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schüttelte sie.

      Natürlich will ich, du leichtgläubiger alter Dummkopf.

      Gut. Du sollst Schmerzensgeld dafür bekommen, weißt du.

      Schon recht, aber das gibt mir meine Kitty nicht zurück. Denke, Harry, wie schrecklich bitter das ist. Ich bin nun etwa vier Stunden lang in London gewesen. Während dieser Zeit sah ich meine Mutter verscheiden, hörte ich einen alten Kameraden sagen, ich verdiente die Peitsche, und erfuhr, daß ich eines Druckfehlers wegen das süßeste Mädchen der Erde verlor. Ist das noch nicht genug?

      Wenn ich das wäre, sagte Sir Harry, so dächte ich, ich würde unter diesen Umständen mich betrinken, oder ich würde ein Gewehr auf die Schulter nehmen, die Fleet Street hinuntergehen und jenen Zeitungskerl suchen.

      Das gibt mir meine Kitty nicht zurück.

      Nein, das tut es nicht, aber da ist noch etwas anderes. Diese Nachricht wird sie umschmeißen. Sie macht sich aus dem fischblütigen, klebrigen Kerl, dem Selhurst, soviel, wie du dir aus – hm – Oberstenfrauen machst; und wenn sie die Wahrheit erfährt –. Bei Gott, ich habe eine Idee.

      Her damit.

      Ich gehe morgen hinunter auf einen kleinen Jagdbummel mit seinem Neffen und Erben Jimmie Selhurst. Du kennst ihn doch?

      Ob ich ihn kenne? Waren wir drei nicht zusammen auf der Schule?

      Natürlich, natürlich. Ein guter Junge, der Jimmie.

      Ein großartiger Junge. Na?

      Und wir wollen es ihr vorsichtig beibringen, dich ins rechte Licht setzen, alter Junge, und sehen, wie sie es aufnimmt.

      Und dann?

      Nun, dann mußt du ihr schreiben und wie ein Donnerwetter auf sie losstürmen, ihr sagen, ihr Mann habe sie unter falschen Vorwänden gewonnen, und sie sei daher noch immer dein Eigentum. Verstanden?

      Nein. Wie kann sie mein Eigentum sein? Sie gehört ihm doch!

      Hast du niemals was von Stehlen gehört? Was tat denn der Gimpel in Simla, du Dämelack? Eine Oberstenfrau zu stehlen, dazu gehört immerhin ein bißchen Schneid und Unternehmungsgeist; trotzdem wollte ich, den Gimpel hätte der Kuckuck geholt. Er hat dir den Skandal in die Schuhe geschoben. Nimm dir das zum Beispiel; setze Lady Selhurst an Stelle der Oberstenfrau, so kommen die Dinge gleich ins reine. Da hättest du Liebesbrauch und zugleich Kriegsbrauch. Was meinst du dazu?

      Der Gedanke ist nicht schlecht. Jedenfalls ist er schneidig, aber –

      Und Hubert seufzte.

      Wenn du ein »aber« dabei siehst, so verdienst du sie nicht.

      Nun, gut also! Ich werde mir die Sache überlegen.

      Bravo!

      Ein Kellner war, unbemerkt von ihnen, ins Zimmer getreten.

      Ein Telegramm für Sie, Herr!

      Da besann sich Hubert, und mit einem neuen Seufzer öffnete er den Umschlag und las:

      Darrell, Wanderer-Klub. – Benham aufsuchen, hat genaue Anweisungen für das Begräbnis erhalten.

      Hat genaue Anweisungen erhalten. Das unmenschliche Ungeheuer!

      Was ist nun wieder los, alter Junge? sagte Sir Harry.

      Nicht viel – ein Telegramm von meinem Vater, das ist alles.

      Hm! sagte Sir Harry und schwieg diskret.

      Es ist eine ekelhafte Welt, Ogilvie, begann Hubert nach einer Pause; dann sammelte er mit einem Blick des Widerwillens den Inhalt von Kittys Paket zusammen. Was wird wohl sonst noch kommen, um mir das Leben zu versüßen? Ich bin neugierig darauf. Es ist für einen jungen Menschen recht angenehm, so was nach Hause schleppen zu müssen, nicht wahr? Soll ich es verbrennen oder was sonst?

      Nein; es könnte dir leid tun. Diese Nebel dauern nicht ewig.

      Nun gut. Damit bin ich nun fertig. Wann wirst du's ihr sagen?

      Wie würde es sein, wenn man morgen beim Mittagessen damit herausplatzte und sähe, wie sie es beide aufnehmen?

      Der Gedanke ist gar nicht übel.

      Es würde jedenfalls einen angenehmen Ton in die Unterhaltung bringen. Es würde Jimmie gefallen, weil es sicherlich den Alten verstimmen würde, den Jimmie wie Gift haßt, und dann könnten wir auch etwas beobachten, was vorkommendenfalls von Nutzen sein könnte –.

      Recht so, vorkommendenfalls.

      Und obendrein will ich dir einen genauen Bericht von den Ereignissen aufschreiben, ehe ich zu Bett gehe. Wie gefällt dir das?

      Prachtvoll. Du bist ein Hauptkerl.

      Nein, das bin ich nicht. Ich habe nur etwas an dir gutzumachen, alter Junge.

      Kümmere dich darum nicht. Ich gehe jetzt. Es ist ein schrecklicher Abend gewesen, Ogilvie. Gute Nacht.

      Gute Nacht, Darrell, und: Kopf hoch!

      Ha ha! Kopf hoch! Das gefällt mir. Aber versuchen will ich's wenigstens, alter Junge.

      Und mit lächelndem Antlitz über einem Herzen so schwer wie Blei schritt Hubert Darrell in die dunkle Nacht hinaus.

      Als er zu Hause ankam, fand er ein helles Feuer in seinem alten Zimmer brennen, ein paar schön angewärmter Pantoffeln, einen Polsterstuhl, der bequem herangerollt war, und daneben auf einem Tische ein kleines leckeres Abendessen bereitstehen.

      Sie müssen etwas essen, Herr Hubert, sagte Simpson, mit einer Miene fast väterlicher Besorgnis; und ich dachte, Sie würden es hier vielleicht gemütlicher als im Eßzimmer finden.

      Es ist heut nacht nirgendwo gemütlich, Simpson, erwiderte Hubert mit einem Seufzer.

      Nein, Herr, das ist es auch nicht, wenigstens meiner Ansicht nach nicht.

      Aber ich danke Ihnen jedenfalls, Simpson, Sie haben es wirklich sehr nett hier für mich gemacht. Sie brauchen aber heut nacht nicht wieder aufzustehen. Sie sehen angegriffen aus und brauchen Ruhe wie ich.

      Sehr wohl, Herr, obwohl ich wahrhaftig nichts danach frage, aufzubleiben, wenn Sie mich nötig haben. Gehen Sie früh aus, Herr?

      Ja; das Bad auf acht Uhr; und ich meine, Sie haben wohl recht in bezug auf das Eßzimmer; ich möchte da nie wieder speisen. Ich will hier frühstücken.

      Sehr wohl, Herr. Und Simpson schickte sich an, fortzugehen.

      Uebrigens, Simpson, ich will morgen zuallererst Herrn Benham aufsuchen –

      Unsern alten Rechtsbeistand, Herr?

      Ja, unsern und – meines – Vaters alten Rechtsbeistand. Ich empfing heut abend ein Telegramm von meinem Vater, Simpson.

      Wirklich?

      Ja, hier ist es. Er sagt, Herr Benham habe genaue Anweisungen für meiner Mutter Begräbnis bekommen, und verweist mich an ihn.

      Aber – aber – Sir! Und eine ungewohnte Röte stieg in des alten Mannes Wangen. Aber, Herr Hubert, Ihre arme Mutter starb ja erst vor drei Stunden; wie war es denn möglich, daß er das schon wußte?

      Das wußte er auch nicht, er kam dem zuvor, mein guter Simpson, er kam dem zuvor; er hat vielleicht sehnlich darauf gewartet. Was bedeutet das alles?

      Das weiß Gott, Herr, ich weiß es nicht. Es ist manches Jahr lang ein schweres Rätsel für mich gewesen – solch eine Dame – solch eine Dame! Meinen Sie, daß er zum Begräbnis kommt, Herr Hubert?

      Ich kenne ihn nicht genau genug, um darüber eine Meinungsäußerung zu wagen. Gute Nacht, Simpson. Ich muß mit Ihnen später noch weiter über das verlorene Kästchen sprechen.

      Sehr wohl, Herr. Gute Nacht.

      Und nun forderte die erschöpfte Natur ihr Recht. Dieser große tapfere junge Mann hatte in seiner großen Angst und Betrübnis seit dem frühen Morgen nichts als

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