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Frage stellte, obwohl sie sie in seinen Augen lesen konnte. „Was ist passiert, Lettie?“

      „Überredet? Das war großartige Werbung. Besonders nach dem Debakel zwischen dir und Marilee Jones bei den Daytime-Emmys.“

      „Sie hat vor aller Welt behauptet, ich sei eine furchtbare Schauspielerin. Eine Schwindlerin. Was hätte ich denn tun sollen?“

      „Oh, eine ganze Menge, anstatt zu sagen: ‚Nimm das ,Marilee‘, als du den Preis für die beste Schauspielerin bekommen hast.“

      „Na, das war doch wohl wirklich großartige Werbung.“ Colette lachte. Kabarettisten, Sitcoms, Talkshowmoderatoren hatten den Moment thematisiert, hatten eine echte Szene daraus gemacht. Eine, die Colette bei Saturday Night Live parodierte und bei Carson und Letterman verulkte.

      Fords leises Glucksen brachte Colette zum Lächeln. Sie mochte den Mann so gern wie am ersten Tag. Er war ein junger, hungriger Talentsucher bei einer großen New Yorker Agentur gewesen, als er beschloss, sich selbstständig zu machen. Er hatte Colette bei einem Empfang des Bürgermeisters kennengelernt und sie ausdauernd umworben, bis sie am Ende seine erste Klientin wurde, das Gesicht seiner Agentur.

      Und seine Geliebte.

      Das war ein Akt, der über ihre Befindlichkeiten und moralischen Grenzen hinausging. Aber sie wollte so verzweifelt nach vorne sehen, ihre Wunden und Ängste begraben. Fühlen. Als ihre Affäre beendet war, floh sie einen Sommer lang nach Großbritannien. Warum gerade Großbritannien, mit seinen groben, schmerzhaften Erinnerungen, konnte sie nie sagen. Mal davon abgesehen, dass die Queen sie zum Tee eingeladen hatte.

      Colette umklammerte ihre Handtasche, eine Diamatia-Greer-Tasche, nach ihr benannt von dem exklusiven, heißbegehrten Designer Luciano Diamatia, der in sie verliebt gewesen war. Aber sie hatte ihn nicht geliebt.

      Es gab andere Männer. Spice Keating, einen alten Freund aus Heart’s Bend und Schauspielerkollegen. Und Bart Maverick, ihren Co-Star bei Morgen ist ein neuer Tag.

      Alle Romanzen waren im Sande verlaufen. Weil ihr Herz einem anderen gehörte.

      Also hießen ihre Gefährten Ruhm, Reichtum und Renommee. Auszeichnungen, Lob, Ehrengrade und ein Penthouse an der Park Avenue gehörten auch dazu.

      Der Wagen rumpelte über Unebenheiten in der Straße.

      Colette sah aus dem Fenster, während New York vorüberglitt. Ebenso vorüberglitt wie ihr Leben, wenn sie ehrlich war. Sie war in den „Wagen“ ihrer Karriere eingestiegen und hatte dabei zugesehen, wie das Leben an ihr vorbeiglitt. Sie hatte Dinge erreicht, um die sie alle Welt beneidete. Aber innerlich war sie leer. Obwohl sie sich über sechzig Jahre lang mit Narrheiten gefüllt hatte. Der Hype um die Serie. Der Wahnsinn, erst eine der schönsten, dann eine der ältesten Schauspielerinnen im Fernsehen zu sein. Eine Karriere, die über Jahrzehnte ging.

      Aber seitdem die Aufzeichnungen vor einem Monat beendet worden waren, fand sie ihre Tage lang und leise. Und seitdem hatte sie angefangen, ihren eigenen Herzschlag zu hören.

      So laut, dass sie Angst hatte, er könnte sie um den Verstand bringen.

      „Hast du dir das mit dem Buch überlegt?“ Ford holte ihre Aufmerksamkeit wieder ins Taxi, in die Gegenwart zurück. Das Auto ruckelte einmal mehr, während der Fahrer, der immer wieder leise auf Arabisch murmelte, es durch den Verkehr manövrierte, wo orangene Hütchen die zwei breiten Fahrbahnen auf eine Spur verengten. „Die Serie ist vorbei. Du hattest jetzt einen Monat, um deine Freiheit zu genießen. Ich habe wirklich keine Ahnung, warum du die Zeit nicht in deinem Haus in der Karibik verbracht hast. Egal, jedenfalls, jetzt, wo du etwas Zeit gehabt hast, kannst du doch anfangen, an dem Buch zu arbeiten. Ich habe deinem Verlag schon drei Jahre lang immer wieder ein Manuskript versprochen.“

      „Ja, das Buch.“ Sie hatte einem Buchvertrag zugestimmt, aber nur, weil sie so wütend war auf Peg, die angesichts ihrer Krankheit plötzlich alles ins Reine hatte bringen wollen. Die letzten gut sechzig Jahre rückgängig machen, als wäre nichts geschehen. Colette vergab ihr und drohte ihr dann mit einer Enthüllungsgeschichte, falls sie die Sache nicht auf sich beruhen lassen wollte.

      Aber sie würde nie eine Autobiografie dieser Art schreiben. Nicht, solange Peg lebte. Weil das nichts wiedergutmachen, die Vergangenheit nicht verändern oder die Menschen zurückholen würde, die Colette geliebt und verloren hatte.

      „Ich habe doch nicht den leisesten Schimmer, wie man ein Buch schreibt.“

      Er seufzte und versuchte, das Gleichgewicht zu halten, als der Fahrer mit einem Mal mächtig Gas gab und über eine gelbe Ampel rauschte. „Du hast eine Ghostwriterin, Justine Longoria. Erinnerst du dich? Du erzählst, und sie übernimmt den Part mit dem Geschichtenzauber.“

      „Ich kann mir nicht vorstellen, dass überhaupt jemand etwas über mich lesen will.“

      „Jeder will über dich lesen.“ Frustration spiegelte sich in Fords feinen Gesichtszügen. „Du bist eine preisgekrönte Schauspielerin, eine Weltreisende, eine Wortführerin. Du hast sechs Jahrzehnte lang in dieser Serie mitgespielt. Und trotzdem ist dein Privatleben ein einziges großes Geheimnis. Du hast viele Verehrer gehabt, aber keinen Ehemann. Keine Kinder. Seit fünfzig Jahren lebst du im selben Penthouse. Du hast ja noch nicht einmal Katzen oder Hunde.“

      „Tiere sterben.“ Sie hatte genug Tode in ihrem Leben gehabt. Menschen. Träume. Liebe.

      „Sie bringen aber auch Freude und Trost.“

      „Und ich habe doch Kinder.“

      Ford lachte leise. „Als Vivica Spenser? Das zählt nicht, Colette.“

      „Sprich nicht mit mir, als wäre ich nur einen Satz vom Altersheim entfernt. Die Schauspieler, die Vivicas Kinder gespielt haben, fühlen sich sehr an wie meine eigenen. Caron Seitz und ich sprechen mindestens einmal im Monat miteinander. Und Jenn Baits‘ Kinder nennen mich Granny.“

      „Süße Geschichten, aber mich belügst du nicht. Keiner kennt dich wirklich.“ Ford sagte das, während er auf seinem Handy eine Textnachricht beantwortete. „Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich dich so gut kenne.“

      „Du kennst mich besser als jeder andere.“

      „Dann sag’s mir. Wie geht es dir damit, dass die Serie aufhört? Dass diesen Monat die letzte Folge ausgestrahlt wird?“

      „Ich bin …“ Colette hielt inne. Welche Worte passten zu dem Wirbel in ihrer Seele? Traurig? Verloren? Einsam? Solch erbärmliche Worte für eine Frau, die ein Leben lebte, um das andere sie beneideten.

      Aber um ehrlich zu sein, gab es wirklich Tage, an denen Colette Greer nicht wusste, wo sie aufhörte und wo Vivica Spenser anfing. Die Frauen wurden zu ein und derselben Person. Die Wirklichkeit der einen war die Fantasievorstellung der anderen. Sie war der vermischte Schatten ihres wirklichen Selbst und ihrer Fernsehfigur.

      „Darüber wirst du in meiner Autobiografie nachlesen müssen.“

      Fords Gelächter füllte das Taxi. „Touché. Also wirst du das Buch machen?“ Er winkte mit seinem Telefon. „Dann buche ich Justine. Wie steht es mit Montag?“

      „Schön, aber nicht zu früh. Ich habe meine Morgen gerne für mich selbst.“

      „Dann mittags. Der Verlag wird sich freuen. Ich höre schon die Dollars für die Auslandsrechte klingeln. In Südamerika bist du praktisch eine Göttin.“

      „Sie lieben doch nicht mich. Sie lieben Vivica Spenser.“ War es das? Die Welt liebte Vivica, nicht Colette. Bedeutete also das Ende der Serie, dass Schluss war mit der einzigen Liebe, die sie kannte?

      „Natürlich lieben sie Vivica. Aber wer ist Vivica schon ohne Colette Greer?“ Fords große Hand umschloss die ihre. „Es wird therapeutisch sein, das Schreiben. Du kannst deine Dämonen verbannen.“

      „Du meinst, ich habe Dämonen?“

      Bei Colettes letztem Wort hielt das Taxi an einem Bordstein

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