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      Hell zog es vor zu schweigen. So lange, bis er den Durchsuchungsbefehl für das Büro von Jan Schnackenberg in Händen hielt. Er blickte nach vorne und fixierte Brigitta Hansen so intensiv, bis sie ihn endlich fragte: „Was ist? Hängt Ihnen noch das Gespräch mit Überthür in den Knochen?“

      „Nein. Das tut es nicht. Wenn ich ganz offen reden darf, Frau Oberstaatsanwältin?“

      „Ich bitte darum.“ Sie schob ihre Lippen nach vorne und wartete.

      „Grand Malheur, wenn wir diesen Mann nicht wieder abschütteln können.“ Er sparte sich weitere Formulierungen, sie verstand ihn auch so.

      „Es ließ sich nicht vermeiden. Der Mann ist quasi eine Bugwelle. Sie haben ja sicherlich von dem Polizeichef gehört, der uns nun zugeteilt wird. Überthür ist gewissermaßen seine Vorhut.“

      Sie verzog ihren Mund. Hell deutete das richtig. Ihr passte es genauso wenig. Denn Überthür würde brühwarm dem Polizeichef alles weitertragen, was seine Vorgesetzte tat. Da Brigitta Hansen selbst erst kurze Zeit im Amt war, konnte man sie nicht wieder abberufen und den Posten anderweitig vergeben. Das wusste auch Überthür. Also war direkt Feuer im Schiff, wenn der Polizeichef seinen Dienst antrat.

      „Er ist nicht nur eine Übergangslösung? Na dann viel Spaß. Vielleicht lassen wir uns dann alle nach Australien versetzen“, scherzte Hell bitter.

      „Nein, soviel wie ich weiß, sollte er genau das andeuten. Und zwar damit man vielleicht unvorsichtig ist und Dinge sagt, weil man denkt, dass er ja bald wieder weg sein wird. Nein, der bleibt uns erhalten. Und wenn ich mal ganz ehrlich sein soll, das wirft kein gutes Licht auf den, der unser aller Vorgesetzter sein soll.“ Sie schüttelte leicht den Kopf.

      Eigentlich wollte ein großer Teil in Hells Gehirn ihr zustimmen, doch dann sagte er, „Es kann ja sein, dass die Höllenhunde schärfer sind, als der Teufel selber.“

      Brigitta Hansen lachte laut und befreit auf. „Sehr gut, Hell. Wenn das Überthür jetzt gehört hätte, er hätte direkt wieder seinen Mund verzogen. Genau wie eben, als Sie den Satz ihres Lehrers zitierten. Den fand ich übrigens sehr gut. Er nicht.“

      Hell tat so, als sei er überrascht. „Ach!“

      „Ja, er nannte Sie einen Geschichtenerzähler.“ In ihren Augen funkelte es.

      „Aha. Ja, das kann ich gut. Geschichten erzählen. Fragen Sie mal meinen Sohn. Aber was ich noch viel besser kann, ist Verbrechen aufzuklären.“

      Er hob den Durchsuchungsbefehl hoch und winkte damit. „In diesem Sinne, Frau Oberstaatsanwältin …“

      Vor der Türe des neuen Büros von Brigitta Hansen hielt er kurz inne, weil sein Telefon klingelte. Umständlich klaubte er es aus der Jackettasche.

      Es war Rosin, die ihm mitteilen wollte, dass sie es geschafft hatte, Demian Roberts die Erlaubnis aus den Rippen zu leiern, die Aufzeichnung auch auf Radio Bonn-Rhein Sieg zu senden. Gegen Mittag würde die Stimme von ‚Oskar‘ das erste Mal über den Äther gehen.

      Ebenso würde es einen Stream auf der Homepage des Senders geben, wo man sich die Stimme jederzeit auf dem Computer anhören konnte. Hell war zufrieden mit der bisher geleisteten Arbeit. Er schaute auf die Armbanduhr. Es war halb elf. Zeit für einen Kaffee aus dem Automaten. Dessen Qualität hatte sich leider mit dem Umzug nicht gebessert.

      *

      Wendt hörte so etwas wie Trompeten oder Fanfaren. Sehr melodiös gespielt. Erst wie durch Watte. Dann plötzlich viel näher. Es setzte ein tiefer Bass ein. Mit einem Mal Trommeln, die sich schnell näherten. Eine Stimme zerriss die musikalische Aufführung. Jemand rüttelte an ihm. Wendt kam zu sich. Er blinzelte.

      „Hey Mann, sind Sie in Ordnung?“ Vor ihm kniete ein Feuerwehrmann. Er rüttelte erneut an seiner Schulter. Was den Schmerz an seinem Hinterkopf in sein Bewusstsein rief.

      „Ja“, jammerte Wendt mit erbärmlicher Stimme, „Scheiße, was ist passiert?“

      „Das ist passiert“, sagte der Feuerwehrmann und machte das Blickfeld frei. Wendt riss die Augen auf. Der MX5, den er eben untersuchen wollte, stand lichterloh in Flammen. Die Flammen waren dabei, auf die holzverkleidete Fassade hinter dem Auto überzugreifen.

      Er rappelte sich hoch. Zeigte auf den brennenden Mazda. „Da ist ein Beweismittel drin. Ich bin Kripo-Beamter. Sie müssen die Karre löschen.“

      „Was glauben Sie, was meine Kollegen dort machen? Sich am dicken Zeh lutschen?“, fragte der Feuerwehrmann.

      Völlig unnötig, aber Wendt zog seinen Polizeiausweis aus der Hosentasche und wollte ihn dem Feuerwehrmann zeigen. Doch der war bereits auf dem Weg, seinen Kollegen zu helfen.

      Der Löschzug stand auf der Straße. Blaulicht blitzte durch die Unterführung. Lange Schläuche führten durch die Unterführung bis zu den Feuerwehrmännern, die das Feuer an dem Hausfassade hinter dem Mazda löschten. Vor dem Auto standen weitere Löschkräfte, die hier den Brand mit Löschschaum bekämpften. Kurze Stöße aus den Löschern kämpften gegen die Flammen, die vor allem im Inneren des Autos wüteten.

      Wendt schaute sich die ganze Sache aus sicherer Entfernung an. Er rieb sich den schmerzenden Hinterkopf. Dort prangte eine amtliche Beule. An seinen Fingern fühlte er Blut. Kein Zweifel, jemand hatte ihm eins auf den Schädel gegeben. Sehr wahrscheinlich, weil er die Tasche hinter dem Sitz entdeckt hatte. Derjenige hatte sicher auch den Wagen in Brand gesteckt.

      Die Tasche. War es die Tasche von Gauernack? Solange der Mazda noch brannte, konnte er nicht hinübergehen, um nachzusehen.

      Durch die Unterführung kam im Laufschritt ein Rettungssanitäter auf ihn zu.

      „Sind Sie verletzt?“, fragte der Sanitäter und stellte seinen Notfallkoffer neben Wendt auf den Boden.

      „Nein, bloß eine Beule. Mir geht’s gut. Machen Sie sich keine Mühe.“

      „Lassen Sie mich mal sehen“, sagte der Sanitäter und Wendt drehte sich zu ihm hin. Der Mann tastete nach der Beule.

      „Wow, da hat ihnen aber einer kräftig eins verpasst. Ist Ihnen schwindelig?“

      „Nein. Alles gut. Der Schädel brummt nur etwas.“

      Der Sanitäter tupfte mit etwas auf die Wunde, was fürchterlich brannte. „Sorry“, sagte er, als Wendt sein Gesicht verzog. Er zog zischend die Luft durch die Zähne ein.

      Der Feuerwehrmann, der ihn gefunden hatte, kam zu Wendt und dem Sanitäter herüber. Die schweren Stiefel schlurften wieder über den Teer.

      „Sie haben großes Glück gehabt. Hätte man Sie nicht von dem brennenden Auto weggezogen, dann hätten Sie mehr als eine Beule abbekommen, Herr Polizist.“

      Wendt schaute ihn verblüfft an. „Wer hat mich denn dort weggezogen?“

      „Eine junge Frau. Sie rief auch bei der Einsatzleitstelle an. Dort drüben steht sie“, sagte er und zeigte auf eine Frau, die im Schatten der Unterführung stand. Wendt konnte sie nicht genau erkennen. Das Blaulicht flackerte rhythmisch über ihr blondes Haar, färbte es unnatürlich. Der Feuerwehrmann machte ihr ein Zeichen und sie setzte sich in Bewegung.

      Jung, schlank, blonde Locken, ein hübsches Gesicht. Sie lächelte ihn verlegen an. „Ihnen muss ich dankbar sein? Dann sage ich mal lieb: „Vielen Dank“. Wie heißen sie? Ich möchte den Namen meiner Retterin kennenlernen“, sagte Wendt charmant und hielt ihr die Hand hin.

      Ihre Stimme klang überraschend rau. Sexy. „Mein Name ist Christina Gericke, aber Sie brauchen sich nicht bei mir zu bedanken. Das ist doch selbstverständlich.“

      Sie beobachtete, wie bei Wendt die Kinnlade herunterklappte.

      *

      Für die Gerichtsmediziner bedeutete eine Leichenöffnung morgendlichen Alltag. Die Obduktion diente dazu, die Todesursache möglichst schnell und sicher herauszufinden. So wie es die rechtlichen Vorgaben verlangten, waren an diesem Morgen zwei Ärzte und ein Sektionsgehilfe

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