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zu den Duschräumen. Er hatte seit dem Montagmorgen kein Bett mehr gesehen. Er fühlte sich dreckig, übernächtigt und übellaunig. Nicht nur die miese Schlagzeile in der Zeitung hatte dazu beigetragen.

      Veränderungen. Es würden Veränderungen ins Haus stehen. Hell mochte das nicht. Den Umzug ins neue Präsidium hatten sie eben erst hinter sich gebracht. Doch jetzt hatte Hell die Befürchtung, dass viel tiefergreifendere Veränderungen anstünden, als nur eine räumliche Neugestaltung.

      Strukturen würden geändert werden. Innerhalb der Behörde. Mit dem Tod von Gauernack würde das nur eine Beschleunigung erfahren. Die Gerüchte hallten schon seit dem Umzug durch die Büros. Sie würden einen gemeinsamen Vorgesetzten erhalten. Einen Polizeichef. Durch die Vergrößerung des Präsidiums und die damit einhergehende Zusammenlegung von Dezernaten war es notwendig geworden.

      Nach einer Dusche und mit einem frischen Hemd auf der Haut klopfte er um halb neun an der Türe von Brigitta Hansen. Sie antwortete mit einem energischen „Herein“.

      Zu Hells großer Überraschung war sie nicht alleine in ihrem Büro. Auf einem Sessel saß mit übereinandergeschlagenen Beinen ein Mann. Jünger als Hell. Er sprang auf. Brigitta Hansen erhob sich ebenfalls hinter ihrem Schreibtisch.

      „Kommissar Hell, darf ich ihnen Karl-Heinz Überthür vorstellen. Er wird uns für einige Wochen unterstützen. Als … Ersatz für Jakob Gauernack“, sagte sie.

      Hell fiel sofort eine subtile Schwankung in ihrer Stimmlage auf. Er kannte Brigitta Hansen nicht wirklich gut. Und vielleicht war es auch eher die Erlebnisse am Abend vorher, die ihn sensibler machten, doch fiel ihm auf wie ihre Stimme leicht bebte, als sie den Vornamen des Staatsanwaltes aussprach.

      Daher zögerte er auch eine Zehntelsekunde. „Sehr angenehm, Oliver Hell“, sagte er und drückte die Hand des Mannes.

      Fester Händedruck.

      „Es tut mir leid, dass wir uns auf diese Art vorgestellt werden, Herr Kommissar“, sagte Überthür.

      Angenehme Stimme.

      Starker, leicht frostiger Blick.

      Nicht unsympathisch, fand Hell. „Da kann ich Ihnen nur zustimmen, Herr Staatsanwalt. Ein herber Verlust, menschlich wie auch fachlich.“

      „Lassen Sie den Staatsanwalt weg, Herr Kommissar. Ich bin nur als Unterstützung hier“, sagte er und setzte sich wieder in den Sessel gegenüber von Hansens Schreibtisch.

      „Ich gehe davon aus, dass wir nicht nur hier sind, um Konversation zu betreiben“, sagte Hell. Sein Blick wechselte zwischen der Oberstaatsanwältin und Überthür. Hansen musste Schmunzeln.

      „Sehr gut erkannt, Kommissar“, sagte sie, „Was ist der Stand der Ermittlungen? In beiden Fällen. Ich möchte, dass Sie Herrn Überthür so schnell wie möglich ins Bild setzen.“

      „Wir stehen am Anfang. In beiden Fällen. Wir haben eben die ersten Ergebnisse zusammengetragen. Mein Team ist unterwegs. Wir suchen nach Gericke, Gauernacks Unfallgegner. Er ist nicht mehr im Krankenhaus. Wendt ist ihm auf der Spur.

      Rosin holt sich die Erlaubnis von Demian Roberts, ‚Oskars‘ Stimme auf dem Bonner Radio aussenden zu dürfen. Klauk ist auf dem Weg zur Bank, in der Jan Schnackenberg gearbeitet hat. Er will dort seinen Hintergrund abchecken. Der Anruf bei Demian Roberts Show erfolgte von dem Handy des Opfers. Mehr haben wir in dem Fall noch nicht.“

      Überthür hörte ihm aufmerksam zu.

      „Und was hat ihr Anruf bei dem Journalisten Maier ergeben?“, fragte Hansen.

      Es wunderte Hell nicht wirklich, dass sie von dem Telefonat wusste.

      „Maier berichtete nur von einem Treffen mit Gauernack gestern Abend, das aber leider geplatzt ist. Und er war der Meinung, dass Gauernack ihm etwas Vertrauliches mitbringen wollte. Die KTU durchsucht seinen Audi und seine Unterlagen. Sobald sie etwas finden, was von Belang sein könnte, meldet sich Wrobel bei mir.“

      „Warum sagen Sie das nicht direkt?“, fragte Überthür, „Das ist ein wichtiger Fakt.“ Er zog seine Augenbrauen zusammen. Die Augen wurden noch einen Tick kälter.

      „Ich habe nichts darüber gesagt, weil ich noch keine Rückmeldung von der KTU erhielt“, antwortete Hell knapp, aber wahrheitsgemäß.

      „Ach. Und das reicht ihnen als Erklärung? Ist es nicht eher so, dass sie ihre Quelle ‚Maier‘ für sich behalten wollten?“, fragte Überthür.

      Hell wunderte sich nicht, dass er so auf dem Gespräch mit Maier herumritt.

      „Wäre das so, hätte ich nicht die KTU beauftragt, das Auto und die Habseligkeiten von Jakob Gauernack eingehend zu untersuchen.“

      „Ich bin es gewöhnt, immer einen vollständigen Blick auf die Fälle übermittelt zu bekommen“, sagte Überthür gestelzt.

      Sympathisch? Hatte er eben noch einen sympathischen Eindruck von Überthür gehabt? Hell überkam ein starker Zweifel.

      „Und ich bin es gewohnt, erst dann Alarm zu schlagen, wenn ich auch einen Grund dafür habe. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass man so viel Zeit, Kraft und Stress spart.“ Sein Blick hing auf Überthürs Augen.

      „Meine Herren, warten wir die Ergebnisse der KTU ab“, sagte Hansen. Nichts widerstrebte ihr mehr, als ein Streit zwischen ihren Leuten.

      „Mit Verlaub, Sie haben gesagt, dass Kommissar Hell ihr bester Mann ist. Sieht so die Arbeit ihres besten Mannes aus?“

      Mit einer schnellen Bewegung holte er eine gefaltete Zeitung aus seiner Jackettasche. Sein Finger suchte und fand das Bild, was Hell am Vorabend zeigte. Er hielt die Zeitung mit einem siegessicheren Blick hoch. Hell spürte, wie seine Wut, die er schon beim Betrachten des Artikels verspürt hatte, wieder aufkam. Doch er zwang sich zur Ruhe. Keiner sollte mit diesem Foto Genugtuung erlangen. Niemand. Überthür hielt weiter die Zeitung hoch.

      „So eine Presse kann sich keine Dienststelle leisten, Frau Oberstaatsanwältin Hansen.“

      Er sprach zwar mit Brigitta Hansen, doch schaute er weiter in Hells Richtung.

      Hell sog die Luft schnell durch die Nase ein. Testosteron. In seinen Flimmerhärchen verfing sich Testosteron. Viel Testosteron. Wenn man es hätte riechen können.

      „Ja, Herr Überthür. Oliver Hell ist unser bester Mann. Was die Presse schreibt, interessiert mich nicht. Und ich bitte Sie, dass Sie sich jetzt auf ihre Aufgaben konzentrieren, meine Herren!“

      Überthür beruhigte sich. Hell konnte nicht genau erkennen, ob er das tat, weil er von der Oberstaatsanwältin mit einem Blick dazu aufgefordert worden war. Die Zeitung landete auf einem Beistelltisch. Mit Hells Gesicht nach oben. Überthür zog sich seine Manschetten unter dem Jackett zurecht.

      „Ich gehe dann mal an die Arbeit. Frau Oberstaatsanwältin“, sagte Hell und ging mit einem kühlen Nicken in Richtung von Überthür zum Ausgang. Doch dann drehte er sich noch einmal um.

      „Ach, was ich noch sagen wollte, Herr Überthür. Ich habe eine Maxime. Die habe ich von meinem Lehrmeister an der Polizeischule übernommen. Der hat gesagt, „Vergleiche immer das, was Du glaubst oder weißt, mit dem, was Du siehst. Das bringt dich weiter.“ Dann nahm er die Klinke in die Hand und schloss die Türe leise hinter sich. Ohne auf eine Reaktion des Mannes zu warten.

      *

      Klauk vermochte nicht zu sagen, wann er das letzte Mal so geschwitzt hatte. Schon um neun Uhr morgens näherte sich das Thermometer der Mitte zwischen zwanzig und dreißig Grad. Die Klimaanlage im Opel Insignia lief auf vollen Touren. Im Auto war es erträglich. Doch als er ausstieg, hatte er das Gefühl, jemand schlüge ihm mit einem nassen Waschlappen ins Gesicht. Er parkte den Opel auf dem Parkplatz vor dem Bankgebäude.

      Klauk wusste sofort, dass er hier richtig war. Groß, und keinesfalls zurückhaltend, sondern eher dekadent und protzig, stand auf dem Rasen ein Firmenschild. Darauf stand ‚Köln-Bonner-Darlehensbank‘. Hier hatte Jan Schnackenberg gearbeitet.

      Klauk

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