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Becken schob und es zerbrach, war er bereits tot.“

      Plasshöhler beendete seinen Vortrag, trat von der anderen Seite an den Leichnam heran und hob ihn leicht an.

      „Hoffen Sie?“

      „Nein. Das weiß ich definitiv.“

      Hell schob das weiße Laken zurück. Dann nahm er den Arm des Toten. Er fühlte sich schwerer an, als erwartet. Er drückte vorsichtig die Hand des Mannes und legte sie wieder ab. Vorsichtig zog er das Laken wieder an seinen Platz. Eine Art Abschied. Eine Art Versprechen.

      *

      Als sich Hell in seinem Sessel niederließ, war es schon halb acht. Noch war das neue Büro nicht seins. Er würde nicht sagen, dass es ihm fremd war, doch war alles anders. In seinem alten Büro in der Bornheimer Straße hatte er seine Ruhe gehabt. Dort gab es richtige Mauern und Türen. Hier war jetzt alles anders. Die Mauern waren keine Mauern, sondern aus Glas. Es gab zwar Türen und Jalousien, doch war man niemals richtig für sich.

      Vieles stürmte in den letzten Stunden auf Hell ein. Nachdem er aus der Gerichtsmedizin in die warme Morgenluft trat, war es sechs Uhr. Er hatte sofort überlegt, ob er Franziska in Frankfurt anrufen sollte. Doch verwarf er den Gedanken wieder.

      Für sieben Uhr hatte er sein Team in den Besprechungsraum bestellt. Klauk hatte schon vom Tod Gauernacks gehört, Wendt und Rosin reagierten geschockt.

      „Das ist nicht wahr oder?“, fragte Wendt, „Gauernack?“ Er fuhr sich mit der Hand über den Mund und hielt in der Bewegung inne.

      Die Bartstoppeln in seinem Gesicht waren ein wenig zu lang. Kein Dreitagebart mehr. Hart an der Grenze zum ungepflegt sein.

      „Ein Unfall? Warum sollen wir dann ermitteln?“, fragte Rosin, nachdem Hell ihnen kurz das Geschehen vom Vorabend geschildert hatte.

      „Es gibt daran Zweifel durch die Aussage von Maier“, hatte Hell geantwortet.

      „Aussage?“

      „Gauernack hatte um das Treffen mit Maier gebeten. Der weiß nicht, was der Staatsanwalt ihm mitteilen wollte.“

      Hell erzählte seinen Leuten kurz in Steno-Form die weiteren Ereignisse. Die beklemmenden Minuten an der Unfallstelle. Die Heimfahrt. Der Ausdruck in der Stimme des Anrufers, der sich ‚Oskar‘ nannte. Der Schuss. Der Schock. Der Einsatz des SEK. Die Auseinandersetzung mit Demian Roberts.

      „Was für eine Nacht, Chef“, sagte Klauk, „Erst dieser ominöse Unfall, dann der Anruf von ‚Oskar‘!“

      Hell strich sich über seine Narbe auf der Stirn. Unbewusst. „Ja“, sagte er.

      *

      Er schaute über den Rand seines großen Flat-Screens, der jetzt auf seinem Schreibtisch stand und sah wie im anschließenden Raum Wendt, Klauk und Rosin von ihren Stühlen aufstanden. Zwei Sekunden später öffnete sich die Türe. Wendt trug einen Zettel in der Hand.

      „Stephan Gericke ist nicht zuhause“, sagte er, „Er ist aus dem Krankenhaus um halb fünf entlassen worden. Jemand holte ihn ab, wohl eine Frau. Seitdem ist er verschwunden.“

      „Was auch immer das zu bedeuten hat“, sagte Klauk.

      „Vielleicht geht es ihm auch einfach gut und er ist zur Arbeit gegangen“, sagte Rosin. Sie trug ein Figur betonendes, langes Kleid mit einem breiten Gürtel. Schwarz-weiße Karos mit einer großen Schnalle. Hell fand, das Rot des Kleides stand ihr hervorragend. Er fing einen Blick von Klauk ab, der sich auf den Rundungen der Kollegin festsetzte.

      Als ihm auffiel, dass Hell schmunzelnd seinen Blick bemerkte, schob er seine Brille auf der Nase zurecht. Er fühlte sich ertappt.

      „Wir müssen das herausfinden. Solange gilt er bloß als ein Unfallverursacher, sonst nichts mehr“, sagte Wendt

      Hell setzte sich im Sessel zurück. Er schob seine Unterlippe vor.

      „Wir müssen die ganze Sache koordinieren. Wir können nicht den Unfall Gauernacks untersuchen und uns gleichzeitig um ‚Oskar‘ kümmern. Wir müssen uns aufteilen oder einen der beiden Fälle – sollte es tatsächlich einen „Fall Gauernack“ geben – abgeben.“

      „Lessenich, der kann auch mal etwas tun“, sagte Klauk.

      „Nicht so voreilig“, mahnte Wendt und wedelte mit seinem Zeigefinger vor Klauks Gesicht. Hell machte eine abwehrende Handbewegung und stand auf.

      „Wir müssen zuerst alles über diesen Gericke herausfinden. Wer von euch kümmert sich?“

      Wendt nickte. „Ok, wir anderen sind dann ab sofort Fans von ‚Oskar‘. Haben wir schon die Telefonnummer, unter der dieser Kerl im Studio angerufen hat?“

      „Ja, haben wir. Es war das Handy von Jan Schnackenberg“, sagte Rosin.

      „Gut, das war zu erwarten“, sagte Hell ruhig und zog trotzdem verärgert die Augenbrauen hoch, „Nutzen wir doch mal unsere neuen Möglichkeiten.“

      Er ging durch die Türe in den riesigen, offenen Nebenraum. Eine Seite des Raumes war komplett verglast. Mit Jalousien konnte man ihn gänzlich abdunkeln. Hell sah sich kurz um und stellte sich neben die großen gläsernen Wände, auf die man schreiben, aber auch Notizen aufkleben konnte. Man kannte sie aus den amerikanischen Serien.

      Jetzt hielt diese Mode auch in Hells Leben Einzug. Er hatte nichts dagegen. Ganz im Gegenteil. Diese transparenten Tafeln hatten den Vorteil, dass sie eben durchsichtig waren. Solange, wie man sie nicht nutzte, waren sie nahezu unsichtbar. Nichts stand optisch störend in der Gegend herum. Erst jetzt wurde die Tafel zu einem Hilfsmittel.

      Er griff nach einem der Marker und schrieb oben auf die Glasscheibe das Wort ‚Oskar‘.

      „Was haben wir?“ Ein wenig kam er sich dabei vor, wie ein Lehrer.

      „Wir haben einen toten Banker. Und wir haben einen Täter, der gerne die Öffentlichkeit nutzt. Ich denke, wir sollten in der Bank vorstellig werden, um herauszufinden, ob es dort in der letzten Zeit Probleme mit einem unzufriedenen Kunden gegeben hat“, sagte Klauk und gab Hell ein Foto des Toten.

      „Sebastian, das ist deine Aufgabe“, sagte Hell und pappte das Bild von Jan Schnackenberg rechts unter den Namen ‚Oskar‘.

      Klauk nickte. „Schnackenberg war Single. Man hat jedenfalls auf seinem Handy keine Mails oder SMS gefunden, die auf eine Freundin schließen lassen. Das sagt uns die KTU“, sagte Rosin.

      „Schlecht“, murmelte Hell. Es wäre einfacher gewesen, wenn eine Freundin zur Verfügung gestanden hätte. Schnackenberg hätte ihr sicher von einem Streit mit einem Kunden berichtet.

      „Die Bank macht erst um neun Uhr auf. Bis dahin haben wir noch Zeit“, sagte Klauk mit einem Blick auf seine Armbanduhr.

      „Wir müssen ausnutzen, dass Tausende von Hörern seine Stimme live gehört haben“, sagte Rosin und schlug ein Bein über das andere. Sofort hing Klauks Blick kurz auf ihrer Haut.

      „Was willst Du machen?“, fragte er.

      „Seine Stimme im Radio ausstrahlen. Vielleicht erkennt ihn dort jemand.“

      „Damit geben wir ihm erneut ein Publikum“, gab Wendt zu bedenken.

      „Die Möglichkeit sollten wir trotzdem in Betracht ziehen. Lea, kümmerst Du dich bitte darum? Wenn wir uns dafür entscheiden, muss alles vorbereitet sein. Dazu gehört auch, dass Du dich mit diesem Demian Roberts in Verbindung setzen musst. Wenn wir es über das Bonner Radio ausstrahlen lassen, brauchen wir sein OK.“

      Hell spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten, als er an Demian Roberts dachte. Mehr konnte er im Moment nicht tun. Alle Teammitglieder hatten eine Aufgabe. Für halb neun hatte ihn Brigitta Hansen in ihr Büro zitiert. Sie wollten das weitere Vorgehen besprechen und eine Pressekonferenz vorbereiten. Er beendete die kurze Dienstbesprechung.

      Einer der Vorteile an dem neuen Dienstgebäude war der Komfort, den man nun genoss. Es gab Duschen und sogar

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