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Frieden.

      Kapitel 2

      Es war fast halb vier, als ich zu den anderen zurückkehrte. Alle waren jetzt munter und die beiden Frauen drehten sich Zigaretten. Simona gab ihrer Freundin Sonja Feuer. Gerd lag auf dem Bauch und studierte in einem Reiseführer. Ich trocknete mich ab und wechselte die Badehose.

      „Wusstet ihr, dass es über 4000 Chateaus hier im Weinanbaugebiet gibt?“ fragte er. „Doch so viele?“ antwortete Sonja. „Ja, das ist echt eine Menge und alle wollen sie verkaufen.“ Gerd schaute zu mir herüber. Ich antwortete mit einem knappen „Wow, hätte ich nicht gedacht!“

      Er versuchte weiter auf Normalität zu machen. Noch vor zwei Wochen hätte keiner gedacht, dass wir beiden Männer zusammen in Urlaub fahren würden. Zu oft waren wir in der Vergangenheit aneinander geraten. Eigentlich wegen Banalitäten. Nicht, dass ich streitsüchtig war, nein, mir ging seine Selbstherrlichkeit und Sturheit einfach gegen den Strich. Jetzt lagen wir zusammen am Strand und ich hörte mir gelangweilt seine Konversation an. Was hatte mich dazu bewogen? Mein Herz? Na ja, eher mein gekränkter Stolz und meine Neugier. Würde er es wagen in meinem Beisein Sonja anzumachen? Und wenn ja, dann würde ich mich komplett zum Deppen machen. Aber ich hatte es ja so gewollt.

      „Hier steht, das größte der Gebiete sei das Entre-deux-mers. Das liegt zwischen der Garonne und der Dordogne. Komisch, dass sie die Flüsse als Meer bezeichnen. ‚Mer’ heißt doch ‚Meer’ auf Deutsch, oder?“, fragte er. Alle nickten artig. Keinen interessierte das wirklich.

      „Also mir reicht jetzt die Theorie“, warf ich ein, „Ich geh jetzt in die Bar und lasse ein wenig flüssige Praxis durch meine Kehle rinnen. Ich habe einen Megadurst. Kommt eine der beiden Schönheiten mit?“

      Schon war ich dabei und packte meine Sachen zu einer Rolle, die ich mir unter den Arm klemmte. Das Gefühl hier schnell weg zu müssen, war zu stark geworden. Lieber hätte ich mich mit nacktem Arsch in einen Ameisenhaufen gesetzt, als hier noch länger ruhig zu liegen.

      „Was für eine Frage“ sagte Simona und Sonja war mit einem Sprung auf den Beinen. Nur Gerd fühlte sich ein wenig übergangen. Er mochte es nicht, wenn ihm jemand die Show stahl.

      Simona zog sich ihr Bikinioberteil an und packte ihre Sachen zusammen. Sie war eine Frau mit vielen Rundungen. Als schlank konnte man sie bei Weitem nicht bezeichnen. Auf einem recht ausladenden Becken saß ein weniger breiter Oberkörper. Ihr feuerrotes Haar war eine Warnung. Man sollte sich nicht mit ihr anlegen, obwohl sie eigentlich ein sehr besonnener Mensch war. Unter den runden, blauen Augen saß eine kleine spitze Nase, gefolgt von einem schmalen Mund und beendet von einem runden, knubbeligen Kinn.

      Sonja kniete im Sand und buddelte ihre vergrabenen Kippen wieder aus. Ihre blonden Locken berührten dabei fast den Boden. Sie hatte sehr blaue Augen, einen süßen Schmollmund, auf den sie aber auch nicht gefallen war. Alles, was sie tat, machte sie mit einer gewissen Grazie. Nicht, weil sie grazil sein wollte, aus Berechnung, sondern weil sie es einfach war. Alles in allem ein verdammt guter Grund trotzdem mit jemandem in Urlaub zu fahren, von dem viele behaupteten, er sei ein überhebliches Arschloch.

      Gerd war noch immer in seinem Reiseführer vertieft, lies uns aber nicht mehr daran teilhaben. Hinter seiner Sonnenbrille beobachtete er Sonja beim Packen.

      „Ich komme dann gleich nach. Sonja, du kannst mir ja schon mal einen viertel Roten bestellen, bitte“, erzählte er wie beiläufig, ohne aufzuschauen. Seine braunen Augen ruhten auf den Buchseiten. Eigentlich strahlten sie Wärme aus, doch konnten sie die Farbe Braun in Eis verwandeln.

      „Ja, mache ich“, sagte sie.

      Ja, das saß und ich war mir sehr sicher, dass er das aus Berechnung getan hatte. Gerd hatte einfach nur eine Bitte geäußert. Aber er hatte nicht einfach die Gruppe gefragt, sondern speziell Sonja. Meine Sonja. Nein, nicht mehr. Meine Exfreundin Sonja. Ich haderte mit mir. Man sollte ein Gesetz gegen Dummheit erlassen oder jeden, der mit seiner Exfreundin in Urlaub fahren will, vorher auf seinen Geisteszustand überprüfen. Zumal wenn derjenige, der gern der Zukünftige werden würde, auch zugegen war. Verschärfte Bedingungen. Egal.

      Wir trotteten zusammen durch den immer noch heißen Sand. Ich ging hinter den Frauen her und schaute noch einmal zum Meer herüber. Ob wohl Wind aufkommen würde?

      Die letzten 50 Meter des Weges ging es recht steil bergauf. Wir gingen ganz links auf den Bohlen. Das war einfacher. Einmal rechts abbiegen, dann wurde es wieder eben. Die Bar lag rechts neben dem Weg zum Campingplatz. Sie war nichts Besonderes, vor allem verdiente sie den Namen ‚Bar‘ eigentlich nicht. Es war eine überdachte, Frittenbude mit einfachen Holzbänken und Holztischen draußen und rustikaler Bestuhlung drinnen. Aber nach einem heißen Tag am Strand war sie einfach nur der beste Ort der Welt. Der Blick über das Meer von dort war das Sahnehäubchen.

      Simona setzte sich. Sonja und ich blieben stehen, legten unsere Handtücher als Platzhalter ab und gingen hinein um die Getränke zu holen. Es herrschte Selbstbedienung. Noch waren die besten Plätze mit Ausblick zu haben. Wie immer hatten wir die Bank ganz links ausgewählt. Dort saß man am ruhigsten, ohne Geschiebe und mit unverbaubarer Meerblickgarantie.

      Wir traten durch die Holztür ein. Sie quietschte ein wenig. Auf dem Tresen standen schon die kleinen Karaffen mit dem Viertelliter Inhalt parat. Im Hintergrund plärrte ein Radio. Ich sah mich um. Jetzt war es möglich, etwas später würde der kleine Raum voller Menschen sein. So leer hatte ich den Schankraum bislang noch nicht erlebt.

      Auch von innen war die Bar rustikal gehalten. Links war der Tresen, hinter dem der nette Tageskellner stand und Gläser polierte. Alles war zwar in Holz gehalten, trotzdem hatte nichts wirklich Charme, sondern es war alles nur praktisch. Das einzige Auffällige waren ein paar Emaille Schilder, die hinter dem Tresen an der Wand hingen. Die üblichen Flaschen mit Spirituosen standen aufgereiht auf einfachen Holzregalen. Rechts standen ein paar gefällige Tische mit unbequem aussehenden Stühlen. Von dort aus hatte man allerdings den Blick auf den Atlantik. Das war das Kapital der Bar. Der Ausblick.

      Wir bestellten, der Kellner nannte den Preis. Ich wollte zahlen, Sonja verwickelte sich noch einen kleinen Plausch mit dem Kellner. Er war ein hübscher, dunkelhaariger Franzose mit sanften, braunen Augen. Ein Frauentyp, dachte ich. Sonjas Französisch war sehr holprig und er verstand kein Englisch. Also kam keine wirkliche Unterhaltung zustande. War mir ganz recht, wir sagten ‚ciao‘ und schon schleppten Sonja und ich jeweils zwei Karaffen und zwei Gläser. Simona war noch alleine. Sie hatte sich umgesetzt und einen der begehrten Plätze mit Aussicht eingenommen. Also setzten wir uns daneben und schenkten uns den Wein ein.

      Ich legte meine Beine auf einen aus Pinienästen gezimmerten Zaun, und nahm einen Schluck aus meinem Glas. Von dort aus sah man über die Dünen, mit dem spärlichen Grasbewuchs, bevor die Kante zum Strand hin abbrach. Ein Zaun, aus mit Draht verbundenen Stöcken, der Sandverwehungen abhalten sollte, wand sich wie eine ungeduldige Schlange und verschwand dann aus dem Blick. Die Sonne brachte den roten Wein im Glas zum Funkeln. Ich hielt das Glas direkt vor die Sonne und betrachtete die Farbe. Der Rotwein war genauso wie die Bar nichts Besonderes, ein Landwein. Vermutlich auch nicht aus den benachbarten Anbaugebieten, ein billiger vin de pays. Trotzdem schmeckte er köstlich.

      Die Frauen sprachen über das Abendessen. Der Gedanke an Essen riss mich aus meinen Träumen. Mittags hatten wir Obst und pisswarmen Naturjoghurt am Strand gegessen. Was man bei der Hitze so essen konnte.

      „Schauen wir, ob es im Supermarkt noch Baguettes gibt. Wir haben noch Salat, Paprika und Tomaten“, schlug Sonja vor.

      „Hoffentlich sind die Baguettes nicht wieder so labberig“, sagte Simona, „vielleicht nehmen wir dann besser Flutes.“

      „Wenn ich meinen Wein alle habe, dann geh ich mal schauen“, sagte ich, „wir müssen ja nicht alle gehen. Ihr könnt dann schon mal duschen und so.“ Ich grinste.

      „Vor

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