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wenn, dann können das aber nur wenige, von den Göttern ausgewählte Leute sein.“

      Als Reaktion, auf Alviturs Gedanken, hörte man wieder ein paar gemurmelte Worte, und Hilda merkte instinktiv, dass da etwas in ihrem Kopf war, das sie noch nicht greifen konnte und sie spürte ein heftiges Kribbeln, als Alviturs Blick wieder auf ihr ruhte. Einen Schauer lief ihr über den Rücken und sie drückte sich fester an Alfger. Hilda kam sich plötzlich ganz klein vor, aber wiederum auch wach und von Alvitur angezogen.

      „Ihr wisst alle, was Ragnarök bedeutet“, nahm Alvitur seine Erzählung wieder auf. „Ja, das ist der Untergang unserer Welt, so wie wir sie heute kennen und auch der Untergang unserer Götter, die Ragnarök deshalb auch fürchten. Es gibt selbst unter ihnen auch solche, die die Ihrigen verraten haben und die Welt in ein Chaos stürzen wollen.“ Seine Stimme wurde wieder leiser, aber fast beschwörend. „Ihr kennt bestimmt auch seinen Namen. Es ist der, den Odin als Sohn annahm, der aber die Ursache vieler Übel wurde.“

      Wieder tuschelten einige ganz leise und ein Kinderstimmchen piepste fragend: „Loki?“

      „Was hat er getan, dieser Loki, der Wahlsohn von Odin?“, drang nun Alviturs Stimme auffordernd an die gespannt lauschenden Zuhörer.

      Alvitur beugte sich vor und sein Gesicht lag nun voll im Schein des Feuers. Sein Auge schaute so eindringlich in die Menge, dass die Kinder unter seinem Blick förmlich schrumpften.

      Die Bedrohung, die aus Alviturs Worten sprach, empfand Hilda plötzlich ganz deutlich. Ihr war mit einem Male so, als ob Alviturs Worte nur an sie gerichtet waren. Sie begann nervös Alfgers Hand zu drücken und lauschte aber weiter Alviturs Worten.

      „Obwohl Loki von Odin als Sohn erwählt wurde und mit einer Asin verheiratet war, verriet er die Asen und zeugte mit einer Riesin zusammen drei Kinder.“

      Alvitur hob seine Hände leicht an, wie um seine Worte zu unterstreichen und sprach dann mit eindringlicher Stimme weiter: „Lokis Kinder, das waren der Wolf Fenrir, eine riesige Schlange und ein Mädchen, in den Farben halb blau und halb wie ein Mensch gefärbt. Odin und die anderen Asen erfuhren natürlich von Lokis Frevel und Odin befragte seine Runen nach der Bedeutung dieser Wesen.“

      Alvitur machte eine kleine Pause und angespanntes Atmen war von den Kindern zu hören. Manche hörte man auch ängstlich die Erwachsenen fragen.

      Das Feuer knisterte mit einem male viel stärker und plötzlich flogen, laut knallend, Funken durch den Raum, dass alle zusammenzuckten.

      Alvitur hob, Achtung gebietend, eine Hand und lehnte sich dann aber mit einem geheimnisvollen Lächeln zurück. Er trank einen Schluck von seinem Gebräu, wobei sein Blick weiterhin über den Becherrand auf den Zuhörern weilte. Er fuhr fort: „Alle Antworten, die Odin erhielt, bedeuteten nichts Gutes. Großes Unheil war die Botschaft der Runen und so beschlossen die Asen Lokis Nachkommen einzufangen und nach Asgard19 zu bringen, um das Schlimmste zu verhindern. Alle Asen verurteilten Loki und meinten, dass er ein Verderber der Welt sei. Nur Odin selbst nahm seinen Wahlsohn noch in Schutz, denn er glaubte immer noch an Lokis guten Kern.“ Alvitur hielt inne und zeigte auf das Feuer, in der Mitte der Runde. „Odin verglich Loki mit der Kraft des Feuers, das zwar zerstören kann, das aber auch allen Wärme gibt.“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, hielt Alvitur seine Hände mit den Handflächen zum Feuer und schloss kurz die Augen. Leises Getuschel war zu hören und dann aus der Menge die Worte: „Stimmt ja auch!“ Alviturs einäugiger Blick ging suchend dorthin, woher eben die Worte kamen, dann fuhr er fort: „Ja, was wären wir ohne das Feuer, aber Loki ist nicht das Feuer und das erkannten die Asen. Sie berieten weiter, was sie mit Lokis Kindern machen sollten, ob sie diese vielleicht wie das Feuer zähmen und sie nutzbar machen könnten. Sie fanden aber keine wirklich kluge Lösung und so nahm Odin die inzwischen schon riesig gewachsene Schlange und warf sie ins Meer, wo sie aber noch beträchtlich weiter wuchs und letztendlich die ganze Welt der Menschen umspannte. Es war die Midgardschlange20. Das zweifarbige Mädchen indessen, war schon zu einer Frau herangewachsen. Odin verbannte sie in das Land des ewigen Eises, weit hinter Niflheim21. Diese Frau und auch ihr Reich, in dem sie nun fortan herrschte, wurden von den Göttern Hel genannt.“ Alvitur schaute mit ernster Mine auf die Runde am Feuer, nahm genüsslich einen Schluck von seinem geheimnisvollen Trank und fuhr in mahnendem Ton fort: „Diejenigen von uns, die nicht in einer Schlacht, ehrenvoll, als Krieger sterben, sondern erst durch ihr Alter oder durch Krankheiten, die kommen in ihr Reich.“

      Ein Geräusch drang plötzlich störend in die vor Spannung knisternde Runde und Alvitur, hob Achtung gebietend eine Hand. Alle lauschten. Es hörte sich an, als streiche etwas Riesiges an der Hauswand entlang. So laut war das Schaben und Schurren, dass die kleineren unter den Kindern sich ängstlich nach ihren Eltern umsahen.

      „Aber am schlimmsten war Lokis drittes Kind, der Wolf Fenrir“, drang Alviturs Stimme in die eingetretene Stille. „Die Asen beäugten ihn misstrauisch, denn der junge Wolf wuchs und wuchs unaufhörlich. Er wurde zu dem riesigen Fenriswolf.“

      Das letzte Wort sprach Alvitur fast wie eine Beschwörungsformel aus und bedachte die Kinder wieder mit seinen geheimnisvollen Blicken. Dann hielt er abermals inne, so, als fixierte er einen Punkt in der Dunkelheit des Hauses.

      Alviturs Blick, die Stille und dann das plötzliche, aus weiter Ferne kommende, Geheul eines Wolfes, machten den Kindern Gänsehaut, dass sie die Luft anhielten.

      Als Antwort, auf das Wolfsgeheul kläfften die Dorfhunde ganz aufgeregt.

      „Mach den Kleinen nicht solche Angst“, flüsterte Fifilla in das ängstliche Schweigen und reichte dem kleinen Stufi einen Becher mit warmen Tee. Der saß ganz in sich zusammengekauert da und schaute ängstlich und weinerlich in die Runde.

      Die Unheimlichkeit des Augenblicks unterstreichend, ertönte erneut das Wolfsgeheul, aber noch lauter. Es war jetzt viel näher und es klang bedrohlich, dass nicht mal die Dorfhunde mehr zu bellten wagten.

      Selbst Hilda, die eigentlich nie ängstlich war, empfand das als schaurig und rutschte wieder ganz dicht an Alfger heran. Alfger wandte ihr sein Gesicht zu und sie sah sein Blinzeln und sein Grinsen, dass sie schon so oft aus der Fassung gebracht hatte und plötzlich ahnte sie, was hier wirklich geschah. Alviturs Auge blickte forschend von einem zum anderen, als suche er den Wolf unter seinen Zuhörern.

      Da heulte der Wolf wieder, jedoch diesmal unheimlich lange und es schien so, als ob er direkt um das Langhaus herum strich.

      Ein paar beruhigende Worte der Eltern, an die Kleinen folgten und dann wieder ein grässliches Heulen vom hinteren Teil des Hauses. Jetzt hatte ganz sicher auch das letzte Kind Gänsehaut und die kleineren schauten wieder ängstlich zu ihren Eltern.

      „Ich denke, wir sollten diesen Wolf mal aus unserem Dorf vertreiben“, brummte nun Steinar in die Runde. Er ging langsam zum Ausgang und zog Ernir an der Schulter mit. „Komm mit, Ernir, du jagst doch auch gerne Wölfe.“

      „Bleibt alle ruhig sitzen“, sagte Steinar mit fester Stimme, „wir zwei schaffen das schon. Stimmt’s, Ernir?“

      Ernir antwortete nur mit einem zustimmenden Brummen und schon waren die beiden zur Tür hinaus. Sie waren kaum draußen, als der Wolf noch einmal zu einem grässlichen Geheule ansetzte, das dann aber ganz abrupt endete. Dafür waren Steinars und Ernirs dröhnende Rufe zu hören: „Hoho, hau ab! Mach dass du im Wald verschwindest!“

      War der grässliche Spuk beendet?

      Alle am Feuer hatten den Atem angehalten. Nun entspannte sich die Runde wieder und Stufi fragte erleichtert: „Ist er weg?“

      Ganz unvermittelt sprach Alvitur weiter: „Ja, er ist weg, aber das war auch nicht der Fenriswolf, der ließe sich nämlich nicht so einfach, mit ein paar Rufen, verjagen.“

      Alviturs Stimme nahm einen beschwörenden Klang an. „Und wie die Nornen Odin weissagten, wird dieser Höllenwolf ein Zeitalter der Axt, des Schwertes, des Windes und auch des Wolfes einleiten, dass zum Untergang unserer Welt führen würde. Für die Asen war das eine ganz schlimme Botschaft und sie beschlossen natürlich, das zu verhindern und sperrten den Wolf in einen großen Käfig.

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