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Sagenbuch der Bayrischen Lande. Alexander Schöppner
Читать онлайн.Название Sagenbuch der Bayrischen Lande
Год выпуска 0
isbn 9783742772664
Автор произведения Alexander Schöppner
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
besuchte er täglich das nahegelegene Dillingen.
Manchmal verirrte er sich in dem Ried, Söfe genannt,
und darum ließ seine Mutter Thietberga um neun Uhr
ihm zum Zeichen regelmäßig ein Glöcklein läuten. An
einem Herbstabende hatte er sich verspätet, und um
auf dem von Regen erweichten Boden leichter fortzukommen,
zog er einen Grenzpfahl aus und bediente
sich dessen als Stütze, um über die Gräben zu kommen.
Er wunderte sich, daß er heute die Glocke nicht
höre, und zu gleicher Zeit fiel ihm ein, daß er sehr unrecht
gethan, den Pfahl herauszuziehen, weßhalb er
mühsam die Stelle, wo er selben genommen, suchte,
und wieder befestigte. Und jetzt hörte er auch das
Glöcklein, und kam in Kurzem im Schlosse an, wo
Niemand geläutet haben wollte, denn es war schon
Nachts zwei Uhr. Zur Erinnerung an die Begebenheit
wurde fortan um zwei Uhr in der Nacht ein Zeichen
mit der Glocke gegeben.
51. Der heilige Ulrich mit dem Fisch.
B e r n o vita S. Udalr. in M. V e l s e r opp. p. 617.
K h a m m Hierarch. Aug. I., 130.
Einmal saß der heilige Ulrich in stiller Zelle des St.
Afrastiftes zu Augsburg, vertieft in dem Lesen der
heiligen Schriften. Da läutete es an der Pforte des
Hauses, und Konrad, des Bischofs lieber Bruder von
Konstanz, ward angemeldet. Freudigen Herzens umarmte
ihn der Bischof, weil er ihn lange nicht gesehen,
und unterhielt sich mit ihm in vertraulichen Gesprächen.
Auch wurde ein mäßiges Mahl bereitet, den
willkommenen Gast zu erfrischen. Während sie noch
bei Tische saßen, kam ein Bote des Herzogs von Bayern,
welcher ein Schreiben seines Herrn überbrachte.
Der Bischof befahl, den Boten auf's beste zu bewirthen
und ließ ihm, im Augenblicke nicht bedenkend,
daß Fasttag war, gebratenes Fleisch vorsetzen. Der
Bote ließ sich das schmecken, und nahm auch soviel
davon mit auf die Reise, als er konnte. Unterwegs
aber bedachte er, wie er den frommen Bischof von
Augsburg in der guten Meinung und Achtung seines
Herzogs herabsetzen sollte. Also begab er sich mit
dem noch übrigen Stück von Braten an den Hof und
zeigte es seinem gnädigen Herrn mit den Worten:
»Sehet doch her, das sind die Fastenspeisen des from-
men Ulrich zu Augsburg!« In dem Augenblick aber,
da ihm das Wort entfahren hielt er keinen Braten,
sondern einen gebratenen Fisch in Händen, also daß
er selbst vor Bestürzung kaum seinen Augen traute.
Der Herzog aber erkannte wohl das Gottesgericht,
wodurch die Ehre des frommen Bischofs gerettet, die
Schande des Verläumders aber aufgedeckt worden.
Der Diener bereute es jedoch von Herzen, einen Heiligen
Gottes gelästert zu haben, und bat den Herzog
kniefällig um Verzeihung.
Zum Angedenken an diese Begebenheit wurde der
heilige Ulrich allezeit auf Bildwerken mit einem
Fischlein in der Hand vorgestellt.
52. Was ein Vaterunser werth ist.
Von T h e o d o r H o l s c h e r . – Mündlich, u. B.
M e r t e l u. G. W i n t e r Gesch., Sagen u. Leg. d.
Bayerlandes I., 64.
Zu Augsburg an dem Palast des Bischofs steht ein
Mann,
Dem wird jedweden Mittag die Pforte aufgethan.
Dann reicht der Küchenmeister auf seines Herrn
Gebot
Dem greisen Bettelmann ein reichlich Mittagbrod.
Und dieser nassen Auges verzehret das Geschenk,
Und betet drei Vaterunser des Gebers eingedenk.
Einst drang manch trübe Mähre bis zu des Bischofs
Ohr,
Daß er darob den Frohsinn und alle Ruh verlor.
Er wandelte, um sich zu erheitern, hinaus in den
duftigen Mai,
Da führt ihn seine Straße an dem greisen Bettler
vorbei.
»Sieh da,« so sprach Sankt Ulrich, »wie geht es dir
mein Gast?«
»Wie immer, Euer Hochwürden,« sprach der Alte
ernst und gefaßt.
»Mir geht es nicht wie immer,« entgegnet Jener, »mir
kam
So manche Kunde gestern, die alle Ruh mir nahm.
Vergessen hast du sicher zu beten gestern für mich
Die heiligen Vater unser, doch speis ich täglich dich.«
Der Bettler sprach: »o Vater, ich betete gestern nicht,
Denn euer Küchenmeister der machte ein finster
Gesicht,
Als ich erschien, und murrte und wies mich von der
Thür:
Such' heut' dein Brod wo anders, heut' findest du
nichts hier.«
Und zornig kehrt der Bischof zurück in den Palast,
Beschied vor sich zur Strafe den Küchenmeister in
Hast,
Und sprach: »Sieh' an, welch Elend und welches
schwere Kreuz
Du über mich gehäufet durch deinen bösen Geiz!«
Der Küchenmeister trotzig und allzudreist fragt frei,
Ob an einem Vaterunser so viel gelegen sei.
»Was?« ruft entrüstet der Bischof, »du fragst noch
also kühn?
Wohlan, du sollst mir nach Roma zum heiligen Vater
ziehn,
Den sollst du fragen, wie viel wohl ein Vaterunser sei
werth.
Und seine Antwort bringst du, dann sei dir
Verzeihung gewährt.« –
Und als er kommt nach Roma in vieler Pilger Chor,
Geht er zum heiligen Vater und legt die Frag ihm vor:
Wie viel ein Vaterunser an Gelde wohl sei werth?
Der spricht: »ein Vaterunser eines güldnen Pfennigs
ist werth.«
Der Küchenmeister brachte Sankt Ulrich den
Bescheid,