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Autoren wie Daniel Kehlmann, Martin Walser oder Günter Grass sind die Sätze viel kürzer als bei vergleichbaren Autoren der Vergangenheit.

      Die Sätze unserer Amtssprache sind nachweislich noch ein Relikt alter Zeiten – und somit sehr lange. Ableitungen von Gesetzestexten führen zu schwer verständlichen Sätzen. Eine „Entstaubung“ dieser nicht einfach zu lesenden Satzkonstruktion wäre höchst an der Zeit. Gustav Radebuch sagte dazu pointiert: „Der Gesetzgeber soll denken wie ein Philosoph und reden wie ein Bauer.“

      Als Beispiel eine Anzeige der städtischen Stadtwerke Passau GmbH in der Passauer Neuen Presse:

      Sehr geehrte Kunden der Stadtwerke Passau GmbH!

      Wir möchten Sie darüber informieren, dass wir Ihre bisherigen Netzanschlussverträge mit Wirkung zum morgigen Tag (8. Mai 2007) gemäß § 29, Abs. 1 Satz 3 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzungen für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung (Niederspannungsverordnung – NAV) an die neue Rechtslage nach der NAV und/oder gemäß § 29, Abs. 1 Satz 3 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Gasversorgung in Niederdruck (Niederdruckanschlussverordnung – NDAV) an die neue Rechtslage nach der NDVA anpassen werden.

       Quelle: Eroms, Hans-Werner: Stil und Stilistik – eine Einführung, Erich Schmidt-Verlag, Berlin.

      Auch Werbetexte lassen gut den Trend zu kurzen Sätzen erkennen. Die Kürze wird oft künstlich erzielt, indem Sätze „zerschlagen“ werden.

      BEISPIELE

      „Die Allianz Unfall aktiv: Ein Unfall: Plötzlich können Sie vieles nicht mehr selber machen. Müssen Sie auch nicht. Anruf genügt. Wir sind für Sie da.“

      Mediamarkt: „Ich bin doch nicht blöd.“

      2 Die Macht des Wortes

      Kommunikation führt Menschen zusammen. Aus diesem Grund ist sie einer der wichtigsten Aspekte menschlichen Verhaltens. Kommunikation ist für die menschliche Existenz so ausschlaggebend, dass sie ununterbrochen stattfindet – obwohl wir uns dessen oft gar nicht bewusst sind. Wenn demnach zwei Menschen aufeinandertreffen, lässt es sich nicht vermeiden, dass sie sich etwas vermitteln. Dabei brauchen sie nicht miteinander ins Gespräch kommen. Bereits Blicke, Körperhaltung und der Gesichtsausdruck teilen dem anderen etwas mit. Dabei sprechen wir von nonverbaler Kommunikation. Wie der berühmte Sprachforscher Watzlawick bereits betonte: Man kann nicht nicht kommunizieren.

      Dank der Forschung des Sozialpsychologen Albert Mehrabian wissen wir, wie Botschaften den Empfänger erreichen. Nur 7 Prozent steuert der Inhalt bei, 55 Prozent machen die Körpersprache und 38 Prozent die Stimme aus. Gestik, Mimik und die Art des Sprechens entscheiden somit über eine erfolgreiche Kommunikation. Je besser wir beim Gesprächspartner sein Verhalten und die Stimme kennen, desto bedeutender wird der Wortinhalt!

      Bei meinen Seminaren vergleiche ich die veränderte Wertigkeit der Faktoren mit der jungen Liebe. Wenn jemand frisch verliebt ist, wird meist die Körpersprache wahrgenommen. „Wie nett Sie lächelt“, „die strahlenden Augen“, die „reizende Figur“ etc. Nach Monaten der Begegnung werden die strahlenden Augen, die reizende Figur und das nette Lächeln nicht mehr wahrgenommen. Plötzlich rückt das Wort in den Mittelpunkt. Nachdenklich heißt es „Wie er/sie mit mir spricht“, „welche Wörter er/sie verwendet“, „mit dem kannst du nicht streiten“ etc. Wir sprechen also hier von den inneren Werten eines Menschen. Ich darf es noch etwas verfeinern und stelle fest, dass die Sprache und die Wortwahl die Erfolgsfaktoren einer Partnerschaft sind, egal ob beruflich oder privat.

      Das Wort gewinnt durch die neuen Kommunikationsmedien an Macht. Als Beispiel dient die E-Mail. Im Jahr 2016 werden voraussichtlich weltweit 192 Milliarden E-Mails pro Tag versendet; im Jahr 2009 waren es 60 Milliarden. Körpersprache und Stimme sind bei der Kommunikation via E-Mail völlig ausgeschaltet! Das geschriebene Wort gewinnt deshalb sehr an Bedeutung!

      Leider übersehen auch sehr viele Firmen den Erfolgsfaktor Sprache. Im Vordergrund steht die fachliche Ausbildung. „Wir lassen unser hervorragendes Produkt sprechen“, lautet die Devise. Es wird viel zu wenig Wert in die kommunikative Ausbildung der Mitarbeiter gelegt. In Prospekten und Websites von Unternehmen wird fast ausschließlich die hervorragende Produktqualität publiziert. Dieser Erfolgsfaktor war vielleicht noch zur Zeit der industriellen Revolution von primärer Bedeutung. In den letzten Jahren sind die revolutionären Schritte der Produktentwicklung jedoch kleiner geworden. Die Produkte gleichen sich an und sind für den „normalen“ Kunden fast nicht mehr zu unterscheiden. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist daher der „Faktor Mensch“. Der Mensch, der durch seine Worte sehr viel zur Kaufentscheidung beitragen kann.

      3 Das Sender-Empfänger-Modell

      Wer kommuniziert, will etwas erwirken: eine Antwort, das Lösen einer Herausforderung, ein Lachen, ein Weinen, Hilfe bei der Arbeit ... Wie wir alle wissen, entspricht das Ergebnis nicht immer unseren Vorstellungen. Warum?

      Betrachten wir vorweg das klassische Kommunikationsmodell. Die wichtigsten Beteiligten am Kommunikationsprozess sind Sender und Empfänger. Der Sender ist der zunächst aktive Part, denn er sendet eine bestimmte Nachricht („Bitte hilf mir bei der Präsentation“) an den oder die Empfänger. Der Sender verschlüsselt beziehungsweise codiert seine Botschaft in Form von Worten. Seine Wortwahl ist abhängig von den Werten, Einstellungen und Haltungen des Senders. Der Empfänger der Nachricht entschlüsselt diese. Er ordnet das Wort ein – je nach seinen Werten, Einstellungen und Haltungen.

      Sender-Empfänger-Modell

      Von besonderer Bedeutung ist: WIE wurde es gesagt und WAS wurde gesagt!

      Wenn ein extrovertierter, offener und mit Superlativen agierender Sender auf einen introvertierten, reservierten Empfänger trifft, entspricht die Verschlüsselung nicht der Entschlüsselung des Empfängers.

      Beispiel

      „Hi, was hältst du von dem supergeilen Wetter? Da blühe ich so richtig auf. Ich bin halt ein richtiges Sonnenkind, das Wetter passt super zu mir“, schwärmt laut lachend der extrovertierte Sender.

      Die Antwort des Empfängers wird kurz und bündig ausfallen. Zum Beispiel mit ruhiger und gelassener Stimme: „Ja, das Wetter ist schön.“ Hier prallen zwei Kommunikationswelten aufeinander.

      Es gibt verschiedene Ursachen für Sende- und Empfangsfehler: verschiedene Sprachmilieus, unterschiedliches Alter, verschiedene Kulturen etc.

      Das Bild, das sich der Empfänger vom Sender macht und umgekehrt, ist für die Ver- beziehungsweise Entschlüsselung von großer Bedeutung. Je besser wir jemanden kennen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir richtig ver- bzw. entschlüsseln. Bei der Kommunikation mit meinem Freund weiß ich, welche Einstellung, Haltung und Meinung er hat. Deshalb spreche ich ihn auch entsprechend an. Kenne ich jemand nicht, dann mache ich mir ein optisches Bild. Aufgrund der Kleidung, des Geschlechtes, des Alters oder durch Äußerungen ergänzen wir das unvollständige Bild – mit mehr oder weniger Erfolg. Aus Sicht der Chemie gesprochen: Die beiden Stoffe kombinieren gut oder sie explodieren, wenn sie zusammentreffen.

      Wir sehen, der Prozess ist komplex, jedoch auch eine spannende Herausforderung. Deshalb sollen wir daran arbeiten, wie ich mein Gegenüber am besten erreichen kann beziehungsweise wie ich es ihm leichtmache, mich zu erreichen!

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