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ab. Die Straße bleibt für die Dauer der Unfallermittlung gesperrt.“

      „Was werden Sie tun, Frau Oberstaatsanwältin?“

      Am anderen Ende herrschte Stille.

      „Was wollen Sie hören, Herr Kommissar?“ Ihre Stimme klang verbittert.

      Hell hatte die ganze Zeit die Worte des Journalisten Maier im Kopf, die er vor ein paar Monaten ihm gegenüber geäußert hatte. Dabei fiel der Name des Staatsanwaltes in Bezug auf Polizeiinterna. Maier machte einen auf geheimnisvoll und hüllte sich in Schweigen.

      Hell hatte nicht mehr nachgefragt, Maier sich nicht mehr gemeldet. Es erschien auch nie ein Artikel. Für Hell war die Sache erledigt. Doch jetzt kam es wieder hoch. Was hatte Maier gemeint mit den Polizei-Interna?

      „Ich meine, was passiert mit ihm? Wird er in die Gerichtsmedizin überführt? Oder kommt ein … Leichenwagen?“ Hell zögerte, das Wort auszusprechen.

      „Das kommt drauf an, was die Gerichtsmedizin sagt“, antwortete sie.

      „Werden Sie hinfahren, Frau Hansen?“

      „Ich werde es müssen. Ein Kollege ist tot. Da ist das selbstverständlich oder?“

      Hell musste ihr zustimmen. Sein Verhältnis zu Jakob Gauernack war seit einiger Zeit nicht mehr das Beste. Sein Vorgesetzter war oft schlecht gelaunt, traf merkwürdige und für Hell nicht verständliche Entscheidungen. Es hatte deshalb Streit gegeben. Einmal hatte Gauernack ihm sogar offen gedroht. Trotzdem ging es Hell an die Nieren.

      „Wenn man jahrelang mit jemandem zusammenarbeitet, ist das wohl so“, sagte er und das war auch gleichbedeutend mit einer Antwort auf die Frage, die er sich selber stellte.

      „Hole ich Sie ab?“, fragte sie.

      „Ja.“

      *

      Demian Roberts war einer der bekanntesten Radio-Moderatoren in Deutschland. Heute hatte er mal wieder ein Thema ausgewählt für seinen Late-Night-Talk, von dem er sich interessante Gespräche erhoffte.

      Das Thema hieß „Meine prägendsten Erfahrungen“. Weil es ein offenes Thema war, erhoffte sich Roberts ein breites Spektrum an Anrufern.

      Er atmete durch. Gleich würde er auf Sendung gehen. Ein kurzer Seitenblick zum Aufnahmeleiter hinter der dicken Glasscheibe. Er hob den Zeigefinger und ließ ihn dann abknicken. Das Zeichen.

      Rotes Licht. Die Live-Sendung fing an.

      Diese Sendung wurde von Tausenden von Hörern geliebt. Das wusste Roberts. Jetzt war er in seinem Element. Er beugte sich vor sein Mikrofon Mit säuselnder Stimme begann er zu sprechen.

      „Hier ist ihr Demian Roberts, hier ist der Night-Talk auf ihrem WDR. Ich begrüße Sie alle ganz herzlich. Heute mit dem Thema ‚Ihre prägendsten Erfahrungen‘. Was hat ihr Leben geprägt? Erzählen Sie uns ihre Schlimmsten, aber auch gerne ihre Lustigsten oder aufwühlendsten Erlebnisse und Erfahrungen. Gibt es Menschen, die ihnen Gutes getan haben, oder auch Schlechtes? Wir wollen Ihre Story. Bei uns haben Sie Gehör. Die ersten Anrufer kommen direkt nach der nächsten Musik dran.“

      Er machte eine schneidende Handbewegung vor seinem Hals. Ein Jingle plärrte die Telefonnummer durch den Äther, dann kam der angekündigte Titel.

      Oliver Hell saß in seinem Mercedes. In knapp zehn Minuten würde er daheim sein. Er freute sich auf eine Dusche. Das Radio spielte gerade einen Oldie von Cat Stevens, ‚Morning has broken‘.

      Für Oliver Hell war das kein Oldie, er war mit der Musik von Cat Stevens aufgewachsen. Als die letzten Takte des Liedes verklungen waren, meldete sich wieder der Moderator.

      „Hallo, hier ist Demian Roberts. Wen darf ich als unseren ersten Gast begrüßen?“

      Es meldete sich eine weinerliche Frauenstimme. Hell hörte nur mit einem Ohr zu. Die Frau erzählte eine rührselige Geschichte über eine verlorene Liebe. Das wollten die Leute hören. Hell war es zu schnulzig.

      Der Moderator machte ein Zeichen zum Aufnahmeleiter herüber, der warf die Frau nach Ablauf der zwei Minuten aus der Leitung.

      Hell hörte, wie der Moderator wieder seinen Spruch herunterleierte.

      „Hier ist Demian Roberts und unser nächster Gast heißt wie?“

      Man hörte zuerst nichts, dann ein Räuspern. „Mein Name ist Oskar“, sagte der Mann und seine Stimme hatte einen dumpfen Klang.

      Warum auch immer, Hell stellten sich die Nackenhaare auf. Etwas stimmte mit dieser Stimme nicht.

      War es der Tonfall?

      War es das Dumpfe, Bedrohliche, was mitschwang?

      Oder war es die Tatsache, dass er solche Stimmen schon gehört hatte?

      Im Bonner Verhörraum.

      „Hallo Oskar, herzlich willkommen. Was hast Du uns denn zu berichten“, plauderte Roberts los.

      „Es geht ja um einschneidende Erlebnisse. Dazu kann ich vielleicht etwas sagen.“ Es entstand eine Pause.

      „Ja, genau darum geht es uns ja“, sagte Roberts und machte mit beiden Händen eine auffordernde Geste. Seinem Aufnahmeleiter zog er eine Grimasse, was so viel hieß wie: was für Trantüten wählt ihr heute aus?

      Hell wartete auf die nächsten Worte des Mannes.

      Jetzt hatte er verstanden, was die Stimme so seltsam erscheinen ließ. Der Mann, Oskar, sprach durch ein Taschentuch, oder was auch immer.

      „Ich werde heute noch ein sehr entscheidendes Ereignis in meinem Leben haben“, sagte Oskar.

      „Ach so, Du hast es noch gar nicht erlebt, was Du uns berichten willst. Das ist allerdings neu. Was ist es denn?“ Roberts Stimme hatte etwas Lauerndes an sich.

      Hell stockte der Atem. Was kam jetzt?

      „Es ist so, dass ich heute meinen ersten Mord verüben werde. Und da dachte ich, das wäre ein sehr einschneidendes Erlebnis“, er wartete einen Moment, bevor er weitersprach, „Für mich und auch für den Herrn hier vor mir.“

      Demian Roberts entgleisten die Gesichtszüge. „Was hast Du gesagt? Oskar? Ich hoffe, das ist ein schlechter Scherz!“

      Er machte wieder die schneidende Geste vor dem Hals. Der Aufnahmeleiter zögerte. Er zögerte so lange, dass Tausende von Zuhörern das Folgende live miterlebten.

      Der Schuss zerriss die Stille. Hell zuckte förmlich zusammen.

      „Weg, weg, nimm ihn vom Sender!“, brüllte Roberts.

      Hell befand sich ein paar hundert Meter vor der Abfahrt. Seine Nackenhaare standen noch immer aufrecht. War das gerade ein schlechter Scherz gewesen? Spielte da einer mit dem Moderator? Solche Dinge hatte Roberts schon öfter erlebt. Dafür hatte er ein Team an Mitarbeitern engagiert, die die Anrufer checken sollten, bevor sie auf Sendung kamen. Um die Spinner auszusondern.

      Roberts drehte beinahe durch, er warf den Kopfhörer gegen die Glasscheibe, doch der Aufnahmeleiter blieb auf Sendung.

      So hörte Hell, aber auch tausende andere die letzten Worte des potentiellen Mörders.

      „Ich wollte nur noch die Adresse durchgeben. Für die, die es für einen Witz halten. Ich mache keine Witze. Fahrt in die Friedensstraße nach Niederpleis. Sein Name war Jan Schnackenberg.“

      Dann war es still. Oskar hatte aufgelegt. Hell reagierte sofort. Er schnappte sich das Telefon.

      „Hier ist Oliver Hell. Ich brauche sofort die Adresse und Hausnummer von einem Jan Schnackenberg in Sankt Augustin-Niederpleis. Es wurde ein Mord gemeldet. Im Radio. Es fiel ein Schuss.“

      Wie es der Zufall wollte, lag der Ortsteil Niederpleis nicht weit von Hells eigenem Wohnort entfernt. Er setzte das Blaulicht auf das Dach, wartete mit der Sirene noch so lange, bis er die Hausnummer genannt bekam. Das SEK wurde informiert.

      Er

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