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angesagt.“ Sie schaute mit einem skeptischem Blick über ihre Schulter.

      Sonja prustete los. „Wehe deine Nase leuchtet heute Nacht wieder wie ein Glühwürmchen. Dann werfe ich dich aus dem Zelt und du kannst draußen rum leuchten.“

      „Wer vergisst dabei, wessen Zelt es ist?“

      „Egal, wer leuchtet, fliegt.“

      Sonja und Simona waren Freundinnen. Kennen gelernt hatten sie sich auf einer Party. Es war die Party eines meiner Freunde gewesen. Sonja wollte erst nicht mit, aber schließlich hatte sie doch eingewilligt. Dort hatten sich die beiden den halben Abend in der Küche mit Bier und einer Flasche Baileys vergnügt. Das war der Anfang ihrer Freundschaft.

      Jetzt setzte es freundschaftliche Hiebe. Sonja knuffte ihre Freundin in die Seite.

      Diese Kabbelei sah auch Gerd, als er vom steilen Strandaufgang in den Weg Richtung Bar abbog. So wie er es sich ausgemalt hatte, saß Michael natürlich neben Sonja. In ihm gärte Ärger auf und er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Er schlenderte die letzten Meter bewusst lässig auf die Gruppe zu und fummelte an seinem Kopftuch herum, unter dem seine nassen Locken hervorquollen. Zum Abschluss des Tages am Strand war er noch einmal schwimmen gewesen.

      „Ah, da steht ja schon mein Wein“, sagte er, „Ich danke dir, Sonja.“ Er ließ sich auf der leeren Bank gegenüber von Sonja nieder und griff nach seinem Glas.

      „Warste noch im Wasser?“ fragte Simona. Er nickte.

      „Du tropfst ja noch. Guck mal die Löckchen“, witzelte Sonja und schaute ihm beim Trinken zu. Gerd setzte sich rittlings auf die Bank und ignorierte Sonjas Stichelei.

      „Haben wir schon Pläne für das Essen? Ich würde gern danach noch eine Runde Doppelkopf kloppen. Hoffentlich sind unsere Nachbarn heute Abend nicht da, sonst gibt’s wieder Diskussionen.“ Er schaute fragend in die Runde.

      „Ich hole uns gleich Brot während die Mädels duschen, dann gehen wir und sie schnippeln den Salat. So hatte ich mir das vorgestellt.“ Wir tranken noch jeder unser Viertel Wein aus. Der Alkohol nach dem heißen Tag am Strand tat seine Wirkung. Ein angenehmer Dunst bemächtigte sich des Hirnes. Die Stimmung war gut.

      Auf dem Weg zu unseren Zelten teilten wir uns auf, die Frauen gingen duschen, Gerd und ich holten noch Brot und Wein im kleinen Supermarkt. Wir redeten über belanglose Sachen. Das eigentliche Thema, was zwischen uns stand, sprach keiner an.

      Der Campingplatz war beidseits der staubigen Straße zum Strand angelegt. Hinter der Rezeption, die in einem großen, neuen Gebäude untergebracht war, lag der größte Teil des Zeltplatzes fast ohne jeglichen Schatten. Unsere Zelte drängten sich unter einigen der wenigen Pinien. Trotz des Schattens war es im Zelt nach einem so heißen Tag brütend heiß und unerträglich. Der Teil, in dem wir standen, war für Familien mit Kindern vorgesehen. Wir hatten bei der Anreise Glück gehabt. Normalerweise hätten wir auf der anderen Seite der Straße einen Platz bekommen. Dort waren meist die Jugend - oder Pfadfindergruppen. Dementsprechend war es dort laut. Auf unserer Seite war es still. Ausnahme war eine Gruppe von Leuten, die ihre Trommeln mitgebracht hatte und schon mal eine kleine Jam-Session machten. Doch auch die standen noch weiter im Wald mit ihren Zelten. Der gesamte Platz war sieben Hektar groß, lag inmitten des Foret Domaniale d’hourtin, eines riesigen Waldgebietes. Die nächste Siedlung war Kilometer weit weg. Der Pinienwald war durchzogen von Betontrassen, die die Nazis zu Verteidigungszwecken schnurstracks durch den Wald gelegt hatten und die die Jahrzehnte beinahe unbeschadet überdauert hatten.

      Der Platz war nicht luxuriös. Er war Kult. Extremer Kult. Jahre vorher war er ein Eldorado für Hippies und solche, die welche sein wollten, oder zumindest mit deren Lebensgewohnheiten und Einstellungen übereinstimmen konnten. Jetzt hatte er sich zu einem beliebten Platz für Surfer entwickelt. Überall sah man die weißen Bretter stehen. Bunte Segel mit großen Buchstaben darauf, trockneten gegeneinander gestellt.

      Auch die sanitären Einrichtungen waren nicht luxuriös. Es gab verschiedene bescheidene, grün gestrichene Waschhäuschen, die älter zu sein schienen und einige neu errichtete. Unser Platz lag neben einem solchen älteren Waschhäuschen, was wir als sehr bequem empfanden, weil wir nicht weit zu gehen hatten.

      Vorbei an dem herrlich bunten Wirrwarr von Zelten und Leinen, Autos, Wäscheleinen und Handtüchern, und vorbei an den Bewohnern, die ebenfalls vom Strand zurückkehrten, kamen wir bei unseren Zelten an. Der ganze Platz strahlte Heiterkeit und Lebenslust aus. Die nachmittägliche Sonne entließ die Menschen aus der Umklammerung der Hitze. Überall herrschte nun reges Treiben. Auf der Straße hinter unseren Zelten waren neue Nachbarn angekommen. Sie diskutierten über die beste Platzierung der Zelte. Ein alter, cremefarbener R4 und der VW Campingbus trugen niederländische Kennzeichen. Auf dem VW Bus waren einige Surfbretter befestigt. Ich zählte neun Erwachsene und drei Kinder und überlegte, wie so viele Menschen in zwei Autos von Holland bis an den Atlantik gefahren waren. Die Antwort auf die Frage kam in Form eines orangefarbenen VW Passat kurz darauf über den staubigen Weg geholpert.

      Mit dem Fahrer erhöhte sich die Zahl der Erwachsenen auf zehn.

      Ich wurde durch Sonja und Simona von meiner gedanklichen Aufteilung der Personen auf die vorhandenen Gefährte unterbrochen. Sie kamen scherzend aus Richtung Waschhäuschen zurück. Sonja hatte sich einen Turban aus einem Handtuch gedreht. Simona hatte kürzeres Haar, was schon perfekt frisiert aussah. Beide trugen Röcke und Tops.

      „Habt ihr Wein mitgebracht?“ fragte Simona. Sie hängte ihre nassen Handtücher auf die Wäscheleine. „Aber sicher“, antwortete Gerd. Sonja krabbelte in ihrem Zelt herum und brummelte vor sich hin.

      „Suchst du was, Liebes?“

      „Hast du meine Haarbänder gesehen? Ich will mir `nen Zopf machen.“ Die Stimme klang ein wenig gedämpft aus dem Zelt.

      „Nein, habe ich nicht. Ich habe nichts Derartiges dabei, sonst würde ich es dir geben.“

      „Ich habe jetzt eine Haarklammer gefunden, ich nehme die jetzt“, kam es etwas kleinlaut aus dem Zelt. Kurz drauf schob sich ein ziemlich wuscheliger Haarschopf aus dem Zelt.

      „Bloß nicht lachen, hier kommt Frau Wischmopp“.

      „Wenn das mal nicht fishing for compliments ist.“ Aus Gerds Augen blitzte der Schalk.

      „Sei still und schnibbel die Paprika“, nörgelte Sonja. Sie reagierte sehr empfindlich auf Kommentare dieser Art. Vor allem, wenn sie von Gerd kamen. Sie hatte es sehr wohl verstanden, dass er sich für sie interessierte. Sie war sich ihrer Wirkung auf Gerd sicher. Aber er sollte nicht denken, dass sie sich für ihn interessierte. Das war nicht der Fall.

      Mir wurde das zu viel. Ich schnappte mir den Salat und die Schüssel und ging in Richtung des Waschhäuschens davon. Sonjas Art, mit vermeintlicher Kritik und Zurückweisung umzugehen, war mir nur zu gut bekannt. Wir hatten ein gemeinsames Jahr verbracht. Dann hatte sie Schluss gemacht. Für mich eigentlich ohne einen einleuchtenden Grund.

      Als ich Sonja das erste Mal traf, war ich 31 Jahre alt gewesen. Sie arbeitete in einem Pub, den ich sonst eigentlich nie besuchte. Doch an diesem Tag beschloss ich mir diesen Pub einmal anzusehen. Für mich war es einer der Abende, wo es keinerlei Erwartung an den Fortgang der Nacht gab. Eine neue Kneipe anschauen, was konnte da schon passieren? Nach dem Abend wurde der Pub meine Stammkneipe, weil Sonja dort arbeitete. Ich fand, dass sie eine der hübschesten Frauen der Stadt war und war zutiefst entsetzt, weil es viele andere Männer gab, die ebenso dachten. Es hat ein Jahr gedauert bis wir dann zusammenkamen. Zuerst war es nur Freundschaft, doch ganz langsam entwickelte sich daraus mehr. Keiner von uns beiden konnte es schließlich noch leugnen, ohne den anderen zu belügen.

      Vor dem Waschhäuschen war ein Stau vor den Außenwaschbecken. Viele hatten denselben Plan wie ich: Salatwaschen. Ich war noch nicht an der Reihe und mein Blick wanderte die Straße entlang. An diesem Tag schienen noch weitere Familien angekommen zu sein. Mir

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