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Kripo Bonn. Ich möchte mit jemandem sprechen, der Jan Schnackenberg kannte. Seinen Vorgesetzten vielleicht.“ Er hielt ihr seinen Dienstausweis hin.

      Als die Frau den Namen Schnackenberg hörte, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck von einer Sekunde auf die andere. Trauer fiel in ihre Augen. „Ja, selbstverständlich. Ist das nicht fürchterlich? Der arme Herr Schnackenberg … entsetzlich“, sagte sie mit belegter Stimme.

      Klauk stimmte ihr zu. „Kannten Sie ihn?“

      „Ja, sicher. Wenn man hier arbeitet, kennt man jeden.“ Mit einer schnellen Bewegung richtete sie eine widerspenstige Locke auf ihrer Stirn.

      Sie griff nach einem Telefonhörer und drückte auf einen Knopf auf dem Tableau vor sich. Sie warf Klauk einen flüchtigen Blick zu.

      „Herr Meister, hier ist ein Herr Klauk von der Kriminalpolizei. Er fragt nach einem kurzen Gespräch.“ Sie wartete kurz, weil ihr Gesprächspartner ihr wohl eine Frage stellte. „Ja, es geht um Herrn Schnackenberg.“

      Herr Meister gewährte Klauk einige Minuten seiner kostbaren Zeit. Die Rezeptions-Dame begleitete Klauk zum Aufzug und beschrieb ihm den Weg zum Büro des Mannes.

      Der große Aufzug fuhr langsam bis in die sechste Etage. Die Bremse griff mit einem sanften Ruck zu. Die Türen öffneten sich. Klauk ging nach rechts den weißgestrichenen Flur entlang und blieb vor dem Büro am Ende des Ganges stehen.

      Harald Meister stand auf dem Schild neben der hellblauen Türe. Klauk klopfte. Er wunderte sich noch über die Farbwahl, als jemand die Türe aufriss.

      „Harald Meister. Kommen Sie doch herein. Das ist ja fürchterlich. Hingerichtet im Radio. Wie fürchterlich!“

      Fürchterlich. Dieselbe Wortwahl wie bei der Rezeptionistin. Gleich sagt er noch ‚entsetzlich‘, dachte Klauk.

      Klauk hielt ihm die Hand hin. Der Mann zog ihn förmlich ins Büro hinein. Ehe er sich versah, saß er in einem üppig gepolsterten Ledersessel. Sein Gegenüber war blond, blass, Mitte Dreißig, ein Bankergesicht. Unverbindlich. Feiner Anzug, eine dicke Uhr lugte unter den gestärkten Hemdsärmeln hervor. Er trug ein Hemd mit Manschettenknöpfen.

      „Ja, das ist es wohl“, sagte Klauk. Er wollte Meister eine Frage stellen, doch kam der ihm zuvor.

      „Haben Sie schon eine Spur? Die Stimme. Jemand muss doch diese Stimme kennen?“, sagte er und setzte sich in seinem Sessel zurecht. Seine Hände formten eine Raute, so wie man es von der Bundeskanzlerin Angela Merkel kannte. Sollte das nicht unterschwellig Dominanz demonstrieren?

      „Wir arbeiten daran. Aber ich möchte Ihnen zuerst ein Paar Fragen stellen, Herr Meister. Die erste ist: woran hat Jan Schnackenberg gearbeitet? Die zweite ist: gab es in der letzten Zeit Streit mit einem unzufriedenen Kunden?“

      Meister musterte Klauk eine Weile. Klauk suchte nach der Arroganz, mit der manche Banker auf andere Menschen herabsahen, weil sie nicht mit Geld jonglierten. Beleidigende Herablassung und unverschämte Selbstgefälligkeit; damit bemühten sich einige Banker dem Bild in der Öffentlichkeit zu entsprechen, was sich seitdem Ausbruch der Finanzkreise beinahe jeder über sie machte.

      Doch solch einen Blick konnte er nicht ausmachen. Da war etwas anderes.

      „Streit mit einem Kunden? Nein. Mit unseren Kunden gibt es keinen Streit. Wir gewähren Kredite für große Firmen. Da gibt es keinen Streit. Das beantwortet auch direkt ihre erste Frage nach seinen Aufgaben bei uns. Herr Schnackenberg war unser Bester.“ Er zwinkerte zweimal kurz, nachdem er den Satz beendet hatte.

      Klauks Schwulenradar meldete sich. Nicht dass er etwas gegen Homosexuelle gehabt hätte. Einige seiner Freunde waren Homosexuelle. Nein, er wunderte sich bloß, dass sein Radar nicht sofort angeschlagen hatte.

      „Herr Meister, wir müssen den Arbeitsplatz von Jan Schnackenberg überprüfen. Es kann sein …“ Weiter kam er nicht, weil Meister ihn unterbrach. Bestimmt, aber freundlich.

      „Ich fürchte, dass wird nicht möglich sein, Herr Klauk. Wie ich Ihnen bereits sagte, arbeiten wir mit großen Firmen zusammen. Deren finanzielle Befindlichkeiten dürfen nicht Ziel einer polizeilichen Untersuchung werden. Das werden Sie sicher verstehen.“

      Das Zwinkern. Diesmal verriet es Klauk seine Nervosität.

      „Und ich fürchte, dass wir darauf keine Rücksicht nehmen können. Es geht hier um Mord.“

      Das Gesicht des Bankers versteinerte sich.

      „Das werden Sie dann mit unseren Anwälten ausdiskutieren müssen.“

      „Wenn das so ist. Die Staatsanwaltschaft Bonn wird darüber informiert. Noch eine letzte Frage. Hatte Jan Schnackenberg sexuellen Kontakt zu einer Mitarbeiterin ihrer Bank?“

      Harald Meister fuhr hoch. „Wir spionieren unseren Mitarbeitern nicht nach. Das kann ich Ihnen nicht beantworten“, sagte er pikiert. Sogar mehr als pikiert. Sein linkes Augenlid zuckte. Mehrmals.

      Was sollte dieser Mini-Gefühlsausbruch? Klauk war sicher, dass er mehr über das Intimleben seines Angestellten wusste, als er bereit war, preiszugeben.

      „Vielen Dank, Herr Meister für ihre Zeit. Wir sehen uns sicher noch. Und ihre Anwälte wollen doch sicher auch, dass der feige Mord an Jan Schnackenberg aufgeklärt wird? Alles, was unsere Kriminaltechniker herausfinden, bleibt streng geheim. Keine Sorge.“ Er stand auf.

      Harald Meister hatte seine Fassung wiedergefunden und reichte ihm die Hand.

      Klauk achtete diesmal auf den Händedruck. Er war alles andere als fest. In den Augen des Mannes sah er mehr Fragezeichen, als bei einer Lateinarbeit in der sechsten Klasse eines Gymnasiums.

      Als er wieder draußen vor dem Bankgebäude und in der Bonner Waschküche angelangt war, ärgerte er sich kurz über eine Mercedes S-Klasse, die viel zu dicht an seinem Opel geparkt hatte. Sicher wieder einer, der dringend einen Kredit für seine marode Firma benötigte, dachte er.

      Dann zog er sein Handy hervor und rief Hell an. Der sollte sich um einen Durchsuchungsbefehl für den Arbeitsplatz samt Schreibtisch von Jan Schnackenberg kümmern. Schon zirkelte er mit geschickten Lenkbewegungen den Opel aus der Parklücke.

      *

      Als das Handy klingelte, zuckte Wendt zusammen. Er stand vor der Garage in einem Hinterhof, in dem Stephan Gericke seine Schrauber-Werkstatt unterhielt. Sein Hemd klebte an der Haut, dort wo das Handy in der Brusttasche steckte. Er nahm es heraus, zog sich das klebrige Hemd von der Haut und bewegte es ein paar Mal auf und ab. Dann erst beantwortete er das Klingeln. „Wendt.“

      Er trat einen Schritt näher an einen roten Mazda MX5 heran. Das alte Modell mit den Schlafaugen. Ohne Nummernschilder stand der kleine Roadster neben der Garagentüre. Er warf einen Blick in den Innenraum des Autos. Dabei hörte er Julian Kirsch zu, der ihm mit seiner angenehmen Stimme gerade darüber informierte, dass man die Untersuchung des Audi A8 abgeschlossen habe. Es sei weder ein Laptop, noch eine Aktentasche gefunden worden. Gauernack hatte keine Unterlagen bei sich gehabt. Was ungewöhnlich war, denn Gauernack war dafür bekannt, dass er sein privates Büro immer bei sich führte. Wendt bedankte sich bei Kirsch für die Information.

      Er wählte Hell auf der Kurzwahltaste an. „Hallo Chef, ich stehe gerade vor der Werkstatt von Stephan Gericke. Die Werkstatt ist geschlossen. Bei ihm zuhause ist er auch nicht. Seine Nachbarn haben ihn auch seit gestern früh nicht gesehen. Wir sollten ihn zur Fahndung ausschreiben. Ich veranlasse das“, diktierte er auf das Band des Anrufbeantworters. Hell schien nicht im Büro zu sein.

      Er steckte das Handy zurück in die Brusttasche. Der kleine MX5 hatte es ihm angetan. Sein eigener Mazda war das aktuelle Modell. Dieser hier war sicher einer der ersten, die herausgekommen waren. Gebaut Anfang der Neunziger Jahre. Der Zustand war für das Alter recht gut. Eine der Schlafaugen hatte ein zu großes Spaltmass, der Rest wirkte ganz passabel. Er blickte erneut in den Innenraum, hielt die Hand an die etwas staubblinde Scheibe auf der Fahrerseite.

      Dort hinter dem Beifahrersitz klemmte eine Tasche. Eine Tasche aus Leder. So eine Tasche hatte er doch bei…

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