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genervt. Sie stand auf, trat einen Schritt in Richtung Auto zurück. Sie hielt die Lehne ihres Campingstuhles fest umschlossen. Abstand halten zu den beiden Streithähnen.

      „Solche Situationen hat es schon genug zwischen euch gegeben. Wann gebt ihr es denn endlich auf eure Schwanzlänge zu messen? Ihr nervt gewaltig!“

      Gerd schaute sie mit einer Mischung aus Staunen und Ungläubigkeit an. Um die sofortige Antwort war er nicht verlegen.

      „Schwanzlänge? Es geht hier nicht um die Schwanzlänge. Es geht hier um meine Sichtweise der Dinge. Ihr könnt doch nicht bestimmen, was ich zu denken habe. Ich sage ja nicht, dass ihr meiner Meinung sein müsst.“

      Sonja schaute die ganze Zeit gedankenversunken vor sich hin. Harmonie unter Freunden war für sie sehr wichtig. Streitigkeiten passten nicht. Gerd und Michael waren keine Freunde, aber sie würde es sich wünschen, wenn beide mehr Respekt und Verständnis für den anderen aufbringen würden. Traurig blickte sie mich an. Ihr Blick tat weh. Vielleicht reagierte ich auf Gerd auch nur so empfindlich, weil ich Sonja klar machen wollte, wie er wirklich war. Wenn ich aufrichtig zu mir selbst war, dann entsprach das der Wahrheit. Ich hielt ihrem Blick nicht mehr länger Stand.

      „Ok, Leute, ich möchte jetzt an den Strand gehen“, sagte ich, „Ich spüle noch unsere Sachen. Wer weiß wo das Spülmittel ist?“ Irgendwie musste ich mich aus dieser Situation befreien.

      „Schau mal in unserem Zelt nach. Ich habe es gestern Abend dort hingelegt.“

      Ich sammelte das Geschirr in der Spülschüssel zusammen, suchte mir das Spülmittel aus dem Zelt der Frauen und ging. Die Diskussion mit Gerd setzte sich in meinen Gedanken fort. Dabei ging es natürlich nicht um seine kulinarischen Vorlieben, sondern um mein Misstrauen ihm gegenüber. Die Situation war irgendwie verfahren. Gerds Verhalten Sonja gegenüber war indifferent. Mal war ich sicher, dass er versuchte, sie für sich zu gewinnen. Dann wieder war er kalt ihr gegenüber. Wenn ich Sonjas Verhalten richtig deutete, dann war sie schon interessiert und fand Gerd durchaus anziehend. Gerd war allerdings auch für sie undurchschaubar.

      Wenn ich ihn richtig durchschaute, dann bezweckte er genau das mit seinem Verhalten. Was auch immer. Ich beschloss, genau in dem Augenblick, als ich dort stand und spülte, eifersüchtig zu sein. Der Gedanke manifestierte sich. Er manifestierte sich direkt in einem Plan. Ich würde alles daran setzen, Sonja wieder für mich zu gewinnen. Dabei war ich mir sehr sicher, Gerd für meinen Plan und gegen seine eigenen Absichten einsetzen zu können.

      Kapitel 4

      Der Strand direkt unterhalb des Wachturmes war sehr gut besucht. Familiengetümmel. Kinderkreischen. Deshalb hatten wir uns weiter links einen Platz gesucht. Ein anfänglich einsamer Platz dort, wo sich meist die Nudisten niederließen, verwandelte sich innerhalb einer weiteren Stunde zu einem Platz mitten unter den Nackten. Nicht, dass es mich gestört hätte. Die Frauen störte es auch nicht, nur Gerd behielt seine Badehose strikt an. Während wir uns nahtlose Bräune versprachen, saß er meist nur auf seinem Strandlaken.

      „Man umzingelt uns“, kommentierte Simona das Geschehen mit einem Grinsen.

      Das Meer war traumhaft. Die Wellen peitschten unaufhörlich gegen den Strand. Draußen zauberten die Segel der Surfer bunte, rastlose Flecken auf den Horizont. Direkt an der Wasserlinie spielten einige Beach-Tennis. Viele waren im Meer, spielten mit ihren Kindern Ball oder versuchten sich gegen die Brandung zu behaupten. Gut anderthalb Meter hoch waren die Wellen. Endlich. Über eine Stunde hatte ich das Meer genossen, war geschwommen, getaucht. Jetzt lag ich ausgelaugt am Strand und schaute Simona und Sonja beim Beach-Ball zu. Gerd schlief. Die Temperaturen näherten sich schon der Dreißiggradmarke, aber wegen der frischen Brise war es erträglich.

      Ich genoss das Geräusch der Brandung, den Wind, die Menschen, die am Strand ihre Unbeschwertheit auslebten. Unbeschwert. Das wäre ich auch gerne gewesen. Doch meine Gefühlssituation stand dem im Wege. Während ich so da lag, konnte ich die Gedanken in meinem Kopf nicht kontrollieren. Ich sah Sonja und alle Gedanken kreisten um sie. Dort in meinem Kopf war es nicht weit von hier bis zudem, was früher einmal war. In der Realität schon.

      Als könnte ich damit die Grübelei abschalten, drehte ich mich auf den Bauch. Sand rieselte auf mein Badetuch. Ich wedelte ihn beiseite. Dabei bemerkte ich die zwei Frauen, die links neben uns lagen. Beide zählten offensichtlich zu den Nudisten. Beide waren sehr hübsch, ich genoss den Anblick und freute mich über die kleine Ablenkung. Jetzt bloß nicht starren, dachte ich.

      „Sind wirklich nett anzuschauen“, raunte mir plötzlich Gerd von der anderen Seite zu. Ich erschrak. Fühlte mich ertappt. Mit einem Grinsen versuchte ich das zu überspielen. Ich zog zur Bestätigung meine Augenbrauen zwei Mal schnell nach oben.

      „Das sind zwei reife Frauen, nicht solche Hühner, die nicht wissen, was sie wollen!“

      „Woran machst du das denn fest?“ fragte ich neugierig.

      „Das sehe ich. Ihre Art sich zu bewegen ist cool. Sie strahlen Selbstsicherheit aus.“ Ich versuchte seine Gedanken mit dem zu vergleichen, was ich sah. Gerd trug seine Sonnenbrille. Ich wunderte mich. Beobachtete er die beiden Frauen schon länger?

      „Das kann aber auch gespielt sein“, entgegnete ich. „Wen meinst du denn mit den Hühnern?“

      Jetzt musst du aufpassen was du sagst, dachte ich. Die Frage war eine Falle. Doch Gerd war schlau genug, um nicht hineinzutappen.

      „Weißt du, ich meine keine bestimmte Person damit. Es ist aber doch so, in unserem Bekanntenkreis sind doch viele Frauen, die wirklich noch auf die Weide müssen.“

      Ich musste lachen. Gerd mochte damit Recht haben. Wir kannten definitiv einige Frauen, die wirklich einen unsteten Charakter hatten. Unstet, was die Wahl der Liebhaber betraf, aber recht konstant in deren Wechsel innerhalb kürzester Zeit.

      „Ja, stimmt“, ich konnte nicht anders als Gerd zuzustimmen, „wenn ich da so an deine Ex denke, die hatte wirklich noch einen hohen Bedarf an Weidegrund.“

      „Hör bloß auf.“ Gerd machte eine abwehrende Handbewegung. „Da darf ich nicht dran denken. Ich habe wirklich Geduld und finde es gut, wenn Menschen Dinge ausprobieren wollen. Aber hier? Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Fürchterlich.“ Er schüttelte den Kopf, die Löckchen, die unter seinem Kopftuch heraushingen, wackelten lustig hin und her.

      „Womöglich war es der Altersunterschied.“ Ich setzte mich auf, um mich erneut mit Sonnenmilch einzucremen.

      „Das weiß ich nicht. Ich habe da keine Vergleichsmöglichkeiten. Sie war die erste Frau, die zehn Jahre jünger war.“

      „Wenn ich da an Sonja denke, sie ist auch zehn Jahre jünger als ich. Das hat eigentlich gut geklappt.“

      Ich rubbelte die Sonnenmilch auf die Oberschenkel und kämpfte gegen meine üppige Körperbehaarung. Unfragwürdig war es eine seltsame Situation. Noch am Morgen hatten wir beide uns über banale Dinge gestritten. Jetzt saßen wir dort am Strand, unterhielten uns über unsere partnerschaftlichen Erfahrungen. Da war kein Zwist mehr zu spüren. Sollte er etwa auch seine Pläne haben? Verbrüdern und dann von hinten den Dolch in den Rücken rammen? Ich beschloss nicht zu vergessen, dass er mein Rivale war. Trotzdem war ein Urlaub in harmonischer Stimmung doch erholsamer. Anspannung brauchte ich nicht.

      Ich hatte die Sonnencreme verteilt und stand auf.

      „Warum seid ihr dann nicht mehr zusammen?“

      Gerd stellte mir die Frage aller Fragen. Ich schaute ihn von oben an. Gerd war ein sehr schlanker Mann. Ich fand ja, er sei zu dürr. Wenn er bei einer Größe von 1,80 Meter 65 Kilogramm auf die Waage brachte, dann war das viel.

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