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      Da meldete sich Steinar wieder mit den Worten: „Macht mal dem armen Mädchen keine Angst, erdrückt sie nicht. Hilda zeig uns kurz das Rabenei und dann verschwinden wir alle wieder.“

      Hilda schaute nun ziemlich ängstlich drein, aber auf Steinar konnte man sich verlassen, das wusste sie.

      Ganz schüchtern und vorsichtig nahm Hilda die Decken hoch, öffnete das Hasenfellchen und zeigte ihren Schatz: „Da seht, ist es nicht schön?“

      Die Leute drängten immer dichter an Hildas Schlafstelle und machten erstaunte Augen. Jeder wollte das Rabenei sehen. Die einen drängten vor, die anderen gingen wieder zurück, wenn sie genug gesehen hatten. Einige schauten anerkennend auf Hilda und andere schüttelten ungläubig die Köpfe.

      Alle staunten. „Oooh, wirklich ein kleines Rabenei“, rief Elfa, und das willst du ausbrüten?“

      Die drei Mädchen waren sichtlich neidisch auf Hildas Schatz und Stina flüsterte fast andächtig: „Es ist wirklich schön, aber wenn du nicht mehr sitzen kannst, sag uns Bescheid, dann kommen wir dich ablösen.“ Elfa nickte heftig zur Bestätigung.

      Die Leute brummelten alle durcheinander und es begann in Hildas Kopf zu schwirren. So viele Leute waren hier noch nie in der Hütte gewesen. Sie schaute flehend zu Steinar auf. Er zwinkerte ihr verstehend zu und reagierte sofort. „Genug geglotzt, husch, husch, geht wieder nach Hause. Ihr atmet hier ja die ganze Luft weg und die beiden Hildas werden krank davon.“

      Einige brummten zwar etwas unwillig, weil ihre Neugier noch nicht vollends befriedigt war, aber wenn Steinar etwas sagte, fügt man sich besser und so verließen sie zügig die Hütte.

      An der Tür drehte sich Steinar noch kurz um, zwinkerte Klein Hilda zu und sagte mit einem Lächeln: „Mach das aber richtig. Das ist was ganz Tolles, ein brütendes Mädchen gab’s hier noch nie. Vielleicht brüte ich mir mal einen Auerhahn aus, haha.“ Dann schloss er leise die Tür.

      „Uff“, sagte die Mutter, das waren ja so viele wie bei einem Thing und Falki nickte grinsend. Er hatte ja auch seinen Anteil daran. Bei diesem Gedanken vielen ihn seine Wunden vom Sturz wieder ein. Es tat noch ganz schön dolle weh und er zog sein Hemd hoch. Mutter Hilda schaute und rief erschrocken aus: „Oh je, mein Junge, was hast du den da gemacht. Das sieht ja schlimm aus!“

      Sie betrachtete die Blutergüsse rund um Falkis Hüfte, die von dem Seil herrührten, das Falkis Sturz aufgefangen hatte. Sie suchte nach dem Töpfchen mit Salbe. „Komm mal her mein tapferer Held, lass mich mal die bösen Stellen behandeln“, und sie versorgte ihn mit Fifillas Wundsalbe.

      Falki hielt still und als die Mutter fertig war, sagte er schon wieder vergnügt: „Mama, ich gehe jetzt raus, zu Sigudur. Ich habe ihm versprochen, heute zu helfen. Ich will ihm helfen, den Schafen die Wolle abzuschneiden.“

      „Das heißt Scheren“, verbesserte Mutter lächelnd, „aber geh nur, da machst du etwas Nützliches und kannst noch was lernen.“

      Kaum war Falki draußen, ging die Tür wieder auf und Sölvi stand in der Hütte.

      Hilda mochte den dünnen, blassen Sölvi sehr. Er war nie grob zu ihr und er hatte einen klugen Kopf. Alvitur hatte ihn vor langer Zeit, als Sohn angenommen und Sölvi war auch so etwas, wie sein Gehilfe geworden.

      „Alvitur hat mir erzählt, was du hier machst. Hilda, darf ich auch mal das Ei sehen? Brütest du wirklich?“

      Hilda lächelte ihm freundlich zu. „Komm her und schau es dir an“, sagte sie und zeigte ihm das bunte Rabenei.

      Sölvi staunte, als Hilda das Fellchen öffnete. Dann schaute er Hilda an. „Es ist wunderschön. Hilda, du bist das tollste Mädchen auf der Welt. Du bist so anders, du siehst und spürst Dinge, die andere nicht sehen und du traust dich etwas, woran andere nicht mal denken würden. Wenn Alfger nicht wäre, würde ich mich glatt in die verlieben.“

      „Ups“, machte Hilda und wurde rot. Sie schaute Sölvi in sein schönes, blasses Gesicht und sah, dass auch er rot wurde.

      „Sölvi, ich mag dich auch und wenn du nicht wärst, würde bestimmt ich bei Alvitur lernen, was du bei ihm lernst. Ich beneide dich manchmal darum.“

      Sölvi lächelte etwas verlegen. „Danke Hilda“, dann drehte sich um und verließ eilig die Hütte.

      Am späten Vormittag kam Falki wieder zurück. „Na, Schwesterchen, wie geht’s dir? Ist dein Küken schon geschlüpft?

      Draußen scheint die Sonne und es riecht so wunderschön nach Frühling. Nimm dein Nest um komm raus.“

      „Du spinnst ja“, ereiferte sich Hilda, „hast du schon einmal Vögel gesehen, die mit dem Nest umziehen, weil die Sonne scheint?“

      „Hildchen, ich hab doch nur einen Spaß gemacht. Brüte nur weiter. Ich bin schon ganz neugierig, wann das Küken schlüpfen wird.“

      Der Tag tröpfelte für Hilda unendlich langsam dahin. Sie döste auf ihrem Nest immer wieder ein und dachte: „Ganz schön langweilig, aber wenn da schon zwei Küken waren, müsste ihr Rabe ja auch bald schlüpfen.“ Als sie es kaum noch aushielt, öffnete sie das Hasenfell und schaute nach dem Ei. Mit einem Finger strich sie sanft drüber und flüsterte: „Komm endlich raus, ich warte auf dich.“

      Die einzige Abwechslung für Hilda war, dass ab und zu noch einer aus dem Dorf kam und ihr Brüten sehen wollte, aber viel zu sehen war da nicht mehr. Hilda war nach dieser merkwürdigen Nacht, die sie im Sitzen verbringen musste, doch ziemlich müde und saß den ganzen Tag nur noch schläfrig auf ihrem Nest.

      Zum Mittag war Mutter Hilda wieder so lieb und fütterte die brütende Hilda mit ihrem Lieblingsessen, Hirsebrei mit Äpfeln und zum Nachtisch geschmorte Äpfel.

      Das Abendessen war wie das Frühstück; Falki saß mit der Mutter am Tisch, Klein Hilda saß auf ihrem Lager und brütete. Wieder fütterte die Mutter ihre Tochter und an Hildas Gesicht konnte man unschwer erkennen, dass ihre Geduld auf eine harte Probe gestellt wurde. Hilda gruselte es jetzt schon vor der kommenden Nacht. Sie musste ja wieder im Sitzen schlafen und durfte sich kaum bewegen. Das war anstrengend und langweilig. Irgendwann schlief sie doch ein und merkte nicht mal, wie die Mutter und Falki unter ihren Schlafdecken verschwanden.

      In dieser Nacht schlief Hilda trotz ihrer ungewöhnlichen Haltung fest, doch dann erwachte sie, weil sie Etwas spürte; ein Kribbeln am ganzen Körper. Sie blinzelte; nur etwas Dämmerlicht erhellte die Hütte spärlich, doch sie spürte, mit ihrem besonderen Sinn, dass jemand bei ihr war. Es schauerte sie, als eine Hand sie ganz sachte an der Schulter berührte. Hilda strengte ihre Augen an und im spärlichen Dämmerlicht, sah sie eine schlanke Frauengestalt vor sich und eine sanfte, Stimme flüsterte: „Hab keine Angst. Du bist ein mutiges Mädchen und ich werde dir immer helfen, solltest du in Bedrängnis sein. Schon vor einiger Zeit erhieltest du von mir die Gabe, dich anderen Wesen nahe zu fühlen und sie zu verstehen. Du hast sie jetzt erst entdeckt. Diese Gabe ist mein Geschenk an dich und sie soll dich dein Leben lang begleiten.“

      Hilda sah fasziniert zu dieser geheimnisvollen Frau auf. Wie von selbst leuchtete ihr wunderschönes Gesicht, umrahmt von wallenden, goldenen Haaren. Hilda war es plötzlich wie im Fieber und ihr Herz klopfte heftig. Dann staunte sie; der Kopf der Frau war gekrönt mit einem ganz gewöhnlichen Kranz aus Gänseblümchen.

      Langsam löste sich die wunderschöne Gestalt in der Dunkelheit auf, aber ihre Stimme flüsterte noch einmal an Hildas Ohr: „Du kannst jetzt ruhig weiterschlafen, ich beschütze dich und deinen Raben. Er soll wie dein Schatten sein.“

      Mit der eintretenden Stille spürte Hilde nur noch eine tiefe, innere Ruhe und schlief wieder ein.

      Hilda wurde wach, weil sie in ihrem Bett plötzlich Nässe spürte, und das Nasse bewegte sich zwischen ihren Beinen. Im Nu waren ihre Sinne hellwach und sie zirpte leise: „Mama, Falki, es ist geschlüpft.“

      Kein Augenblick war vergangen, da standen die beiden an Hildas Nest und wollten schauen. Hilda zog ganz vorsichtig die Decken auseinander, bewegte ihre Beine vom Nestchen, und dann sahen sie es, ein kleines,

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