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Feierabend und raste durch die laue Nacht.

      Was für ein Tag. Erst starb Gauernack, dann tauchte ein Mörder im Radio auf, der live tötet.

      Das Radio spielte einen belanglosen Titel. Kurz drauf hörte man die mitfühlende Stimme von Demian Roberts.

      „Hallo liebe Hörer, wir wissen nicht, ob sich eben jemand einen Scherz mit uns erlaubt hat. Bis wir das definitiv wissen, werden wir Musik spielen. Die heutige Talk-Runde ist beendet. Ich hoffe auf euer Verständnis. Sobald ich etwas weiß, melde ich mich wieder. Euer Demian sagt: „bis später“.

      Er nahm den Kopfhörer diesmal betont langsam herunter. So etwas hatte er in seiner langen Radio-Karriere noch nicht erlebt.

      „Du bist kreidebleich, Demian. Geht es dir gut?“, fragte der Aufnahmeleiter, der in der Türe zum Studio stand.

      Roberts schluckte und fuhr sich mit der Hand durch die kurzen Haare.

      „Ja, mir geht es gut.“

      „Wir müssen mit der Polizei Kontakt aufnehmen“, sagte der Aufnahmeleiter.

      „Ich überlege, ob wir mit einem Ü-Wagen hinfahren sollen. Was denkst Du?“, fragte Demian Roberts.

      „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee sein wird“, gab der Aufnahmeleiter zu bedenken, „Es werden sicher schon einige Schaulustige auf dem Weg dorthin sein. Was meinst Du, wie viele das gehört haben und sich jetzt ins Auto setzen um dorthin zu fahren?“

      „Egal, wir machen unsere Reportage. Live und vor Ort. Er hat bei uns angerufen. Also haben wir auch das Recht zu berichten.“

      „Dort werden ein Haufen Polizisten herumwimmeln. Die werden die Schaulustigen vertreiben.“

      „Umso besser, dann haben wir unsere Hörer direkt auf dem Äther. Wir sind doch alle Reporter. Das ist unsere Chance. Unser Mordfall!“, sagte Roberts.

      *

      Der Mercedes rauschte in die kleine Sackgasse hinein. Vor der Hausnummer, die ihm die Kollegin genannt hatte, bremste er.

      Kein SEK in Sicht. Wie vermutet. Er stieg aus, entsicherte seine Waffe und rannte mit der Sig Sauer im Anschlag auf die Gartentüre zu. Der Kommissar fingerte nach der Entriegelung des Jägerzaunes. Die Türe flog zur Seite. Vor ihm lag ein plattierter Weg. Seitlich standen ein paar windschiefe Büsche, die dringend einen Schnitt bedurften. Wenige im Boden eingelassene Strahler beleuchteten den Weg. Hell nahm es nicht wahr. Er schritt schnell auf die Eingangstüre zu. Hielt kurz innen, atmete durch.

      Die Haustür stand offen. Neben der Türe hing ein Metallschild auf dem der Name Schnackenberg stand. Schweiß trat auf seine Stirn. Er schob die Türe ein Stück mehr auf.

      „Hallo Polizei! Herr Schnackenberg, sind Sie daheim?“ Er wartete.

      Keine Antwort. Hell trat in den Flur hinein. Sein Puls flog. Sollte er warten?

      Nein. Falls der Mann noch lebte, zählte jede Sekunde. Er zog die Taschenlampe aus der Jacketttasche. Der Lichtkegel hastete hin und her. Wo würde ich einen Mann exekutieren? Denk nach, Hell. Wo?

      Im Wohnzimmer. Die meisten Menschen wurden in ihrem Wohnzimmer ermordet. Links lag die Küche. Er trat ein. Der Raum war geräumig und aufgeräumt. Er ging weiter. Durch eine weitere Türe sah er einen Tisch. Der Essbereich.

      Hell ging schnell weiter, ließ den Esstisch rechts liegen. Das Wohnzimmer.

      Moderne Möbel, die Türe zur Terrasse stand auf. Schiebegardinen machten ein leises Geräusch. Davor eine große, bequeme Couch, zwei Sessel. Alles in ein gespenstisches, unheilvolles Halbdunkel gehüllt.

      Dann sah Hell etwas. Über einer der Sessellehnen hing eine Hand herunter. Hell war mit drei schnellen Schritten dort. Die Lampe leuchtete in das Gesicht.

      Tot.

      Der Mann, der in den Lichtkegel starrte, war tot. Ein riesiges Loch klaffte in seiner Stirn. Hell wandte sich mit einer schnellen Bewegung ab.

      „Verdammt, verdammt!“, fluchte er leise vor sich hin. Doch hielt er sich nicht lange mit einer solchen Reaktion auf.

      Es war also kein Scherz gewesen, sondern tödlicher Ernst. Was war das Motiv? Warum suchte der Täter diese Öffentlichkeit? Befand sich ‚Oskar‘ vielleicht sogar noch im Haus? Hell hob seine Waffe wieder und bewegte sich langsam weiter.

      Mitten in seinen Überlegungen hörte er hinter sich plötzlich ein Geräusch. Er fuhr herum. Ein roter Laser flackerte über seine Brust. Ein zweiter. Eine Taschenlampe leuchtete ihm direkt ins Gesicht. Er sah nur dunkle Kampfstiefel auf sich zukommen.

      „Hey, Polizei. Ich bin’s, Oliver Hell.“ Er hob vorsichtshalber die Hand mit der Waffe vor seine Augen, „Ich habe euch informiert.“

      Schon war einer der SEK-Beamten neben ihm. Hell sah unter seiner Maske den prüfenden Blick. Dann erkannte er den Kommissar.

      „Schon gut“, sagte er unter seiner Maske, winkte seine Kollegen durch, und sagte mit einem schnellen Seitenblick auf die Leiche, „Wir haben einen Toten. Kommissar Hell, haben Sie das Haus schon abgesucht?“

      Hell schüttelte den Kopf. „Ich wollte gerade weiter.“

      Der SEK-Beamte gab seinen Kollegen ein Zeichen und sie schwärmten aus.

      „Woher wussten Sie es?“

      Hell überlegte kurz, dann sagte er, „Es kam im Radio. Live bei Demian Roberts. Er hat diesen Mann hier live in der Sendung erschossen.“

      Hell sah ein paar zornige Stirnfalten unter dem Helm des Beamten. „Das hatte wir auch noch nicht. Einen Mord im Radio.“

      Hell pflichtete ihm bei.

      „Der Tote heißt aller Voraussicht nach Jan Schnackenberg.“

      Aus dem Keller und dem Obergeschoss meldeten sich die Kollegen vom SEK. Sie gaben Entwarnung.

      „Leer. Das Haus ist leer“, meldete einer der SEK‘ler. Er klappte sein Visier hoch, schaltete den Laser an seiner Waffe aus.

      „Wir kennen uns übrigens noch nicht“, sagte er, „Mein Name ist Tobias Weinert. Ich bin einer der neuen Einsatzleiter.“ Er reichte Hell seine Hand.

      „Angenehm, Oliver Hell“, sagte er und überlegte, wieso es mehrere neue Einsatzleiter gab.

      „Rüstet ihr auf?“

      „Nein“, antwortete Weinert, „Einige sind in Rente oder ausgeschieden. So ist das bei uns.“

      Hell nickte. Der Mann war sicher zwanzig Jahre jünger als er. So schnell wurde man bei den schnellen Sondereinsatzkräften ausgetauscht.

      „Wir bleiben noch so lange, bis die KTU und die Gerichtsmedizin angekommen sind.“ Er klemmte sich seinen Helm unter den Arm.

      „Wissen wir etwas über das Motiv? Ich meine, hat der Täter etwas dazu im Radio gesagt? Wenn er schon so freundlich war, uns den Tatort zu nennen.“

      Weinert trat neben Jan Schnackenbergs Leiche und ging vor ihm in die Knie. Erst jetzt fiel Hell wieder die Größe der Kopfwunde ins Auge. Weinert betrachtete den Toten eingehend im Licht der Taschenlampe. Schmauchspuren. Vermutlich ein aufgesetzter Schuss. Eine Hinrichtung.

      Als Hell antworten wollte, fiel ihm ein grelles Licht im Flur auf. „Nein. Moment“, sagte er nur und machte eine entschuldigende Geste. Dann ging er in die Richtung, wo das Licht herkam.

      Das Licht wurde heller. Er traute seinen Augen nicht, als er erkannte, wo das Licht herrührte. Im Flur stand ein Reporter mit einer geschulterten Video-Kamera. Daneben ein weiterer Mann. Ein SEK-Beamter hielt die Männer davon ab, in das Wohnzimmer zu stürmen.

      Hell trat schnell hinzu. „Was ist denn hier los?“, fragte er in barschem Ton.

      „Der WDR, ist das Jan Schnackenberg, der dort im Sessel sitzt? Ist er tot?“, fragte ein Mann, dessen Stimme Hell bekannt vorkam.

      „Das

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