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Nächte oft sehr einsam waren, aber auch das überlebte sie.

      „Wie sieht es mit den Flüchtlingslagern aus? Hat schon mal einer darüber nachgedacht, ob die junge Frau vielleicht ein Flüchtling sein könnte?“, fragte sie jetzt und schob den Gedanken in den Vordergrund, der ihr gerade spontan gekommen war.

      „Flüchtling?“ Wendts Augen wurden schmal. „Und wie sollen wir das herausfinden? Du hast sicher gehört, dass tausende von Flüchtlingskindern in Deutschland spurlos verschwunden sind. Wie auch immer, ob es doppelte Anmeldungen sind oder schlicht und innig ein Fehler der völlig überforderten Ämter ist.“

      Oliver Hell hörte dem Gespräch seiner Kollegen interessiert zu, hielt aber seinen Blick auf Bond gerichtet, der friedlich neben Rosins Schreibtisch auf dem Boden schlummerte.

      „Ja, habe ich. Und auch wenn ein großer Teil von ihnen sicher an einem anderen Ort wieder auftaucht, so bleibt ein Teil von ihnen sicher wirklich verschwunden. Sie wurden auf der Flucht von ihren Eltern getrennt, erinnere dich an die Berichterstattung im Fernsehen und an die dramatischen Ereignisse an den Grenzen im Osten. Das war ja menschenunwürdig“, brachte Meinhold mit einem Klos im Hals hervor.

      Wendt betrachtete sie nachdenklich. „Und wo willst du da ansetzen? Ich meine, wenn wir die ganzen Listen mit verschwundenen Kindern abarbeiten wollen, dann finden wir den Mörder erst, wenn alle Flüchtlingslager längst wieder leer sind!“

      „War auch nur so eine Idee, das ‚Bonner Bundesamt für Migration und Flüchtlinge‘ können wir auf jeden Fall einschalten oder?“

      Hell löste den Blick von seinem Hund und sprach Meinhold direkt an. „Kümmere du dich bitte darum, der Ansatz ist so gut, dass man ihm nachgehen sollte.“

      Meinhold nickte und verbuchte es gedanklich als Erfolg.

      „Wir müssen sonst eingestehen, dass wir rein gar nichts haben“, sagte er dann und ließ den Blick durch die Reihe gehen.

      „Es ist allerdings auch noch recht früh, wir dürfen nicht vergessen, dass wir keinen herkömmlichen Fall vor uns haben, keine Leiche in einem Haus gefunden haben und nicht im Umfeld nach einem möglichen Täter suchen können, sondern wir haben noch nicht einmal einen Namen“, wandte Klauk ein.

      „Richtig“, stimmte ihm Hell zu.

      „Was sollen wir tun? Ein Bild veröffentlichen? Und Gefahr laufen, dass sich die Medien auf das Thema stürzen und Gott weiß was draus konstruieren? Tenor: Jetzt bringen sich die Flüchtlinge schon gegenseitig um. Danke, Mutti Merkel!“

      Hell schüttelte den Kopf. „Nein, wir halten uns das noch in der Hinterhand. Sollten wir keine heiße Spur bekommen, können wir das Bild noch immer der Presse überlassen. Apropos Bild: Hat die Fahndung nach den beiden Flüchtigen schon etwas ergeben?“

      Klauk fühlte sich angesprochen und verneinte die Frage. „Leider nein.“

      Als sich plötzlich die Tür zum Besprechungsraum öffnete, erhielt der Auftritt von Constanze Nimmermann die nötige Beachtung.

      „Hallo zusammen, ich bin die Neue in der KTU und dort die Ersatzfrau für Julian Kirsch. Mein Name ist Constanze Nimmermann“, sagte sie und lächelte. Hell hätte sie ohne den weißen Overall nicht erkannt und grüßte als erster zurück. Die widerspenstige Locke, die ihm schon bei Untersuchung bei der Kiesgrube aufgefallen war, gehört zu einem blonden Wuschelkopf.

      „Hallo, Sie haben Ergebnisse für uns? Hoffentlich ist etwas Außergewöhnliches dabei“, wollte er wissen. Die Neue hörte sich erst die freundliche Begrüßung aller an, bevor sie antwortete. „Leider habe ich nichts wirklich Bahnbrechendes für Sie, Kommissar Hell“, antwortete sie in die Runde, ihr Blick fing sich bei Klauk. Es war, als schenkte sie ihm ein besonderes Lächeln.

      „Das ist genauso viel, wie wir bereits haben“, stellte Hell ernüchtert fest. Nimmermann kam jetzt zu ihm an den Tisch und gab ihm einen schmalen Aktenordner in die Hand.

      „Sorry, die Abdrücke im Auto stammen von der Besitzerin, die anderen, die wir am Lenkrad, den Türen und auf dem Kofferraumdeckel gefunden haben, sind nicht im System. Unsere beiden Verdächtigen sind bislang nicht polizeilich aufgefallen.“

      Wieder sah sie zu Klauk hinüber. Lea blieb dieser fragende Blick nicht verborgen. Das erste Mal, seitdem sie wieder im Präsidium angekommen waren, sah sie zu ihrem Freund hinüber. Doch dieser Blick verriet nichts Gutes.

      „Und was ist mit der Reizwäsche, die die Tote trug?“, fragte Hell sie. Nimmermann nickte, schien sich aber nur schwer zu einer Antwort durchreißen zu können. Sie war mit ihren Gedanken ganz offensichtlich woanders.

      „Hmh, die Kollegen sind noch bei der Untersuchung. Es gibt Spermaspuren am Slip, das würde sich mit den Ergebnissen von Doktor Beisiegel decken, die herausfand, dass diese junge Frau kurz vor ihrem Tod noch Sex hatte.“ Diese Worte sprach sie ohne Bedauern. Plötzlich erhellte sich ihr Gesicht und es platzte nur so aus ihr heraus: „Sebastian Klauk, jetzt hat es Klick gemacht! Mensch, dass ich da nicht gleich drauf gekommen bin“, entfuhr es ihr begeistert. Klauk konnte ihren Enthusiasmus nicht teilen, fuhr sich aber verlegen mit der Hand über das Haar. Spürte sicher, wie sich Leas glühender Blick von rechts langsam in sein Hirn bohrte. Constanze ging die drei Schritte zu ihm hinüber und baute sich neben ihm auf. „Du erkennst mich immer noch nicht, stimmt’s?“, fragte sie ihn lächelnd.

      „Nein“, antwortete Klauk ohne Bedauern.

      „Friederike Nimmermann. Die kleine nervige Schwester?“, fragte sie vorsichtig weiter. Klauk sah sie prüfend an, dann schlug er sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Conny?“ Auch sein Gesicht hellte sich auf.

      „Bingo! Die Conny!“

      „Verrückt, wie lange ist das denn her?“, ließ er seiner Überraschung freien Lauf.

      „Fünfzehn Jahre … mindestens, Sebastian“, antwortete sie froh. „Wir können gerne mal einen Cappuccino trinken gehen und uns um das Update kümmern. Ich würde mich total freuen“, schlug sie vor.

      „Gerne, Conny“, entfuhr es Klauk, der noch nicht nach rechts geschaut hatte. Constanze legte ihm zu allem Überfluss die Hand auf die Schulter. „Ich weiß ja jetzt, wo ich dich finde!“

      „Wenn keiner mehr Fragen hat, dann mache ich mich jetzt wieder auf in die KTU“, sagte Nimmermann und sah dabei nur Hell an. Der konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen, da er, anders als Klauk, in Leas Gesicht schauen konnte. Und darin lesen.

      „Schon gut, vielen Dank für die Infos, Frau Nimmermann.“

      Constanze warf einen Abschiedsgruß in die Runde, Sebastian schenkte sie ein letztes Lächeln. Als sie sich der Tür zugewandt hatte, drehte sie sich noch einmal um, warf ihm einen Kussmund zu. Kurz bevor Lea eskaliert wäre, schloss sie die Tür hinter sich.

      Wendt brachte es nicht mehr fertig, sich zu beherrschen. Er prustete los. „Ich bin’s, die Conny!“, äffte er die Neue nach und beeilte sich aufzustehen, damit er aus der Reichweite von Klauk kam. Und aus der von Lea. Die saß da, starrte die Tischplatte vor sich an und schien sich gerade noch so zu beherrschen. Ihre Gefühlslage war wie ein offenes Buch. Außer ihren vor Wut mahlenden Kiefern blieb ihre Gesichtsmimik versteinert.

      „Bevor uns hier die Innereien und Organe um die Ohren fliegen“, feixte er.

      „Was ist denn?“, fragte Klauk unbedarft. Lea drehte den Kopf zu ihm, funkelte ihn an.

      „Die machen sich über uns lustig, Sebastian, weil du dich benommen hast, wie ein Idiot“, fuhr sie ihn an.

      „Was ist denn?“ Klauk war in seiner Naivität einfach nur herrlich. Das fand nicht nur Hell.

      „Das fragst du noch? Dass sie sich dir nicht gleich auf den Schoß gesetzt hat …“, rief sie erbost.

      „Blödsinn, woher sollte ich denn wissen, dass die kleine Schwester einer ehemaligen Mitschülerin jetzt bei der KTU arbeitet?“

      „Darum geht’s doch gar nicht! Du hast dich von ihr anmachen

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