?

      Weil ich erst die Sache sich ein bißchen verlaufen ließ. Ich erfuhr die wahren Tatsachen auf dem Kriegsministerium.

      Schau einer an, das nenne ich Verstand.

      Unterstützt durch Vertrauen. Ich glaubte es gleich nicht.

      Dann waren Sie also der einzige?

      Denn, fuhr Benham fort, ich wußte, daß Sie bereits stark gebunden waren.

      Ah, das wußten Sie?

      Ja.

      Nun, das ist ja alles vorbei. Diese Zeitungen haben mein Glück zertrümmert. Und daß nur Sie allein genügendes Vertrauen zu mir hatten und genügenden Verstand, um –

      Einen Augenblick, Herr Darrell. Ich fürchte, ich habe unachtsamerweise ein großes Versehen begangen. Ich werfe mir selbst sehr ernstlich vor, daß ich mir nicht die Freiheit nahm, an Fräulein Clare zu schreiben und sie von dem, was ich erfahren hatte, zu benachrichtigen. Ich dachte jedoch, daß Sir John Selhurst Gentleman genug und ehrenhaft genug sein würde, um dem armen Mädchen die Wahrheit zu sagen.

      Hubert wurde sofort blaß vor Leidenschaft. Wollen Sie mir damit etwa sagen, daß er vor der Heirat davon wußte?

      Lange vorher. Ich traf ihn auf dem Kriegsministerium. Er war dort in derselben Absicht gewesen wie ich.

      Dann, sagte Hubert mit Zähneknirschen, gilt es jetzt zwischen uns Kampf bis aufs Messer.

      Ich sehe auch keine andre Möglichkeit, sagte der Richter trocken. Ich

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