Скачать книгу

mehr als nur dicke Luft zwischen den beiden gab. Was in der letzten Zeit allerdings häufiger vorkam und sich meist als laues Lüftchen schnell wieder in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Bis heute. Dennoch hörte er die letzten Worte seiner Kollegin mit Sorge. Doch konnte er sich damit nicht weiter beschäftigen, denn sein Handy klingelte. Es war Seltge. Hell hörte gespannt zu, hob zum Zeichen seiner inneren Anspannung die rechte Hand. Alle Kollegen, selbst Lea und Sebi, schwiegen und warteten auf das Ende des Telefonats.

      „Okay, vielen Dank!“, sagte Hell schließlich, steckte das Handy in seine Brusttasche zurück. „Das war Seltge. Er hat zur fraglichen Zeit zwei Handys in der Nähe der Kiesgrube geortet und weiterverfolgt. Die Spur endet in einer Lagerhalle in Bonn-Auerberg. Die Zeit für Partnerschaftsdiskussionen ist beendet. Ihr beiden kommt mit mir, die anderen kümmern sich um die Flüchtlingsfrage“, ordnete er abschließend an. Lea und Sebastian fügten sich.

      Lea folgte den Männern mit gesenktem Kopf durch den Flur. Auch auf der Fahrt nach Bonn-Auerberg sprach sie von sich aus kein Wort, beteiligte sich nicht an der Unterhaltung der Männer und sah die meiste Zeit nur aus dem Fenster. Auch auf eine Frage von Hell erwiderte sie nichts. Dann und wann warf sie Bond einen liebevollen Blick zu. Der Hund lag neben ihr auf dem Rücksitz eingeringelt. Ihre Hand fuhr in sein dichtes Nackenfell, kraulte ihn ausgiebig.

      „Sagt mal, was ist eigentlich los mit euch beiden?“, fragte Hell schließlich leicht verärgert. Sie seufzte, antwortete aber immer noch nicht.

      „Ich habe keine Lust, mit euch hier im Auto zu sitzen und zu spüren, dass zwischen euch dicke Luft herrscht. Ist es so wie sonst oder mache ich mir besser Sorgen?“

      Klauk sah zu ihm hinüber. „Lea möchte die Beziehung lösen“, brachte er Wort für Wort hervor. Der Satz bereitete ihm große Mühe.

      So schlimm hatte Hell es nicht erwartet.

      „Stimmt das?“, fragte er und versuchte, im Rückspiegel ihren Blick zu erhaschen. Die Reaktion kam prompt und heftig. Sie kniff beide Augen zu und richtete sich in dem Sitz auf. „Ist ja klar, dass du es so darstellst, Sebastian“, zischte sie.

      „Wie soll ich es denn sonst darstellen? Das ist es, was du eben auf dem Flur gesagt hast oder?“, konterte er sofort.

      „Ich habe gesagt, dass du zu mir stehen sollst mit allem, was dazu gehört“, blaffte sie zurück. „Was ich ja auch mache“, protestierte er und hob energisch beide Arme.

      „Und wenn ich mal deine Unterstützung benötige, dann ziehst du den Schwanz ein und sagst nichts. So wie eben! Das steht mir hier!“, sagte sie, strich sich mit der flachen Hand vor dem Kinn entlang. Was sie damit meinte, war Hell sofort klar. Die beiden hatten ein ernstes Problem. Größer als er vermutet hatte.

      „Moment, bevor ich etwas sagen kann, müsste ich wissen, um welche Situation es geht. Kann mich da jemand aufklären? Geschrei ist immer der letzte Ausweg der Dummen. Und da ich keine Idioten und Proleten in meinem Team habe, bitte ich euch um Mäßigung!“

      Beide fühlten sich ertappt und machten betretene Gesichter. Nach einem kurzen Schweigen begann Klauk erneut. Er räusperte sich und berichtete, was zuvor geschehen war. „Lea war oder ist der Meinung, dass ich ihr bei ihrer These mit den Ehrenmord zur Seite hätte stehen müssen. Selbst wenn ich nicht ihrer Meinung war. Das sehe ich anders …“, sagte er und wurde sofort wieder von ihr unterbrochen. „Du hättest wenigstens etwas sagen können, aber du hast mich blöd da sitzen lassen, weil …“

      „Ist doch Unsinn, keiner im Team sieht in dir eine schlechte Polizistin, keiner denkt, dass du bescheuerte Thesen aufstellst und keiner möchte, dass du das Team verlässt“, fuhr er ihr nun in die Parade.

      „Ruhig, Leute!“, unterbrach sie jetzt Hell, ordnete sich vor einem drängelnden SUV auf einer Abbiegespur links ein. „Ich muss eben hier mal regulierend eingreifen.“

      Er betätigte das oberhalb der Rückscheibe eingebaute Blaulicht und öffnete schnell die Autotür. Stieg aus und ging zu dem Mercedes hinüber. Bond hob müde den Kopf und sah Rosin fragend an. Die streichelte kurz seinen Kopf und er ringelte sich schmatzend wieder ein. Der Fahrer reagierte verdutzt, als Hell ihm den Dienstausweis ins Fenster hielt. Neugierig beobachteten die beiden Streithähne ihren Chef. Als Lea sich wieder nach vorne umdrehte, trafen sich ihre Blicke. Sofort wich sie ihm aus. Hell kam zurück, setzte sich hinter das Lenkrad und startete in aller Gemütsruhe den BMW. Das Hupkonzert hinter ihnen ignorierte er einfach.

      „Der Herr brauchte eine kleine emotionale Abkühlung, jetzt geht’s aber wieder“, griente er vergnügt. „Und ihr beiden? Braucht ihr auch eine Abkühlung?“

      Sie zögerten mit einer Antwort, was er als Aufforderung begriff. „Also was? Lea, du denkst, dass deine Kollegen dich nicht ernst nehmen? Quatsch. Du bist eine brillante Polizistin und eine hervorragende Ermittlerin. Und wenn ich unbedingt jemanden in meinem Team haben möchte, dann bist du das! Querdenken gehört zum Job, aber man muss es auch aushalten, dass nicht alle immer der gleichen Meinung sind.“

      Lea Rosin holte tief Luft und fuhr sich mit der Hand durchs kurze schwarze Haar. Dann suchte sie im Rückspiegel den Blickkontakt zu ihm.

      „Echt jetzt?“

      „Sicher“, kam als Antwort von Hell, der sich aber gerade von seinem Navigationsprogramm ablenken ließ. Das schlug ihm vor, an der nächsten Kreuzung links zu fahren, während er der Meinung war, geradeaus weiterfahren zu müssen.

      Unsicher schaute er sich um. „Links? Was sagt ihr? Ich meine geradeaus oder?“

      „Genau“, kam es in diesem Moment von Lea und Sebastian wie aus einem Mund.

      „Seht ihr! Geht doch! Es ist gar nicht so schwer, einer Meinung zu sein!“

      *

       Bonn-Beuel

      Lara betrachtete sich vergnügt im Spiegel. Das neue D&G-Shirt saß hervorragend. Auch wenn sie keinen BH darunter trug. Schelmisch zog sie das Shirt auf der linken Seite über die Schulter, so tief, dass man ihren Brustansatz sehen konnte. Für sie stand fest, dass sie es morgen auch beim Shooting tragen wollte. Am besten ebenfalls ohne BH. Schelmisch grinsend stellte sie sich vor, wie der Fotograf wohl darauf reagieren würde, doch dann wurde ihr schlagartig klar, dass er jeden Tag gutgebaute Models vor der Kamera hatte. Lasziv sich räkelnd und oft mit nur einem Hauch von Stoff bedeckt. So wie auch Milly Simmonds. Sehnsüchtig warf sie einen Blick hinüber zu dem Bildern von ihrem Idol, die über ihrem Bett hingen.

      „Bald werden wir uns kennenlernen, versprochen!“, hauchte sie ihr entgegen. Direkt daneben hing das Bild von ihr und ihrem Hund Lucy, das einem Bild auf Instagram nachempfunden war. Ein Freund hatte es in seinem Auto von ihr aufgenommen. Lucy im Vordergrund und sie selbst mit offenem Haar schaut an dem Hund vorbei direkt in die Kamera.

      Auf dem Bett lagen ausgebreitet einige Hosen, die sie in die engere Wahl genommen hatte. Nacheinander probierte sie die Hosen an, warf sie danach achtlos zurück. Bald verringerte sich die Auswahl. Sie konnte sich nicht entscheiden zwischen einer knallengen Hot-Pants aus Jeansstoff und einer weiteren Cargo-Hose, die kurz unter dem Knie endete. Farblich passte die Cargo-Hose besser, doch wollte sie so aufreizend wie möglich zum Shooting auflaufen. Dem Fotografen sollten die Augen übergehen, wenn er sie sah.

      Passend betrat in diesem Moment ihre Mutter das Zimmer, bemerkte sofort den ausufernden Klamottenstapel auf dem Bett ihrer Tochter. Lara fuhr zusammen und befürchtete schon das Schlimmste. Das D&G-Shirt sollte sie keinesfalls sehen. Zu spät.

      „Was zur Hölle veranstaltest du hier? Und was ist das für ein Shirt? Wo ist das her?“, schimpfte ihre Mutter los.

      „Ich probiere meine Sachen an. Und hatten wir nicht verabredet, dass du anklopfst, bevor du reinkommst?“, rief Lara patzig zurück, rollte mit den Augen.

      „Und wer darf das dann wieder alles bügeln?“, antwortete sie ärgerlich.

      „Mama! Ernsthaft: Jeans bügeln? Wer tut so etwas?“, fragte sie und stemmte die Fäuste in die schmale Taille. Frau Siemons hasste Unordnung. Und wenn ihre Tochter sie

Скачать книгу